188 Seiten
19,80 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-7316-1051-9
(21. November 2013)
Kapitalismuskritik ist wieder salonfähig geworden. Ob es die Heuschrecken-Hedgefonds sind, die Top-Manager der großen Konzerne mit zweistelligen Millionengehältern oder die Investmentbanker mit ihren Hochleistungsrechnern. Sie sind beinahe täglich im Visier der medialen Kritik oder der Party-Smalltalks: als geldgeil, gierig und geizig.
Unberechtigt ist diese Kritik nicht. Aber für viele von uns sind immer nur die anderen schuld. Dabei sind die "Kritiker der Elche", wenn auch meist in deutlich kleinerem Umfang, genau besehen "selber welche". Wir alle, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, Unternehmer wie Konsumenten, Politiker und Bürger, handeln oft genau wie diejenigen, die wir so gern kritisieren. Der fiktive Homo Oeconomicus, der Wirtschaftsmensch, den die Ökonomie sich ausgedacht hat, um damit wirtschaftliches Handeln vermeintlich besser erklären zu können, ist längst in uns Realität geworden: Wir haben gelernt, eindimensional geldorientiertes Handeln als Gebot wirtschaftlicher Vernunft zu begreifen. Überall hat der geldgesteuerte Marktmechanismus Platz gegriffen. Auch das Primat der an sachlichen Zielen orientierten Politik verliert zunehmend an Geltung.
Dabei ist es genau dieser Handlungstypus, der die zahlreichen externen Effekte mit sich bringt, die wir berechtigterweise beklagen: soziale Disparitäten innerhalb und zwischen verschiedenen Ländern, übermäßiger Ressourcenverbrauch, Klimawandel, gesundheitliche Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz, Kinderarbeit... Und wir selbst tragen durch unser tägliches Handeln dazu bei, dass diese Probleme nicht etwa gelöst werden, sondern sich immer weiter verschlimmern.
Das vorliegende Buch hält dem Fleisch gewordenen Wirtschaftsmenschen den Spiegel vor. Es macht sein Handlungsmuster als irrational erkennbar, deckt die dabei in Kauf genommenen Kollateralschäden auf und belegt sie, wo immer möglich, statistisch. Und es entwickelt Alternativen. Denn es sind nicht die Zwänge des Marktes, die uns keine Wahl lassen, als nur aufs Geld zu schauen. Wir sind mit der Fähigkeit begabt, mehrdimensional zu denken. Wir können die verschiedenartigen Folgen unseres Tuns bedenken, bevor wir handeln. Wir müssen die Herrschaft der Geldökonomie beenden und dem Geld wieder den Status des nützlichen Helfers zuweisen. Nur dann können wir ein gutes Leben für möglichst viele Menschen erreichen.
"Am Ende seines interessanten Buches fordert Jürgen Freimann, nicht ganz überraschend, "Homo Sapiens statt Homo Oeconomicus". Aber nach seiner eigenen Analyse besteht das Problem des Homo oeconomicus nicht in der Eigennutzorientierung per se, sondern in ihrer Ausschließlichkeit und ihrem Charakter als eine quasi-ethische Verhaltensvorschrift. Das muss aber nicht so sein: Der englische Ökonom und Sozialreformer John Stuart Mill, der in seinen Essays "Einige ungelöste Probleme der politischen Ökonomie" auch schon diese Denkfigur - wenn auch ohne die Bezeichnung - eingeführt hat, verstand darunter keine Vollerklärung des wirtschaftenden Menschen und schon gar keine normative Vorschrift, sondern eine erste einfache Annäherung zur Erklärung ökonomischen Verhaltens, die je nach Bedarf zu ergänzen und zu modifizieren sei. Gemäß dieser Perspektive bedürfte der Homo oeconomicus nicht der Ersetzung durch den Homo sapiens, sondern der Ergänzung, gerade angesichts der Komplexität gegenwärtiger weltwirtschaftlicher Beziehungen und Probleme. Ohne einen gehörigen Schuss Reflexion und offener diskursiver Auseinandersetzung und ohne entsprechende institutionelle Absicherungen, da weiß ich mich mit dem Autor einig, würde der Homo oeconomicus rasch zum Homo insipiens verkommen - zu dem ahnungslosen reaktiven Wirtschaftsteilnehmer, der zum Gefangenen seines bornierten Eigennutzstrebens wird, der sicher sein kann, dass er die Bedürfnisbefriedigungsmöglichkeiten künftiger Generationen aufs Spiel setzt, ohne dass er zugleich schon die Gewissheit hat, auf diesem Wege wenigstens seine eigenen Ziele tatsächlich erreichen zu können."
"In seinem neuen Buch legt Jürgen Freimann eine wuchtige Kritik am Ökonomismus vor. In bestechend klarer Sprache analysiert er schonungslos offen, wie die Herrschaft der Geldökonomie unser Leben zerstört. Allerdings bleibt er nicht in der Analyse eines beklagenswerten Status quo stehen. Auf wohltuend anschauliche und verständliche Weise zeigt er Alternativen, was wir alle tun können, und formuliert einfache, aber treffsichere Handlungsempfehlungen.
Als Professor emeritus für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und nachhaltige Unternehmensführung ist der Autor mit der Materie sehr vertraut. Er "hält dem Fleisch gewordenen Wirtschaftsmenschen den Spiegel vor" und entlarvt dazu das verabsolutierende Handlungsmuster des Homo Oeconomicus als irrational, weist auf die so in Kauf genommenen humanen, sozialen und ökologischen "Kollateralschäden" hin und unterfüttert dies mit Zahlenmaterial und Schlaglichtern auf konzeptionelle und ideengeschichtliche Hintergründe. Mit seiner Kritik richtet sich der Autor nicht pauschal gegen das Menschenbild des Homo Oeconomicus. Freimanns Kritik geht tiefer.
Zum einen zielt er gegen die konzeptionelle Verabsolutierung des Wirtschaftsmenschen und erinnert daran, dass es sich dabei nur um eine vereinfachende anthropologische Modellfigur zur Erklärung ökonomischen Tuns handelt. Zum anderen mahnt er deren Transfer in die Praxis mit der Entgrenzung des ökonomischen Kalküls an. Wir Menschen hätten uns in geldfixierte Wirtschaftsmenschen verwandelt und machten selbst die Modellfigur zu realen Handlungsmaximen. Diese Kritik sitzt, da sie berechtigt erscheint und uns alle trifft.
Das Buch besteht aus acht Kapiteln. In ihrer inhaltlichen Abfolge erinnern sie an ein Elementarschema aus der Medizin. Diagnose: In seiner Bestandsaufnahme analysiert Freimann die Dominanz der Geldökonomie über die Realökonomie und beschreibt den Primat des ökonomischen Kalküls bei Konsument(inn)en, Produzent(inn)en und Politiker(inne)n, wo häufig der "Geldbeutel in den Mittelpunkt ihres praktischen wirtschaftlichen Handelns" gerückt ist. Pathogenese: Die ideengeschichtlichen Entwicklungslinien des "Geld-Imperialismus" sieht Freimann vor allem in der Entgrenzung des Homo Oeconomicus. Sie begünstige letztlich, dass uns der eigentliche Sinn des Wirtschaftens, nämlich das gute Leben und damit die Befriedigung konkreter sachlicher Bedürfnisse und Wünsche wie Nahrung oder Bildung mehr und mehr aus dem Blick geraten sei.
Therapie: Als Alternative schlägt Freimann vor, dass wir uns rückbesinnen sollten auf den dienenden Zweck des Wirtschaftens. Für eine solche Neujustierung bedarf es einer Entwicklung weg vom Homo Oeconomicus und seiner instrumentellen Vernunft hin zum Homo Sapiens und seiner Fähigkeit, empathisch zu handeln und bewahrend mit der Natur umzugehen.
Mit dem Buch hat Jürgen Freimann ein höchst lesenswertes Werk vorgelegt. Nicht nur ob seiner klaren Worte und überzeugenden Argumentation ist es zugleich ein mutiges Unternehmen. Dies mögen insbesondere Ökonomen so einschätzen, da es zum Nachdenken über lieb gewordene Grundannahmen der eigenen Zunft anregt. Das Buch ist einer breiten, an ökonomischen Fragen interessierten Leserschaft bestens zu empfehlen."
Da die Publikation durchgängig eine Schwarz-Weiß-Malerei vermeidet, vielmehr den Zwischentönen große Aufmerksamkeit schenkt, werden Konfliktlinien, Zwiespältiges, Widersprüchliches besonders deutlich. Es werden ökonomische sowie politische, soziale und ökologische Perspektiven berücksichtigt, um zu zeigen, dass der Einzelne unterschiedliche Rollen zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen hat, die nicht auf einfachen Richtig-Falsch-Konstrukten beruhen. Das macht es jedem Lehrer, der aufgabendidaktische Vorgehensweisen bevorzugt, etwas leichter, bei der Lektüre mögliche Lernaufgaben zu generieren. Und da die einzelnen Abschnitte für sich genommen - aber auch untereinander - sehr übersichtlich angelegt und sprachlich sehr verständlich sind, bekommt er zugleich abwechslungsreiches Material in die Hand, mit dem sich die Aufgaben bearbeiten lassen. So kann man sich sehr gut vorstellen, dass einzelne Passagen in einschlägigen Schulformen und Ausbildungsgängen direkt eingesetzt werden können. So betrachtet, gehört die Publikation auch in die Hand von Schülern. Es wäre schön, wenn davon ausführlich Gebrauch gemacht würde."
Freimann zeigt die Auswege aus dieser Sackgasse. Wirtschaftliches Handeln ist mit Verantwortung für Gesellschaft und Natur eng verbunden. Wir alle sind aufgefordert, die Folgen unserer Entscheidungen zu bedenken. Für den Autor ist dies eine zentrale Herausforderung, um die Wirtschaft in vernünftige Bahnen zu lenken und möglichst vielen Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen."