Aus der Einleitung der Hg.:

Der Beitrag von Simone Habel liefert eine vertiefende Analyse der Live-In-Pflege und der zentralen Stellung von Vermittlungsagenturen auf dem „grauen“ Markt dieser Form informeller Sorgearbeit an. Ausgangspunkt des Beitrags ist die Beschreibung von Live-In-Pflegekräften als überwiegend mittel- oder osteuropäische Migrant*innen, die in prekären Arbeitsverhältnissen häusliche Pflegearbeit leisten. Diese Form von Erwerbsarbeit ist grundlegend gekennzeichnet durch entgrenzte Arbeitszeiten, geringe Vergütung und soziale Absicherung sowie durch hohe physische und psychische Belastungen. Diese prekären Arbeitsverhältnisse verortet die Autorin im Kontext historisch gewordener Machtverhältnisse von Vergeschlechtlichung und Ethnisierung. Hinsichtlich der Arbeitsbedingungen kommt den Vermittlungsagenturen ein großer Handlungsspielraum zu, da für den „grauen Markt“ der Live-In-Pflege ein Mangel an Kontrollen und klaren Regulierungen kennzeichnend ist. Die Narrative der Agenturen untersucht die Autorin daraufhin, wie sie die prekären Arbeitsverhältnisse sprachlich legitimieren. Sie identifiziert in ihnen die genannten Machtverhältnisse in Bezug auf Geschlecht und Ethnizität. So ist in den Narrativen beispielsweise die Konstruktion der Live-In als Quasi-Familienmitglied und als ununterbrochen verfügbare Hausfrau präsent; darüber wird versucht, entgrenzte Arbeitszeit zu legitimieren. Das Phänomen der Live-In-Pflege kontextualisiert Habel also an der Intersektion der Machtachsen von Vergeschlechtlichung und Ethnisierung, die sie auch in den Narrativen der Vermittlungsagenturen als Schlüsselakteure des „grauen“ Marktes nachzeichnet. Die Live-In-Pflege bildet damit ein Beispiel, wie informelle Sorgearbeit in der Dienstleistungsgesellschaft unter prekären Arbeitsbedingungen – entgrenzt, ohne Einhaltung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit, gering entlohnt und kaum oder gar nicht abgesichert – erfolgt, was im deutlichen Gegensatz zu den Hoffnungen des französischen Ökonomen Jean Fourastié in die Dienstleistungsgesellschaft steht.