Aus der Einleitung des Beitrags:

Viele Indikatoren belegen, dass der deutsche Sozialstaat seit über einem Jahrzehnt in der Krise steckt und unter den massiven Druck der "Globalisierung" geraten ist. Im Ergebnis steht Deutschland seit geraumer Zeit als "kranker Mann Europas" da (Sinn 2003). Erwähnt seien nur - die Verknüpfung kärglicher Wachstumsraten (real nur noch um 1%) mit einer hohen Arbeitslosigkeit, die allein seit der Wiedervereinigung von 2,7 Mio. (1991) auf über 5 Mio. (Anfang 2005) gestiegen ist;

- die Beitragssätze zur Gesetzlichen Sozialversicherung, die von 26,5% (1970), über 36,7% (1991) auf 41,7% (2004) angehoben worden sind, sowie die durchschnittliche Gesamtbelastung der Arbeitnehmer (Lohnsteuer und Sozialversicherung), die trotz verschiedener Steuerreformen von 30,5% (1991) auf 35,1% (2003) angeschwollen ist.

- Demgegenüber sind die Ausgaben für Bildung relativ gesunken, während sich der Schuldenstand des Staates deutlich erhöht hat. Zum Teil war dies die Folge der massiv unterschätzten Kosten der deutschen Einheit. Der "Stabilitätspakt" ist von Deutschland mehrfach verletzt worden und inzwischen in der EU offiziell seiner Sanktionsmöglichkeiten vollends beraubt worden.

- Die Folgen der demographischen Entwicklung sind auch mit massiver Zuwanderung nicht korrigierbar.

Wesentliche Grundlagen des Sozialstaates fußen auf dem sozialdemokratischen Sozialstaatsmodell, das sich aus dem sog. Beveridge-System entwickelte. Namensgeber dieses Systems ist Beveridge, der 1942 im Auftrag von Churchill dem britischen Unterhaus einen umfangreichen Report zur Sozialpolitik vorlegte, der die Basis der britischen Sozialpolitik nach dem 2. Weltkrieg bildete. Dieser baut auf der Bismarckschen Sozialgesetzgebung auf, geht aber mit seinen Vorschlägen zur sozialen Absicherung, zum Gesundheitssystem, zum Bildungssystem, zur Wohnungsbaupolitik sowie zur Vollbeschäftigungs- und Umverteilungspolitik weit darüber hinaus (Franke 1999, S. 164 ff.).

Trotz des Bekenntnisses zur Marktwirtschaft, haben sich alle gesellschaftlichen Gruppen und Parteien in Deutschland mit dem sozialdemokratischen Sozialstaatsmodell angefreundet und es aus Gründen der Konfliktvermeidung und des Wahlkalküls stetig ausgebaut. Offenbar fällt es schwer, dieses Modell so umzugestalten, dass es dem Druck der Globalisierung standhalten kann. Was darunter zu verstehen ist, weshalb und wie dadurch die sozialen Gestaltungsspielräume der Politik eingeengt werden, wird im 2. Kapitel erläutert. Vor diesem Hintergrund ist es 3. sinnvoll, sich auf die ökonomischen Grundzusammenhänge sozialer Sicherungssysteme zu besinnen, um dann im 4. Kapitel Vorschläge zur Umgestaltung zu umreißen, die in weiteren Beiträgen dieses Jahrbuchs präzisiert werden. Der Ausblick unterstreicht kurz die zentrale Aufgabe der Politik: nämlich Anpassung an die veränderten Bedingungen, um den Wohlstand zu sichern, weil sonst unweigerlich dem weiteren wirtschaftlichen Abstieg auch die politische Instabilität droht.