"Jahrbuch Normative und institutionelle Grundfragen der Ökonomik" · Band 17
246 Seiten
29,80 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-7316-1350-3
(Januar 2019)
Die seit einigen Jahren schwelende "Krise des Liberalismus" ist in aller Munde. Dabei gerät vor allem das zuweilen dynamische, zuweilen spannungsreiche Verhältnis von Wirtschaftsliberalismus und anderen liberalen Grundwerten in den Blick. Von Karl Marx bis Milton Friedman haben ganz verschiedene Denker die gemeinsame Dynamik von Kapitalismus und Freiheit dargestellt. Gerade das Versprechen der "neoliberalen" Wende beschränkte sich nicht nur auf Wohlstand, sondern bezog sich auch auf Autonomie, Individualität und Wahlfreiheit.
Immer wieder jedoch treten Entwicklungen zu Tage, die Spannungen, Dialektik und Paradoxa dieser gemeinsamen Dynamik offenbaren. Die besorgniserregende Weise, mit der sich das Politische momentan in populistisch-ausgrenzenden Gegenbewegungen zurückmeldet, ist für Wirtschaftsliberale wie Rainer Hank primär ein Ausdruck satter Selbstzufriedenheit. Indes erzeugen Wettbewerb und Wachstums- und Globalisierungsdynamik Zwänge, die auch bei jenen Unbehagen auslösen, die weder satt noch selbstzufrieden sind. Schumpeter hat betont, dass negative Auswirkungen von Innovationsprozessen sich auf "Modernisierungsverlierer" konzentrieren. Und manches scheint den Bewohnern der Moderne schlicht über den Kopf zu wachsen, so die digitalen Technologien und die Globalisierung. Der Einzelne ist ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, kann aus ihnen nicht hinausoptieren - wobei manche digitalen Monopole wohl absichtlich so konstruiert sind, dass das Hinausoptieren erschwert wird.
Neben der illiberalen Demokratie sind heute auch Formen des Kapitalismus eine reale Möglichkeit, die mit Freiheit wenig zu tun haben. Die Aufsätze dieses Bandes analysieren einschlägige Grundprobleme aus verschiedenen Perspektiven. Spezifische Zugänge (Digitalisierung, Haftungsprinzip, Frauen und Arbeitsmarkt, Caring) werden durch empirische und theoretische Arbeiten zur Wechselbeziehung von Freiheit, Demokratie und Marktwirtschaft ergänzt.
Eine eigentlich gleich breite Würdigung verdiente ein weiteres Jahrbuch. Auch dieser Sammelband spiegelt aktuelle Entwicklungen kritisch, fast noch radikaler. In die Analysen fliessen ethische Aspekte mit ein. Kämen die oft recht profilierten Beiträge nur nicht so abschreckend daher! Trockener kann ein Buchtitel kaum sein: "Normative und institutionelle Grundfragen der Ökonomik. Jahrbuch 17". Darunter diskret das besichtigte Terrain: Kapitalismus und Freiheit. Darum geht es. Und damit werden wirkliche Grundfragen aufgeworfen - auch unserer Demokratie. Speziell der letzte Text, welcher den "Fluch der Sachzwänge" unter die Lupe nimmt, dringt zum Kern politischer Ohnmachtgefühle vor. Trotz vieler realer oder beschworener Krisen, die "zunehmend als allgemeine Krise unserer Gesellschaftsordnung wahrgenommen" werden, scheint sich nichts zu ändern. Verantwortliche verweisen auf Handlungszwänge, und da der Markt nach den "marktorientierten Reformen" der letzten Jahrzehnte global "prädominant" ist, bestimmt dieser das Geschehen. Zukunft wird nur noch "als optimierte Kopie der Gegenwart" gesehen. Wenn selbst oppositionelle Kräfte sich diesen Vorgaben beugen, Möglichkeiten zur gemeinschaftlichen Austragung gesellschaftlicher Gegensätze verschwinden, wird die Demokratie gelähmt. Dann beschränkt sich Politik darauf, "dem vorgegebenen Entwicklungspfad zu folgen. Sie wird zum Fahrer einer Gesellschaft auf Autopilot."
Ganz ohne Hoffnungsschimmer werden wir aber nicht entlassen. Vermehrt würden jetzt zumal aus der Wissenschaft möglicherweise "hegemoniale Projekte" für eine "ökologische Transformation der Gesellschaft" formuliert, die auch "eine Neugründung des Sozialen" mit einbeziehen. Bei grünen Parteien und Bewegungen gebe es Versuche, "ihre Positionen zu re-radikalisieren", interessante Konzepte wie den ‹Green New Deal› aus der "neoliberalen Umklammerung zu befreien". Im dramatischen Moment, "wo wir uns mit zunehmender Geschwindigkeit weg vom Klimaproblem und hin zur Klimakatastrophe bewegen", könnte dies eine Ermutigung sein. Hätten die Klimastreiks nicht erst nach Redaktionsschluss begonnen, wären sie wahrscheinlich zum Schlusspunkt geworden.
Der Kapitalismus und die Freiheiten
Die Interdependenz von ökonomischer und politischer Ordnung
Gleiche Freiheit im Kapitalismus?
Kommunismus im Kapitalismus?
Gibt es eine liberale Position zur Haftungsbeschränkung für Kapitalgesellschaften?
Free to choose, free to lose: Macht, Diskriminierung und die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern
Depressed entitlement and the reproduction of the gender pay gap in an experiment with couples
Caring Societies: Kapitalismus und Sorge
Entwicklung und Freiheit
Zeit zur Freiheit – eine Befreiungsperspektive
Informationsgenossenschaften zur Bewahrung persönlicher Autonomie im Informationskapitalismus
Der Fluch der Sachzwänge