Aus der Einleitung der Herausgeber:

Dem Verhältnis von individuellem Handeln und subjektiver Wahrnehmung gehen Ingrid Schmidbauer und Martin Schürz mit ihrem empirischen Beitrag zum Thema soziale Ungleichheit und Verteilung in der Gesellschaft nach. Arme Menschen entwickeln oft nicht einmal Phantasien über Reichtum. Über die Runden zu kommen ist für sie schwer genug. Die Reichtumsvorstellungen bleiben daher zumeist bescheiden. Interessanterweise konvergieren die Gerechtigkeitswahrnehmungen unterschiedlicher sozialer Gruppen. Gerechtigkeit wird von allen Gruppen primär entlang des Prinzips der Leistung interpretiert. Die Erfüllung des Bedarfsprinzips wird denen, die in der Wahrnehmung nichts oder zu wenig leisten, hingegen oft verwehrt. In den Gruppendiskussionen lässt sich eine Erosion des Leistungsprinzips identifizieren. Die Diskussionsgruppen haben sehr unterschiedliche Leistungsvorstellungen und auch die Bedeutung, die sie Leistung beimessen, differiert beträchtlich. Dabei spielen Milieu-, Alters- und Qualifikationsdifferenzen eine Rolle. Es wird nicht mehr an die Erfolgsgarantie bei hartnäckiger Leistung geglaubt. Der Staat ist kaum noch Adressat für Gerechtigkeitsforderungen. Er soll etwa bei jenen, denen es noch schlechter geht, die Berechtigung des Sozialhilfeempfangs kontrollieren und illegale Einkommensmöglichkeiten, wie Schwarzarbeit, unterbinden. Eine wirtschaftspolitische Debatte zu Vermögenssteuern etwa verfehlt die lebensweltlichen Themen aller drei Gruppen.