4., durchgesehene Auflage
432 Seiten
29,80 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-89518-956-2
(21. Januar 2013)
Personen- und Sachregister
Im Wachstumsprozess weitet sich der wirtschaftliche Kreislauf zu einer Spirale aus, die im Aufstieg einem exponentiellen Pfad folgt. Um den Antrieb und die Möglichkeit zur Verfolgung dieses Wachstumspfads zu erklären, muss die Dynamik des Geldes, der Energie und der menschlichen Imagination deutlicher herausgestellt werden als es in der konventionellen ökonomischen Theorie der Fall ist. Es gilt daher, das enge Korsett dieser Theorie, die auf die Erklärung eines zeitlosen statischen Gleichgewichts ausgerichtet ist, zu sprengen und so die Theorie für den Einbezug historischer Entwicklungen, in der sich diese Dynamik entfaltet, zu öffnen. Dabei erweist sich, dass die Rückbesinnung auf ältere ökonomische Erkenntnisse hilfreich ist, da sie der zeitlichen Dimension des Wirtschaftens wesentlich stärker Rechnung getragen haben. Indem die hier vorgestellte Theorie der "Wachstumsspirale" diese Erkenntnisse aufnimmt und sie unter dem Aspekt der verstärkten Wachstumsdynamik weiterführt, bietet sie jedem, der sich vertieft mit den Perspektiven des Wachstums, und den Tendenzen zu seiner Beschleunigung wie zu seiner Retardierung auseinandersetzen möchte, eine wichtige Grundlage.
Das Buch gliedert sich in drei Teile:
In einer Zusammenfassung und einem Ausblick werden die Chancen des Wachstums, aber auch seine Gefährdungen, sowie die Gefahren, die mit einem steten Wachstum der Wirtschaft in einer begrenzten Welt verbunden sind, verdeutlicht.
"Hans Christoph Binswangers Buch ... argumentiert im Horizont der konventionellen theoretischen Modellbildungen mit dem Bestreben, deren Lücken und Widersprüche im allgemeinen Modell, das er entwirft, durch den Rückgriff auf die gesamte Geschichte der Wirtschaftstheorie, von den Physiokraten bis zu Keynes, von Marx zu den Monetaristen, zu beheben. Darüber hinaus ist er bestrebt, das die Wirtschaftswissenschaften kennzeichnende "Schisma" zwischen Betriebs- und Volkswirtschaft zu überwinden.
Grundlegender Ausgangspunkt ist für ihn, dass seit der Moderne Geld auf dem Markt wesentlich sei: Geld werde nachgefragt, indem man Produkte anbiete, und Geld werde angeboten, indem man Produkte nachfrage. In diesem geldtheoretischen Modell des Wirtschaftens ist von vornherein eine zeitliche Dimension enthalten: Was ist morgen kaufe, bezahle ich mit dem Geld, das ich heute verdient habe. Damit ist der Raum für strategisches Verhalten eröffnet. Eine Theoriebildung unseres Wirtschaftens auf den Tausch mit seinem Ziel des Gleichgewichts zu gründen, wie dies alle konventionellen Wirtschaftstheorien tun, lenkt nach Binswanger von wesentlichen Bedingungen ebenso ab wie der gängige Ausgangspunkt der Modellbildung, die bäuerliche Selbstversorgung: Marktakteure seien eben Unternehmen und Haushalte, die durch Geldbeziehungen verknüpft seien.
"Ackermanns Einsichten zur Geldschöpfung
"Die Krise legt offen, dass die Rolle des Geldes und der Geschäftsbanken in den volkswirtschaftlichen Theorien und insbesondere auch in den Geldtheorien unterbelichtet ist. Einiges Licht in dieses Dunkel hat - schon im Jahre 1977 - Josef Ackermann gebracht, der heutige Chef der deutschen Bank: In seiner Dissertation "Der Einfluss des Geldes auf das reale Wirtschaftsgeschehen - eine theoretische Analyse" zeigt er scharfsichtig die Mängel der überkommenen geldtheoretischen Ansätze auf ... Aus dieser Kritik entwickelt er, zusammen mit seinem Doktorvater, dem Schweizer Ökonomen Hans Christoph Binswanger, einen eigenen Ansatz, der die Zeitdimension des Zahlungsprozesses explizit einbezieht. Daraus ergibt sich eine Erkenntnis, die Ackermann selbst als "von größter Tragweite für die ökonomische" Theorie einschätzt: Dass nämlich die volkswirtschaftlichen Ersparnisse einer Periode nie ausreichen, um die für ein gleichgewichtiges Wachstum notwendigen Investitionen zu finanzieren. Und dass deshalb die Geschäftsbanken die benötigte Finanzierung durch Kreditvergabe und Giralgeldschöpfung bereitstellen müssen. ... Ackermanns akademischer Lehrer Binswanger, ..., hat diese Einsicht in seinem 2006 erschienenen Werk "Die Wachstumsspirale" wesentlich vertieft und erweitert. Sehr kurz dargestellt, zeigt er auf, dass sich aus den Institutionen einer arbeitsteiligen Marktwirtschaft, dem Vorhandensein von Unternehmen, ein Zwang zum Wirtschaftswachstum ergibt. Denn anders als natürliche Personen müssen Unternehmen dass eingesetzte Kapital bei Strafe des Untergangs vermehren, um das Kapital der Eigen- und Fremdkapitalgeber zu verzinsen. Dieses zusätzlich zu erwirtschaftende Geld kann aber in jeder Periode nur dadurch entstehen, dass die Unternehmer zusätzlich investieren - und dass die Geschäftsbaken, wie schon von Ackermann aufgezeigt, die dazu benötigten Kredite gewähren und Giralgeld schaffen. Da auch diese Kredite verzinst werden müssen, sind weitere Investitionen unumgänglich - es kommt zu einer Wachstumsspirale. Ackermann und Binswanger zeigen, dass sich das Wirtschaftswachstum in einer Marktwirtschaft nicht durch exogene Faktoren wie "technischen Fortschritt" oder Ähnliches ergibt, sondern aus dem institutionellen Aufbau und den Zahlungsprozessen selbst - und dass damit zwingend permanente Geldschöpfung durch das Bankensystem einhergehen muss. ..."
"Mit diesem Buch bietet der Schweizer Wirtschaftswissenschaftler Hans Christoph Binswanger gleichermaßen ein Resümee seiner bisherigen Forschungstätigkeit. Anknüpfend an frühere Arbeiten zu Geld- und Wirtschaftswachstum, der Erweiterung der Fragestellung um produktions- und verteilungstheoretische Aspekte sowie die Einbeziehung der Umwelt- und Ressourcenökonomie, ist es ihm gelungen, eine weit gespannte Theorie der wirtschaftlichen Dynamik zu entwerfen. Sie soll all denjenigen eine 'Orientierungshilfe' sein, die in Hinblick auf die Zukunft der wirtschaftlichen Entwicklung Entscheidungen treffen und sich dabei sowohl mit den Chancen als auch mit den Gefährdungen und Gefahren des Wirtschaftswachstums auseinandersetzen müssen.
Im Unterschied zu den fruchtlosen, zumeist recht vordergründig und ideologisch geführten Debatten um das Wirtschaftswachstum zeichnet sich diese Abhandlung durch ein betont wissenschaftliches Vorgehen aus. Ihr Anliegen ist es zu untersuchen, warum kapitalistische Marktwirtschaften dynamische Wirtschaften sind, worin die Logik des Wachstums besteht und wodurch sie begründet ist. Das Ergebnis ist folgerichtig kein einfaches Plädoyer für oder gegen Wachstum, sondern eine Erklärung, warum Wachstum für die gegenwärtige Gesellschaft unverzichtbar ist, wie es zu Stande kommt und welche Chancen sowie Risiken damit verbunden sind. Es geht dem Autor nicht um eine ökologisch oder ressourcenökonomisch begründete Kritik des wirtschaftlichen Wachstums, sondern um eine fundierte Erklärung und Begründung desselben. Ziel ist es, die 'grundlegenden Erkenntnisse der verschiedenen ökonomischen Theorien in einen kohärenten Zusammenhang zu bringen, in dem die immanente Wachstumstendenz der modernen Wirtschaft zur Darstellung kommt' (S. 8). Dies unterscheidet diese Schrift von anderen Arbeiten, worin viel gefordert und so manches behauptet wird, letztlich aber wenig erklärt wird und noch weniger begründet.
Wesentlich für die Darstellung, die der Autor in seinem Buch für die wirtschaftliche Dynamik gibt, ist die Einbeziehung der Zeitdimension in das ökonomische Denken. Dies unterscheidet seinen Ansatz von der statischen Gleichgewichtsvorstellung traditioneller neoklassischer Modelle. Binswanger arbeitet heraus, wodurch sich der Markt vom Tausch unterscheidet und was die Besonderheit des Kapitalvorschusses der Unternehmungen als Geldvorschuss ausmacht. Im Unterschied zur neoklassischen Orthodoxie ist für ihn das Geld 'integraler Bestandteil der modernen Wirtschaft' (S. 6), hinter das es kein Zurück gibt. Damit erteilt er nicht nur allen wachstumsabstinenten Reformansätzen eine klare Absage, sondern gleichermaBen auch allen Tauschringprojekten und Subsistenzökonomien. Er betont, dass das geldwirtschaftlich motivierte Wirtschaftswachstum so lange nicht an definitive Grenzen stößt, wie es in der Welt 'noch genugend Freiräume' gibt. Hierzu zahlen »alle (noch) nicht in den Geldprozess einbezogenen Tätigkeiten der Menschen und die Bereiche der Natur, die (noch) nicht als wirtschaftliche Ressourcen verwertet worden sind...« (S. 373). Essenziell für das Funktionieren kapitalistischer Wirtschaft ist die ständige Vermehrung der Geldmenge. Diese erfolgt auf dem Wege der Kreditschöpfung. Warum der Autor in diesem Kontext den Begriff 'Papiergeld' (S. 114 ff.) bemüht, wo es doch um Banknoten geht, bleibt unklar, stört den historisch-logischen Gang der Argumentation aber nur wenig. Deutlich wird, dass dem Bankwesen bei der Ermöglichung immerwährenden Wachstums eine Schlüsselfunktion zukommt, wobei die Multiplikatorwirkung des Kredits heute teilweise an die Finanzmärkte (Derivate) übergegangen ist, ein Punkt, der in den Ausführungen zu kurz kommt, der gegenwärtig aber gewaltig an Bedeutung gewinnt.
Standen im ersten Teil des Buches Geld und Markt im Fokus, so konzentriert sich der zweite Teil auf den Zusammenhang von Markt und Produktion. Der Autor zeigt, dass die neoklassische Produktionstheorie substanzielle Defizite aufweist, was die Erklärung marktwirtschaftlicher Zusammenhänge anbelangt. Dies rührt vor allem aus der Eliminierung des Geldes in der realen Wirtschaftstheorie (S. 162 ff.). Um dieses Defizit zu beseitigen, plädiert er für einen Rekurs auf vorklassische Theorien, insbesondere auf den Merkantilismus. Ähnliche Ansätze gibt es auch in der Eigentumstheorie, z. B. bei Hans-Joachim Stadermann und Otto Steiger. Im 17. und 18. Jahrhundert vollzog sich so etwas wie die erste Stufe der Monetarisierung, indem das Geld in Wirtschaft und Gesellschaft eine zentrale Bedeutung erlangte. Heute haben wir es mit der zweiten Stufe dieses Prozesses zu tun, indem das Geld alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens durchdringt. Binswanger spricht von 'einer konsequenten Monetarisierung der Wirtschaft', welche dadurch charakterisiert ist, dass 'alle Einkommen der Produktionsfaktoren ... a priori Geldeinkommen' sind und das Kapital vor allem als 'monetäre Größe' auftritt (S. 267). Dies schließt ein, dass Geld nur dann ist, 'was es ist, wenn es mehr sein wird, als es ist. Umgekehrt gilt: Wenn es nicht mehr sein wird als es ist, ist es nicht mehr, was es ist!' (S. 318) Die hierin zum Ausdruck kommende Verwandlung des Geldes in Kapital hat Folgen - für das Geld wie für das Realkapital. Die realen Größen, welche die neoklassische Theorie noch favorisiert, treten gänzlich hinter die monetären Größen zurück. Die Konsequenzen für die Darstellung wirtschaftlicher Zusammenhänge sind beachtlich: Erstens erfordert dies eine Theorie, worin das Geld einen dementsprechenden zentralen Platz einnimmt. Zweitens erscheint der Kredit- und Geldschöpfungsprozess als die eigentliche Grundlage der wirtschaftlichen Entwicklung und damit als der Ausgangspunkt für die Erklärung der marktwirtschaftlichen Dynamik. Dem versucht der dritte Teil des Buches als eine 'Theorie der wachsenden Wirtschaft' gerecht zu werden. Die Eckpunkte, die Binswanger dafür setzt, sind folgende: Erstens wird die moderne Wirtschaft eindeutig als Geldwirtschaft definiert. Bezeichnendes Kriterium dafür ist, dass Unternehmungen über Geldkapital verfügen müssen, um eine Tätigkeit aufzunehmen. Zweitens erfolgt die Kreditgeldschöpfung aus dem Nichts, also ohne vorheriges Ansparen. Drittens führt der Einsatz von Kapital zur Intensivierung der Nutzung von Arbeit und natürlichen Ressourcen. Und viertens wird die 'Leistung der Imagination' durch Forschung und Entwicklung unendlich gesteigert (S. 303). Die dabei wirksam werdende Wachstumslogik ist in ihren Konsequenzen bestechend: Der Kreislauf der Wirtschaft gerät unter markt- und geldwirtschaftlichen Bedingungen zwangsläufig zur Spirale. Als Alternative bleibt in diesem Modell nur die Schrumpfung, welche den Verlust des errungenen Wohlstandes bedeuten würde.
Interessant ist, dass Binswanger versucht, den Wachstumsprozess quantitativ einzugrenzen, indem er dafür eine minimale Rate definiert. Diese beträgt 1,8 Prozent, bezogen auf die Weltwirtschaft (S. 370). Gemessen am gegenwärtigen Wachstum von mehr als doppelt so viel würde dies eine enorme Verlangsamung aller Prozesse bedeuten und damit den aufgezeigten 'Grenzen' Rechnung tragen. Mit der Herleitung dieser weltwirtschaftlichen Wachstumsrate, woraus sich differenzierte Szenarien für entwickelte und weniger entwickelte (nachholende) Länder und Regionen ableiten lassen, entwirft der Autor ein politikfähiges Entwicklungs- und Überlebensmodell für die Menschheit - jenseits aller Wachstumseuphorie, aber auch fern von aller fundamentalistischen Wachstumskritik. Indem er in einem Nachtrag zu seinem Buch den antiken Philosophen Aristoteles als 'Vordenker der modernen Wirtschaft' apostrophiert, appelliert er an den Verstand der Leser, bei der Suche nach Auswegen auch ungewöhnliche Wege zu gehen und alle Ansatze zu prüfen, auch die der fernen Vergangenheit."
"Binswanger, der über Jahrzehnte hinweg wegweisende Einsichten in den verschleierten Zusammenhang zwischen Wachstum, Geld und Ökologie entwickelt hat, hat nun seine groß angelegte Quintessenz vorgelegt. Um es gleich vorweg zu nehmen. Wer seine bisherigen Publikationen zum selben Themenkomplex studiert hat, findet hier keinen neuen Erklärungsansatz oder gar neue Auswege aus der Wachstumsspirale. Was den Reiz des Buches ausmacht, ist vielmehr der Versuch, basierend auf einem Verständnis der kapitalistischen Marktwirtschaft die Gründe für deren permanete Expansion offen zu legen.
Binswangers Opus Magnum fordert dem Leser an einigen Stellen hohe Konzentration ab, weil der rote Faden nicht immer erkennbar ist und weil einzelne der mathematisch-formalen Exkurse (speziell im Anfangsteil) etwas holprig und redundant wirken. Hinzu kommt Manches, worüber sich kontrovers diskutieren ließe. Aber dafür entschädigen die vielen erhellenden Passagen. Und überhaupt: Binswanger hat mit diesem Werk einen enorm wichtigen Baustein zum Verständnis von ökonomischen Wachstumsprozessen vorgelegt, den man nicht mehr missen möchte."
"Er war schon immer ein Querdenker. In den siebziger und achtziger Jahren lehrte Hans Christoph Binswanger an der Schweizer Elitehochschule St. Gallen Volkswirtschaft und machte sich als Ökologe und Wachstumskritiker einen Namen. 1985 legte er mit 'Geld und Magie' eine tiefschürfende Interpretation von Goethes 'Faust' vor. Er zeigt darin, dass Goethe ... die entstehende moderne Wirtschaft als eine Art alchemistischen Prozess darstellt: Anstelle des vergeblichen Bemühens, Blei in Gold umzuwandeln, schafft sie Reichtum durch die Tranformation von Papier zu Geld, genauer durch Kreditwährung und die korrespondierende Schöpfung von Papier- und Buchgeld. Beide finanzieren und treiben das Wachstum der Warenproduktion an.
Diese Einsichten wiederaufnehmend geht Binswanger in seinem neuen Buch nun der Frage auf den Grund, was die kapitalistische Wirtschaft in ihrem Innersten zusammenhält. Es sind Zwang und Drang, lautet die Antwort des inzwischen fast Achtzigjährigen in einer Kapitelüberschrift. Drang, weil in dieser Wirtschaftsordnung das Zusammenspiel von monetären und realen Faktoren einen beständigen Wachstumsanreiz schafft. Zwang, weil das System nur stabil ist, solange es wächst.
Seine Thesen entwickelt Binswanger aus einer scharfsichtigen Kritik der vorherrschenden neoklassischen Wachstumstheorie, insbesondere der Annahme von der Neutralität des Geldes und des fehlenden Zeitbezugs. Demgegenüber ist das Geld bei Binswanger Dreh- und Angelpunkt für das Verständnis des Kapitalismus und der ihm eigentümlichen Wachstumsdynamik. Geld ist in seiner Deutung nicht bloß ein Tauschmittel, sondern es wird in der modernen Unternehmung zu Kapital, gar zu einem "Promotionsfaktor", der beständig auf seine Vermehrung dringt und dadurch das Wirtschaftswachstum antreibt.
Binswanger argumentiert auf hohem fachlichen Niveau, sein Modell kann man aber auch ohne fortgeschrittene Kenntnisse in Mathematik verstehen. ... Stärke des Ansatzes ist es, dass Binswanger darin die Rolle des Geldes in den Mittelpunkt stellt. Unterbelichtet ist der Ansatz aber insofern, als sich die Geldschöpfung aufgrund der unterstellten vollkommenen Geldillusion stets elastisch an den gerade notwendigen Bedarf anpasst. Binswanger meint, mit seiner Theorie der 'Wachstumsspirale' eine 'echte Alternative zur vorherrschenden neoklassischen Wachstumstheorie' vorzulegen. Das ist diskussionswürdig. Auf alle Fälle steuert Binswanger wichtige Einsichten bei, wie 'alles sich zum Ganzen webt, eins im andern wirkt und lebt', um mit Goethes 'Faust' zu sprechen."
"Nach jahrelanger Forschungsarbeit legt der Autor ein Werk vor, in dem er die Fundamente der Volkswirtschaftslehre untersucht. Er analysiert die treibenden Kräfte der Wirtschaft, nämlich Geld, Energie und Imagination, wie es im Untertitel heisst. Damit ist der Dreiklang der Dynamik des Marktprozesses angeschlagen: das Geld als mächtigstes Symbol, welches weltweit eingesetzt werden kann, die Natur, welche Rohstoffe und Energie liefert und der Mensch, der mit seiner Phantasie Produkte und Produktionsweisen ersinnt. Der Mensch eignet sich mit Know-how die Kräfte der Natur an, erschafft mittels Imagination neue Bedürfnisse und Produkte und setzt mit dem von ihm geschaffenen Symbol des Geldes die Marktkräfte in Gang. Damit erzeugt er eine Dynamik, welche seit den Zeiten der Entdeckungen im 16. Jahrhundert die ganze Erde ergreift.
Schon in früheren Werken hat Hans Christoph Binswanger klar nachgewiesen, dass wir mit der aktuellen Weise des Wirtschaftens in einen grundsätzlichen Widerspruch geraten sind: Wir tun so, als ob die Erde und ihre Ressourcen dem Menschen in unerschöpflichen Mengen zur Verfügung stünden. Durch die Geldschöpfung, welche durch die Nationalbanken erfolgt und durch die Kreditvergabe an die Banken den Volkswirtschaften zur Verfügung gestellt wird, dehnt sich deren Menge stetig aus. Mit der Ausdehnung der Geldmenge können immer mehr menschliche Aktivitäten und immer mehr natürliche Ressourcen und Naturschätze in den ökonomischen Bereich einbezogen werden. Die Ökonomisierung aller Lebensbereiche schreitet unaufhaltsam voran.
Die gängige Vorstellung sieht den ökonomischen Prozess als Kreislauf, in dem das Geld wie das Blut zwischen allen Wirtschaftssubjekten fliesst und in welchem ein mehr oder weniger stabiles Gleichgewicht herrscht. Die Kreditvergabe der Banken ermöglicht die Investitionen der Unternehmungen, damit diese in der Lage sind, durch die Produktion Güter herzustellen, welche von den Angestellten der Unternehmungen gekauft und konsumiert werden können. Hans Christoph Binswanger weist nach, dass es sich in Wirklichkeit nicht um einen Kreislauf, sondern um eine Wachstumsspirale ohne Ende handelt, angetrieben von der unendlichen und unerschöpflichen Imaginationskraft des Menschen zur Befriedigung natürlicher und erzeugter Bedürfnisse, aber auch getrieben von Gier, Machthunger und Prestigebedürfnissen.
Binswanger weist auf den Wachstumszwang hin und erörtert die grundsätzliche Problematik eines unendlichen Wachstums in einer endlichen Welt. Er untersucht die bekannten ökonomischen Theorien mit der Grundfrage, ob sie alle Produktionskräfte, namentlich die natürlichen Ressourcen, als Produktionsfaktor einbeziehen oder ob sie sozusagen wirklichkeitsblind sind und daher wenig beitragen können zum Verständnis der aktuellen Problematik der Ökonomie, dem weltweiten Ressourcenverbrauch und der zunehmenden Kluft zwischen Arm und Reich.
Die vorliegende Schrift Binswangers erfüllt höchste wissenschaftliche Ansprüche und ist anregend in der Vielfalt der in ihr entfalteten Aspekte. Er setzt sich auseinander mit zahlreichen Ökonomen und deren Modellvorstellungen. Er lässt den Blick schweifen über zahlreiche Zwischenstationen zurück zu Aristoteles und wieder in die Zukunft. Der grosse Bogen deutet an, dass es sich bei der Frage über die Art des Wirtschaftens auch um die Frage der Grundlage unserer Kultur handelt. Die Lektüre ist daher empfehlenswert für jedermann. Die Zeitinvestition lohnt sich: Der Horizont für den Blick und für das Verstehen der Welt wie ist ist, wird gestärkt, die Diagnose für die Volkswirtschaftslehre, namentlich für Modellvorstellungen neoklassischer Ausprägung, ist eindeutig. Die Wissenschaft ist aufgerufen, sich mit dieser Fundamentalkritik an den gängigen Modellvorstellungen auseinanderzusetzen.
Binswanger "knüpft in diesem Spätwerk an seine frühen Arbeiten an und will seine unterschiedlichen Argumente zu einer Gesamtschau verdichten. Das vorliegende Buch bilanziert eine dreißigjährige turbulente Diskussion zur ökologischen Ökonomik, an der er maßgeblich beteiligt war. ...
Binswanger hat in diesem Buch die politisch-polemische Wachstumsdiskussion der siebziger und achtziger Jahre auf die Fachebene gehoben. Er führt eine diffizile Auseinandersetzung mit bekannten ökonomischen Argumenten und Theorien. Dabei erlernt der Leser sowohl das ökonomische Denken als auch kritische Einwände gegen diese Denkweise. Er erfährt auch vergessene Argumente und Autoren, die den Blick auf die Dinge modifizieren und liest eine Menge hilfreicher Ideen zum Geld, zur Imagination (Humankapital), zu Wohlstand und Knappheit.
Das Buch, an dem der Ökonomie-Professor Hans Christoph Binswanger rund 12 Jahre gearbeitet hat, ist das Resultat eines Lebenswerks. Es faßt zwei Fragestellungen zu einer Gesamtschau zusammen: die ökologische Frage und die Geldfrage.
Das Buch entwickelt Begriffe, die zu einem organischen Verständnis der wirtschaftlichen Prozesse führen. Das gelingt dadurch, daß die Zeit als wirkender Faktor mit einbezogen wird. Den von Binswanger entwickelten Begriffen scheint daher eher als den konventionellen mechanistischen Begriffen das Potential innezuwohnen, gesundend in das Wirtschaftsleben eingreifen zu können. ...
Das Buch ist breit angelegt und eröffnet interessante Perspektiven, wie die ökonomischen Prozesse neu gedacht werden könnten. Wenn zum Beispiel das Geld nicht neutral ist, muß man daraus folgern, daß es "Partei" ergreift. Die Frage ist dann: Für wen? In den gegenwärtigen Wirtschaftsstrukturen fließt es zunächst zu jenen, die schon viel davon haben, mit der Folge, daß die Schere zwischen Arm und Reich sich immer weiter öffnet. Eine mögliche Konsequenz, die sich aus der fehlenden Neutralität des Geldes ziehen ließe, wäre, die Geldschöpfung in Zukunft so zu gestalten, daß alle Menschen eines Währungsgebietes an ihr teilhaben und damit einen Zugang zum Geld hätten.
Das Buch wendet sich nicht nur an die ökonomische Fachwelt, sondern auch an interessierte Laien, die allerdings zumindest eine Grundkenntnis der ökonomischen Begriffe haben sollten. Wer die Bereitschaft hat, sich auf die Argumentationsergebnisse einzulassen, wird dieses Buch mit großem Gewinn lesen, gibt es doch einen Überblick über die wirtschaftlichen Prozesse und führt zu einem vertieften Verständnis ihrer inneren Organik."
"Binswanger gibt die Fragen, die sich aus seinem Befund ergeben, an die Gesellschaft zurück: Bisher sei es so, dass die Politik mit wachstumskonformen Mitteln versuche, die ökologischen oder sozialen Kollateralschäden des Wachstums abzumildern - indem man zum Beispiel ein "nachhaltiges Wachstum" anstrebe. Binswanger sieht aber nüchtern, dass die Politik sich im Falle eines Konfliktes zwischen Wachstum und seinen negativen Folgen immer für das Wachstum entscheiden werde.
Kein Buch das lautstark aktuelle Entwicklungen beschreit, sondern grundlegende Kategorien erarbeitet. Aber genau deswegen ist es politisch brisanter als vieles, was sonst publiziert wird.
"Alles schreit nach Wachstum. Möglichst hoch und nachhaltig soll es sein. Dabei gibt es so etwas in der ökonomischen Theorie gar nicht. Die konventionelle Lehre basiert auf den Ideen des Kreislaufs der Gleichgewichte. Eine solche Wirtschaft kann aber nicht dauerhaft wachsen. Tut sie es dennoch, drohen alsbald die "Grenzen des Wachstums". Und es braucht einen ziemlich vagen Begriff, um die Beschleunigung zu erklären: den 'technischen Fortschritt'. Wer dauerhaftes Wachstum will, schreit am lautesten nach Innovationen, besserer Ausbildung, KMU-Förderung - vor allem, um technologische Wachstumsschübe zu bekommen.
Hans Christoph Binswanger versucht, den ökonomischen Kreislauf zur Spirale zu machen. Indem er dem Geld als dauerhaftem Wachstumsmotor eine eigene Dynamik zuschreibt. Nicht weil Geld an sich dynamisch ist, sondern weil die Vorstellung der Menschen vom Geld und seiner Verwendung dynamisch ist.
Das ist ein neuer Ansatz - und ein alter zugleich. Schon die Griechen suchten die Seele des Geldes. Und der Schotte John Law löste in Frankreich einen durch Geld gesteuerten Boom aus und sah diesen platzen. Geld hat eine eigene Dynamik, ist in diesem Sinne Produktivkraft und kann Wachstum bewirken. Nicht das Geld als Sache zwar, aber das Geld als die Vorstellung, die wir davon haben.
Nachruf von Hanspeter Guggenbühl
Der freisinnige Wirtschaftswissenschaftler Hans Christoph Binswanger, geboren 1929, ist am 18. Januar in St. Gallen gestorben. Er war einer der bedeutendsten Ökonomen der Schweiz und Vorreiter der Umweltökonomie. Ihm gelang es, seine Themen Ökonomie, Ökologie und Geldtheorie miteinander zu verknüpfen und deren Zusammenhänge darzustellen, zuletzt in seinem komplexen Spätwerk «Die Wachstumsspirale» (Metropolis-Verlag, 2006).
Schon früh erkannte Binswanger, dass das heutige kapitalistische Wirtschaftssystem «einem Wachstumszwang unterliegt». Diese Erkenntnis kontrastierte mit seiner Einsicht, dass ein ständiges Wirtschaftswachstum aus ökologischen Gründen nicht durchzuhalten ist. Um diesen herausfordernden Konflikt zu entschärfen, entwickelte er schon ab den 1970er-Jahren verschiedene Modelle für eine ökologische Steuerreform. Dazu schlug er eine Lenkungsabgabe vor mit dem Ziel, die Energie als Treiber des Naturverbrauchs zu verteuern, und mit dem Ertrag daraus die menschliche Arbeit zu verbilligen.
Binswanger war in den 1970er-Jahren zusammen mit Werner Geissberger und Theo Ginsburg Leiter der Forschungsgruppe «Neue Analysen für Wirtschaft und Umwelt» (NAWU). Zu deren Mitgliedern gehörte unter andern auch der spätere Zürcher Stadtpräsident Elmar Ledergerber, der Energieexperte Samuel Mauch, der Geograf Martin Boesch, der Soziologe Wolf Linder, die Biochemikerin Joan Davis, die Raumplanerin Verena Häberli und der Sozialwissenschaftler Peter Gross, der später sagte, Binswanger hätte längst den Nobelpreis für Wirtschaft verdient.
Die NAWU-Gruppe stellte sich die Frage, wie und mit welchen Mitteln es gelingen könnte, ohne einschneidende Krisen von einer vom Wirtschaftswachstum getriebenen Entwicklung zu einem Zustand des ökologischen Gleichgewichts zu gelangen. Die Ergebnisse veröffentlichte die Gruppe im 1978 veröffentlichten «NAWU-Report» unter dem Titel «Wege aus der Wohlstandsfalle».