„Goldscheid gilt als Begründer der Finanzsoziologie. Trotz einer gewissen Weitschweifigkeit hat er die problematische strukturelle Abhängigkeit des Staates von Privatwirtschaft und Finanzindustrie treffend herausgearbeitet. Der Staat ist für ihn ein ‚Instrument der herrschenden Klasse‘. Wie immer man auch zu solchen Formulierungen stehen mag, die Finanzkrise 2008ff. und die dürftige Agenda des Staatsapparates in Reaktion auf die Klimakatastrophe lassen dieses handlungslähmende strukturelle Abhängigkeitsverhältnis hervortreten, das auch z.B. von der Modern Money Theory kritisiert und als vermeidbar angesehen wird.

Neben anregenden Ausführungen zur Bedeutung des Militärischen nicht nur für den Staatshaushalt, zu Steuerkämpfen, Steuerrechtfertigungslehren usw. bringt Goldscheid auch Vorschläge zur Behebung der wirtschaftlichen Ohnmacht des Staates ein, die neben Vermögenssteuern auf staatliche Besitzanteile der Produktionsmittel hinauslaufen. Ein entsprechender kritischer finanzsoziologischer Ansatz findet leider in Deutschland an Hochschulen mangels Berufungen keine Verfechter. Das Vertreten einer kritischen Position kam auch bei den weitgehend wirtschaftsliberal ausgerichteten Ökonom*innen der ‚staatswissenschaftlichen‘ Fakultät in Erfurt nicht gut an, die mittlerweile keinen Lehrstuhl für Finanzsoziologie mehr hat, nachdem Jürgen Backhaus ausschied.“ (H. Peukert)