226 Seiten
29,80 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-89518-617-2
(August 2007)
Neuroökonomie ist eine neue Forschungsrichtung, in der ökonomische Fragestellungen: Kaufverhalten, Entscheidungen, Restriktionen etc. mit Methoden der neuroscience bearbeitet werden, wesentlich mit Hilfe 'magnetic resonance imaging' (MRI). Dabei werden Gehirnaktivitäten von Probanden in Problemlösungssituationen gescannt. Es ist, neben der experimentellen Mikroökonomie, die zweite Laborabteilung der Ökonomie. Neuroökonomie ist der Blick ins Innere des Gehirns, d.h. in die black box des homo oeconomicus. Die Forschung steht erst am Beginn. Die erstaunlichste Tatsache ist der affective turn: die Emotionen werden zu einem Grund für Handlungen und Entscheidungen. Die rational choice, die klassisch auf Vernunftgründe basiert, gerät in einen erweiterten Motivraum. Methodisch ist das die interessanteste Wendung. Die Neuroökonomie wird unsere Auffassungen von entscheiden, wählen, rational choice ändern. Und nicht über eine theoretische Neueinschätzung, sondern aufgrund empirischer Belege. Das Buch gibt im deutschen Sprachraum einen ersten Überblick, auch in der Beschreibung von etwaigen Grenzen dieses Ansatzes.
"Mussten die Wirtschaftswissenschaften sich lange Zeit mit dem Konstrukt der Blackbox begnügen, ohne eine wirkliche Antwort auf die Frage zu erhalten, was im Konsumenten vorgeht, verspricht die Neuroökonomie den Einblick in den Konsumenten. Seine Entscheidungen sollen nachvollziehbarer werden, und der Konsument wird nicht als Homo oeconomicus, sondern als Homo reciprocans begriffen. Das kognitive Handeln wird ersetzt durch den "affective turn", und eine Entscheidung ist mehr als das bloße Abwägen von unterschiedlichen Alternativen.
Priddat bietet in dem Sammelband "Neuroökonomie", der auf einer Konferenz an der Zeppelin University im Jahr 2005 basiert, einen weiten aber dennoch tiefen Einblick zum Stand der Forschung. Der transdisziplinäre Ansatz der neuroökonomischen Forschungsrichtung macht es notwendig, dass nicht nur die Anwendungen der Ergebnisse der Grundlagenforschung behandelt werden, sondern auch die Ergebnisse der Grundlagenforschung selbst.
Einem ausführlich in die Funktionsweise des Gehirns einführendem Text von Markowitsch folgt eine "komprimierte" Darstellung der Anwendungsteilbereiche der Neuroökonomie mit einem Schwerpunkt auf Neuromarketing. Die größte Stärke der Beiträge ist es, ein komplexes Thema durch Herleitung der wesentlichen Grundlagen so aufzubereiten, dass es bei der Beschäftigung mit den Themen auch Nicht-Naturwissenschaftlern gelingt, den Nutzen von und überzogene Erwartungen an die Neuroökonomie zu erkennen.
Als roter Faden ziehen sich die Begriffe Vertrauen und Angst beziehungsweise Risiko durch die weiteren Beiträge. Durch Rückgriffe auf die Spieltheorie und die gleichzeitige Widerlegung von Annahmen, die gelten würden, wenn Menschen tatsächlich rational handelten, wird nicht nur deutlich, wie unvorhersagbar das tatsächliche Verhalten von Konsumenten ist. Es wird auch deutlich, wo genau die Neurowissenschaften Hinweise auf die Gründe für irrationales Verhalten liefern müssen, um die Anwendbarkeit der Neuroökonomie signifikant zu erhöhen.
Das abschließende Kapitel des Herausgebers erläutert noch einmal die Relevanz des "affective turns" und beleuchtet die Konsequenzen. Der Homo oeconomicus ist Ausgangspunkt der Anwendung der Neuroökonomie und gleichzeitig Endpunkt der rationalen Auffassung von rationalem Verhalten und rationalen Entscheidungen. Konsequent weitergedacht muss dies zu einem anderen Bild des Konsumenten führen, dessen Black-box durch die Neurowissenschaft immer weiter geöffnet werden kann. Aber auch Priddat kennt die Grenzen der Anwendung der Ergebnisse. Einen Überblick über den derzeitigen Stand der Wissenschaft und Literatur, erklärtes Ziel des Buches, kann jeder, der sich intensiv mit den Aufsätzen auseinandersetzt, erhalten. Es sei jedoch angemerkt, dass es sich nicht um Texte handelt, die sich ohne Vorkenntnisse in Biologie, Psychologie oder Neurologie leicht lesen und verstehen lassen. Auch die Grafiken tragen nur selten zu einem schnelleren Verständnis eines der spannendsten Forschungsfelder der Ökonomie bei. Aber gerade weil dieses Buch Aufsätze der unterschiedlichen Disziplinen beinhaltet und der Leser breit und tief interdisziplinär in das Thema einsteigen kann, ist das Buch auch für all diejenigen geeignet, die sich zum ersten Mal mit "neuen Theorien zu Konsum, Marketing und emotionalem Verhalten in der Ökonomie" auseinandersetzen."
Warum Sie Neuroökonomie lesen sollten
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse ermöglichen es Marketingexperten, immer umfangreichere Einblicke in die Entscheidungen der Käufer zu gewinnen. Verantwortlich dafür ist der Schulterschluss der Ökonomie mit der Hirnforschung: die Neuroökonomie. Was sich hinter dieser neuen akademischen Richtung verbirgt, zeigt diese Zusammenstellung von Fachbeiträgen in sehr gelungener Form. Der Leser gewinnt einen Überblick über die Funktionsweise des menschlichen Gehirns und wird über aktuelle Forschungsprojekte in Kenntnis gesetzt. Er erfährt, warum die in der Wirtschaftswissenschaft lange Zeit vorherrschende Annahme vom rational denkenden und handelnden Menschen in ihren Grundfesten erschüttert wird und was das für ganz konkrete Alltagssituationen, etwa fürs Einkaufen, bedeutet. Das Buch geht aber noch einen Schritt weiter: Es setzt sich auch intensiv mit den Grenzen der Neuroökonomie auseinander und wirft eine Reihe ethischer Fragen auf. Einziges Manko: die oft zu komplizierte wissenschaftliche Sprache. getAbstract empfiehlt das Buch allen Unternehmern und Managern, die das menschliche Verhalten verstehen wollen, sowie allen Wirtschaftsstudenten, die wissen möchten, was nicht in ihren Lehrbüchern steht - aber drinstehen sollte. >
"Das öffentliche Gezerre um ihre (zu) hohen Vergütungen haben Top-Manager bislang ohne Abschürfungen überstanden. Sie sollten sich allerdings nicht zu sicher wähnen. Die "black box" der Managergehirne ist dabei, geöffnet zu werden. Die neuen bildgebenden Verfahren der Hirnforschung können das. Ist ein Vorstandsvorsitzender tatsächlich sein Geld wert, wenn etwa die rechte Hälfte seines dorsolateralen präfontalen Cortex, also der Ort, der bei Entscheidungen unter Unsicherheit aktiviert wird, nicht stärker entwickelt ist als bei einem gewöhnlichen Sachbearbeiter? ... Das Problem ist nur, dass die Neuroethik, eine der Bindestrich-Wissenschaften, die wir der aktuellen Hinwendung zum "Neuronalen" verdanken, schon nach "Schutz und Geheimhaltung" ruft.
Das ist auch einer der Gründe dafür, dass die Neuroökonomik, die den Anspruch erhebt, durch Biologisierung ökonomisch relevanten Vrhaltens die allzu simplen Modelle rund um den Homo oeconomicus hinter sich zu lassen, nicht überall Begeisterung auslöst. Genau in diesem Spannungsfeld zwischen Aufbruch zu neuen ökonomischen Ufern und Skepsis bis Argwohn siedeln sich die Beiträge an, die Birger P. Priddat zu einem Überblicksband zusammengefasst hat."
"Das vorherrschende Akteurskonzept der ökonomischen Theorie, der homo oeconomicus, ist immer wieder in die Kritik geraten. Bereits kurz nach der Reetablierung der neoklassischen Ökonomik durch das Arrow-Debreusche Gleichgewichtsmodell der 1950er Jahre (vgl. Arrow / Debreu 1954, Debreu 1959) war es Herbert Simon, der die Akteure der ökonomischen Theoriewelt mit seinem Ansatz der bounded rationality aus der strikten Nutzenmaximierung lösen wollte (vgl. Simon 1955 und 1976). Wenngleich dies nicht ohne Einfluss geblieben ist und u. a. zu einem Nobel(gedächtnis)preis für Simon führte, ging dieser organisationssoziologische Ansatz doch an den Lehrbüchern zur Mikroökonomie nahezu spurlos vorüber.
Auch die sozialpsychologischen Studien Daniel Kahnemans und Amon Tverskys Ende der 1970er Jahre haben keine entscheidende Umorientierung gebracht (vgl. Tversky / Kahneman 1974, Kahneman / Tversky 1979). Obwohl sie für das Handeln ›realer‹ Menschen systematische und stabile Abweichungen vom homo-oeconomicus-Modell nachweisen konnten, einen eigenen Akteursgegenentwurf mit der prospect theory vorlegten und auch ihre Arbeiten mit einem Nobelpreis für Kahneman gewürdigt wurden, hat auch dies nicht zur Ablösung des homo-oeconomicus-Modells geführt. Zuletzt, und ebenfalls nobelpreisbewehrt, war es die experimentelle Ökonomik, deren Labor- und (zunehmend auch) Realexperimente starke Evidenz dafür lieferten, dass Akteure sich an Fairness- und Reziprozitätsregeln orientieren, was mit der Vorstellung eines normlosen homo oeconomicus konfligiert (vgl. Gintis et al. [eds.] 2005, Henrich et al. 2005). Nun also folgt die Neuroökonomik (vgl. Camerer et al. 2004 und 2005, De Quervain et al. 2004). Anders als bei der alten Neoklassik, die sich die Physik in Hinsicht auf Exaktheit und Formalisierungsgrad zum Vorbild nahm, methodisch aber auf eine empirische Fundierung weitgehend verzichtete, übernimmt die Neuroökonomik gleich einen Teil des empirisch orientierten Methodenkanons der Naturwissenschaften. Dabei greift sie die Ergebnisse der vorhergehenden homo-oeconomicus-kritischen Ansätze auf, führt aber einen spezifischen Fokus und eben eine naturalistische Herangehensweise ein: Über bildgebende Verfahren und Neuromonitoring werden die Hirnaktivitäten von Proband|inn|en aufgezeichnet. So sollen aktive Hirnareale identifiziert und emotionalen und kognitiven Zuständen zugeordnet werden. Diese werden wiederum mit Handlungen in ökonomisch relevanten Situationen abgeglichen. Im Ergebnis, hierauf weisen Hein /Henning in ihrem Beitrag hin, lassen sich die Befunde anderer Kritiker des homo-oeconomicus-Modells bestätigen: Die menschliche Verarbeitungs- und Wahrnehmungskapazität ist begrenzt, Emotionen und Automatismen sind weit verbreitet und beeinflussen auch ökonomische Handlungen entscheidend. Von einer umfassenden und abwägenden Optionenberücksichtigung und Nutzenmaximierung kann daher kaum gesprochen werden. Dann können und müssen bislang auch eher der Soziologie vorbehaltene Termini wie Vertrauen - vgl. den Beitrag von Helmuth - in die ökonomische Diskussion eingebracht werden. Diese lassen sich, so die These der Neuroökonomik, naturwissenschaftlich fundieren.
Mittlerweile ist diese neurowissenschaftliche Diskussion auch in Deutschland angekommen und reizt zur Frage nach Reichweite und potentiellen Auswirkungen der Neuroökonomik. Hier setzt der Priddatsche Band vorrangig an, der kein neurowissenschaftliches Buch, sondern eines über die Neuroökonomik ist. Nur ein Beitrag - Kenning et al. - liefert eine knapp und explorativ gehaltene empirische Studie zur Risikoaversion bei ausländischen Finanzanlagen; die weiteren Beiträge führen in die neuroökonomische Thematik ein oder diskutieren den potentiellen Ertrag neurowissenschaftlicher Forschung.
Aus der Sicht eines Psychologen liefert Markowitsch vorrangig basics der Psychologie, deren Anbindung an ökonomische Diskussionen über Hinweise auf den potentiellen Nutzen für ein emotionsorientiertes Marketing nicht hinausgehen. Einen gelungenen Überblick über den Stand der Neuroökonomik liefern Hain et al. und machen deutlich, dass Neuroökonomik zwar immer eine Disziplin sein muss, die Resultate der Naturwissenschaften übernimmt und naturwissenschaftsnah arbeitet, sich darauf aber nicht beschränken kann und ihre Expertise auch dort nicht gewinnen kann: Im Zweifel können dies die Naturwissenschaften besser. Hier fragt man sich allerdings, ob der im Artikel (wie auch im ganzen Band latent) identifizierte Fokus der Forschung auf Marketingaspekte nicht eine verzerrte Sicht angesichts der hier auch einleitend angeführten theoriebildenden Arbeiten aus dem angelsächsischen Raum darstellt, die sich nicht auf Marketing beschränken, sondern auf das Handlungsmodell der Ökonomik in Gänze zielen.
Eine, wenn nicht die Kernfrage des neurowissenschaftlichen Ansatzes ist es, ob es gelingt, eine logisch und empirisch konsistente Verbindung von den gemessenen Hirnströmen zu den faktischen Handlungen aufzuzeigen. Camerer und andere Vertreter der Neuroökonomik sind hier für die Zukunft optimistisch. Kabalak merkt jedoch zu recht an, dass Konzepte wie ›emotionale Reaktion‹ bereits auf sehr abstrakter Ebene liegen, die tatsächlich vorgenommene ›hardwarenahe‹ Betrachtung aber kaum Verwertbares liefert: Hirnströme sind mit aktueller Technologie zu unpräzise messbar, es fehlen die Modelle, Hirnstrommessungen konsistent und valide zu abstrakteren Begriffen zu bündeln. Was geleistet werden müsste, ist, von Hirnaktivitäten über Gedanken und Gefühle zu sozial geteilten Modellen der Welt zu kommen; dann könnte tatsächlich von einer Neuroökonomik, die sozialwissenschaftliche Aussagen mit naturwissenschaftlicher Basis verbindet, gesprochen werden. Dahin ist es noch weit, unter anderem deswegen, weil Fortschritte in naturwissenschaftlichen Verfahren nur einen Teil der Modellbildung ausmachen können. Ökonomisches Handeln ist genuin soziales Handeln; naturwissenschaftliches Wissen hilft hier nur bedingt weiter. Camerers Sichtweise erweist sich so als doch eher zu optimistische Vision; oder in der Perspektive Huchlers und Priddats als Hybris, als reduktionistische Soziobiologie, die auf der Annahme beruht, alles Handeln und Entscheiden sei auf der Hirnstromebene determiniert und daraus ableitbar. Diese Annahme wird aber als unzutreffend zurückgewiesen. Denn, das sei hier noch einmal zusammenfassend angeführt, so werde verkannt, dass Handeln einerseits soziale Interaktion ist und somit Rückwirkungen und Deuten das Handeln maßgeblich beeinflussen und andererseits, dass ein solcher Determinismus eine lückenlose Argumentationskette von Stromimpulsen über abstrakte Termini wie Emotionen und Entscheidungen bis zu Weltsichten und geteilten Bedeutungen erforderte. Davon könne - aus theoretischen und forschungspraktischen Gründen - auch zukünftig nicht die Rede sein."
Für die klassische Wirtschaftslehre ist die Neuroökonomie eine Zumutung: Zum einen stellt sie die Rational-Choice-Theorie auf die Probe, wonach sich Marktteilnehmer auf der Basis vollständiger Informationen immer vernünftig verhalten.
Zum anderen zwingt sie dazu, Emotionen als Grund für Entscheidungen und Handlungen anzuerkennen. Birger Priddat, Ökonom, Philosoph und Präsident der Universität Witten/Herdecke, kündet in dem Sammelband "Neuroökonomie" sogar von einem "Affective Turn" der Wirtschaftswissenschaft. Früher als externe Effekte abgestempelte Empfindungen wie Angst oder Vertrauen sind heute naturwissenschaftlich belegbar und gelten als handlungsleitend.
Das Gehirn ist der neue, modische Akteur in der Ökonomie. Mithilfe der Magnetresonanztomografie (MRT) werden die Gehirnaktivitäten von Probanden genau in dem Moment gemessen, in dem sie Kauf- oder Investitionsentscheidungen treffen. Der Homo oeconomicus wird "ein Stück weit gläsern", schreibt Hans Markowitsch in seinem Beitrag. Der Münsteraner Forscher Peter Kenning geht der Frage nach: "Was kostet Angst?". Er untersucht, warum "inländische Anleger einen suboptimal großen Teil ihres Vermögens in heimische Wertpapiere investieren". Während seine Probanden im Tomografen lagen, wählten sie zwischen deutschen und ausländischen Fondsgesellschaften aus. Es zeigte sich, dass bei den ausländischen "spezifische Hirnareale signifikant mehr aktiviert" wurden als bei den inländischen. Angst hinderte die Teilnehmer des Experiments daran, sich für die bessere Investition zu entscheiden.
Doch sind solche Ergebnisse, die in einer Klaustrophobie auslösenden Röhre gewonnen wurden, repräsentativ? Wird die Forschungsabteilung Neuroökonomie schon bald wieder geschlossen? Das Buch gibt in Deutschland einen ersten Überblick über die - neben der experimentellen Mikroökonomie - zweite Laborabteilung der Wirtschaftswissenschaft. Und es lässt auch ihre größten Kritiker zu Wort kommen. Spötter behaupten etwa, die Neuroökonomie sei eine Erfindung der Neurologen und diene allein dem Zweck, die sündhaft teuren Forschungs-MRTs auszulasten.
"...Die Neuroökonomie hat viele Potentiale: Zum einen ist es erstmals möglich, Entscheidungen auf dem Fundament naturwissenschaftlicher Erkenntnis empirisch gesichert sichtbar zu machen. Dies stellt - zweitens - die Annahmen der klassischen rational-choice-Entscheidungstheorie (vollständige Informationen, homogene Güter und vollständige Markttransparanz) auf die Probe, indem die Neuroökonomie die klassische Ökonomie zur Berücksichtigung von Emotionen zwingt. Der Herausgeber des Buches, Prof. Birger P. Priddat, Ökonom und Philosoph sowie Präsident der Universität Witten/Herdecke spricht hier vom affective turn der Ökonomie. Vormals als externe Effekte abgestempelte Empfindungen wie Angst, Vertrauen oder auch Symbole werden naturwissenschaftlich belegt und als handlungsleitend anerkannt.
Erstmals im deutschen Sprachraum gibt das Buch einen Überblick über die Neuroökonomie und ihre Grenzen. ... In die Ökonomie wird das Gehirn als ein neuer Akteur eingeführt, in dem Denken und Handeln nicht nur sichtbar gemacht werden, sondern Handlungen aus der Aktivität des gemessenen Hirnstoffwechsels vorhersagbar werden. Sollte diese Verheißung Wirklichkeit werden, wird der Mensch "ein Stück weit gläsern" (Markowitsch).
Praktisch stellt der Beitrag von Kenning et al. aufschlussreiche Resultate einer Studie über Investitionsentscheidungen vor. Ausgangspunkt ist die Home-Bias, wonach "inländische Anleger einen suboptimal großen Teil ihres Vermögens in heimische Wertpapiere investieren." Während die Probanden im MRT lagen, sollten sie Anlageentscheidungen treffen. Als Stimulusmaterial wurden deutsche und ausländische Fondsgesellschaften ausgewählt. Durch die Studie konnte nachgewiesen werden, dass bei in- und ausländischen Investitionen "spezifische Hirnareale signifikant mehr aktiviert sind als bei geographisch gleichartigen Entscheidungen". Durch den Vergleich der Probanden untereinander lassen sich so Höhe und Grad der Ängstlichkeit und Risikoaversion feststellen. Hier, so schließen die Autoren, ist die Finanzdienstleistungsbranche aufgefordert, ihre Produkte so zu entwickelten, dass der Home-Bias entgegengewirkt werden kann.
Soweit, so einleuchtend. Doch inwieweit sind Entscheidungen, die in einer klaustrophobiebegünstigenden Röhre getroffen werden repräsentativ? Inwieweit sind blinkende Areale verlässliche Korrelate von komplexen Empfindungen wie Angst, Glück oder Vertrauen? Handelt es sich bei dem gegenwärtigen Erfolg der "Neuro-Bindestrich-Wissenschaften" bloß um einen Hype im ikonographischen Zeitalter? Einige Stimmen behaupten sogar, die Neuroökonomie sei eine Erfindung der Neuroscience, um die sündhaft teuren Forschungs-MRTs auszulasten und zu amortisieren.
Der besondere Wert des Buches besteht in der Ausleuchtung auch dieser Kritikpunkte, die nach den Grenzen der Neuroökonomie fragen. Dem Buch zufolge haben wir es immerhin mit der methodischen Renovation der Ökonomie durch empirisch beobachtbare Funktionsweisen des Gehirns zu tun. Kabalak resümiert: "Am Ende bleibt der kontingente Hinweis der Neuroökonomie auf einen Einfluss der Emotion".
Ob die Neuroökonomie Relevanz im Alltag haben wird und sich zu einer eigenen Disziplin entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Diesen ersten Gehversuchen einer Theorie neuen Zuschnitts und dem Suchen nach Trittsicherheit durch aufschlussreiche wie verwertbare Ergebnisse teilhaftig zu werden, ist der anerkennenswerte Wert dieses Buches."
Neuroökonomie und Neuromarketing
Wahrnehmung im Gehirn
Neuroökonomik des Vertrauens
Die Blackbox des Konsumentengehirns öffnen
Entscheidungen über Symbole
Was kostet Angst ?
Neuroökonomie - wie unser Gehirn unsere Kaufentscheidungen bestimmt
The affective turn in economics: Neuroeconomics