Mit Texten zum Thema in neuer Übersetzung von John Maynard Keynes und Wassily W. Leontief
"Ökonomische Essays" · Band 9
2. vollständig überarb u. akt. Auflage Dezember 2007
180 Seiten
19,80 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-89518-595-3
(Februar 2007)
Wirtschaftswachstum hat in der Vergangenheit entscheidend dazu beigetragen, gesellschaftliche Konfliktpotenziale - vor allem das Problem der Erwerbslosigkeit und der Einkommens- und Vermögenspolarisierung - zu entschärfen.
Trotz einer dekadenübergreifenden Wachstumsabschwächung dominiert die Überzeugung, dass eine Rückkehr zu dauerhaft hohen Wachstumsraten nicht nur grundsätzlich möglich, sondern auch der zentrale Schlüssel zur Überwindung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise der Gegenwart ist.
Neben einer detaillierten Darstellung der gesellschaftlichen Folgen einer ausschließlich auf Wachstum setzenden "neo"liberalen Angebotspolitik stehen in dem vorliegenden Essay deren Prämissen auf dem Prüfstand. Vieles spricht dafür, dass hohe Wachstumsraten in entwickelten Industriegesellschaften nicht beliebig und auf Dauer - am wenigsten durch eine forcierte Angebotspolitik - hergestellt werden können.
Alternative wirtschaftspolitische Konzepte gewinnen daher an Plausibilität. Ohne eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit, ohne Maßnahmen zur Reduzierung der Einkommens- und Vermögenskonzentration und ohne Verstärkung der Massenkaufkraft wird eine nachhaltige Überwindung der Krise nicht möglich sein.
Zu diesem Ergebnis waren anerkannte Ökonomen lange vor Eintritt der gegenwärtigen Probleme gekommen. Die Texte von J.M. Keynes und W.W. Leontief, die für diesen Band neu bzw. erstmalig übersetzt wurden, stehen hierfür als eindrucksvolle Beispiele.
Textanhang:
John Maynard Keynes:
Wassily W, Leontief:
Traditionelle Wirtschaftspolitik setzt angesichts (vermeintlich) zu geringer Wachstumsraten (ob in der EU oder den USA) auf Steigerung. Die Erhöhung von Angebot und Kaufkraft gilt allgemein als der Königsweg zu Wachstum und Wohlstand, und ist doch - so die zentrale These von Norbert Reuter - nicht zielführend. Kein Wunder also, dass (nicht nur die wirtschaftspolitischen) Programme der Parteien einander immer mehr gleichen: Flexibilisierung, Deregulierung und Staatsabbau, so heißt es fast unisono, sind unverzichtbar, wachstumskritische Diskussionen (im Kreis des Establishments) so gut wie nicht mehr zu finden sind. Mit diesem Essay, der vor allem die ökonomische Entwicklung Deutschlands vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zur Gegenwart in den Blick nimmt und dessen Argumente durch eine Fülle anschaulicher Grafiken Daten abgesichert scheinen, will Reuter zu einem neuen Problembewusstsein beitragen, ja, einen wirtschaftspolitischen Paradigmenwechsel anregen. Wo es selbst eine "ständig expandierende Marketingindustrie nicht mehr schafft, die Kluft zwischen wachsender Produktionsfähigkeit und sinkender Konsumbereitschaft zu schließen, muss die Frage nach dem grundsätzlichen Sinn weiteren Wachstums in hoch industrialisierten Ländern mit steigendem materiellen Überfluss gestellt werden." (S. 12)
Zunächst skizziert Reuter zentrale, kaum widerlegbare Fakten auf, die (s. E.) die Misere der "neo"-liberalen Kurses aufzeigen: Die Analyse der historisch einmaligen Situation der Nachkriegszeit erklärt die hohen Wachstumsraten der 50er Jahre (durchschnittlich 8 Prozent) und die Zeit der "Vollbeschäftigung" 1960-1967). Die nachfolgende Phase kontinuierlicher Abschwächung aber macht die Erwartung vergleichbarer Steigerungsraten zur Illusion. Selbst in der Zeit des Wiederaufbaus gab es kein exponentielles, sondern nur lineares Wachstum. Bei einer "Beschäftigungsschwelle" von zwei Prozent Wachstum ist nicht mit Impulsen auf dem Arbeitsmarkt zu rechnen. Wirtschaftliches Wachstum in hoch entwickelten Ländern schmälert die Chancen nachholender Entwicklung in den Schwellenländern.
Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter. Die seit einigen Dekaden beobachtbare Entkopplung von Wachstum und Lebensqualität einerseits, von Produktivität und Arbeitsvolumen anderseits macht deutlich, dass ein "Weiter-wie-Bisher" nicht zur Lösung, sondern vielmehr zum Anwachsen der Probleme führt. Deregulierung, Flexibilisierung, und nicht zuletzt "innovative" Möglichkeiten der Reduzierung von Steuern erhöhen "bestenfalls" die Gewinne (von Wenigen) auf Kosten einer insgesamt negativen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - trotz (oder auch wegen) eines historisch einzigartigen Anstiegs der Produktivität. "Waren 1960 noch 56,1 Mrd. Arbeitsstuden erforderlich, um in Deutschland ein BIP von knapp 570 Mrd. Euro zu erwirtschaften, so wurde 2005 in den alten Bundesländern mit nur knapp 45 Mrd. Arbeitsstunden ein BIP von 1,77 Billionen Euro erwirtschaftet. Mit nur noch 80 Prozent der Arbeitsstunden wurde also ein mehr als dreimal so hoher realer Produktionswert geschaffen." (S. 40) Und schließlich: Der insgesamt hohe Standard der Versorgung mit materiellen Gütern steigert die "Flop-Rate" für neue Produkte, erhöht also das unternehmerische Risiko (auf Kosten der ökologischen Belastung) und stellt eine weitere Hürde für wirtschaftliches Wachstum dar. (S. 45ff.)
Auch die Behauptung, dass eine Erhöhung "allen zu Gute komme", widerlegt Reuter mit Blick auf die Statistik: Wie der "1. Armuts- und Reichtumsbericht" nachweist, ist die Armutsrisikoquote in Deutschland seit 1983 kontinuierlich gestiegen und liegt 2003 bei 13,5 Prozent. (In Österreich gelten laut Armutskonferenz 420.000 Menschen als arm, rd. 1 Million sind armutsgefährdet.) Hingegen teilen die 10 Prozent der reichsten Haushalte Deutschlands 47 Prozent des gesamten Nettovermögens. Zwischen 1991 und 2005 stiegen die Brutto-Unternehmensgewinne um nicht weniger als 114 Prozent, die Bruttolohn- und Gehaltssumme im Durchschnitt hingegen um nur 31 Prozent. (S. 59) Wenig überraschend, dass Reuter auch die wirtschaftliche Globalisierung in ihrer derzeitigen Form mehr als nur kritisch kommentiert. Mit Hans-Peter Dürr stellt er fest, dass es sich dabei "um einen Wettlaufhandelt" bei dem wir um die Wette an dem Ast sägen, auf dem wir selber sitzen und dabei eigentlich nur auf den Nachbarn gucken, ob er ein bisschen schneller sägt als man selber" (S. 65).
In seiner Analyse und den daraus abgeleiteten Forderungen beruft sich Reuter maßgeblich auf John Maynard Keynes u. Wassili W. Leontieff, deren An- und Einsichten zur Verteilung von Arbeit und Einkommen in fünf Beiträgen im Anhang dieses Bandes nachzulesen sind.
Zusammengefasst: Ein faktenreiches, fundiertes und engagiertes Plädoyer für eine Neuausrichtung der (Wirtschafts-)Politik, die an Stelle der Illusion permanenten Wachstums vor allem auf Verteilungsgerechtigkeit setzt.
"Wirtschaftswachstum gilt in Theorie und Politik nach wie vor als das Mittel, um alle ökonomischen Probleme zu lösen. Ob Arbeitslosigkeit, Globalisierung oder Demografie: wirtschaftliches Wachstum sei immer geboten und könne diesen vielfältigen Herausforderungen am Besten begegnen. Auch die jüngste Diskussion um den konjunkturellen Aufschwung bestätigt einmal mehr die allseits vorliegende Wachstumseuphorie. "Die Analyse historischer und zeitgenössischer Wachstumsverläufe entwickelter Industriegesellschaften dämpft aber jede Art von Wachstumseuphorie gehörig - insbesondere mit Blick auf den Arbeitsmarkt: Die empirische Prüfung der Bedingungen und Möglichkeiten, über wirtschaftliches Wachstum die im Zentrum der Problematik stehende Massenarbeitslosigkeit zu beseitigen, verweist einmal mehr auf "Grenzen des Wachstums". So Norbert Reuter auf Seite 13 in seinem neu aufgelegten Buch "Wachstumseuphorie und Verteilungsrealität". Eigentlich sollte es Allgemeingut sein, dass seit mindestens 50 Jahren ein kontinuierlich rückläufiger Trend von Wachstumsraten zu beobachten ist und dass das Wirtschaftswachstum allein nicht mehr hinreichend ist, um einen überzyklischen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Die Produktivitätsraten sind höher als die realen Wachstumsraten, sodass mittlerweile in Deutschland die gesamtwirtschaftliche Beschäftigungsschwelle bei ca. 2 % liegt. Dies alles gilt völlig unabhängig von den bereits bestehenden ökologischen Problemen, die durch hohe Wachstumsraten nicht kleiner werden. Auch nicht durch einen rein qualitativ ausgerichteten Wachstumspfad. Hinzu kommt eine Abkopplung der Wohlstandsentwicklung vom Wachstum des Sozialprodukts, sodass sogar die Sinnhaftigkeit weiteren Wirtschaftswachstums grundsätzlich infrage gestellt ist.
Norbert Reuter zeigt dies alles in seinem Buch auf nur 94 Seiten Text, ergänzt um vier von ihm neu übersetzte Abhandlungen von John Maynard Keynes und einen Aufsatz von Wassily W. Leontief. Die Beiträge dieser beiden herausragenden Ökonomen sind bewusst ausgewählt und für das hier behandelte Wachstums- und Verteilungsthema von herausragender Bedeutung. Nach einer kurzen Einleitung und Hinführung zum Thema untersucht der Autor das "Wirtschaftswachstum in reifen Industriegesellschaften". Hier bezieht er sich auf die von John Maynard Keynes 1943 formulierte "Theorie einer langfristigen Wachstumsabschwächung", die sodann im nächsten Kapitel des Buches mit der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert wird. Das Ergebnis ist eine weitgehende Übereinstimmung mit der von Keynes gemachten Langfristprognose. Bei ausbleibenden hohen Wachstumsraten auf der Nachfrageseite - die sich letztlich aus gesättigten Märkten und einer sinkenden Grenzneigung zum Konsum erklären - führt auf der Angebotsseite eine permanent voranschreitende Produktivitätsentwicklung zu einem tendenziellen Rückgang des gesamtwirtschaftlichen Arbeitsvolumens. "Waren 1960 noch 56,1 Milliarden Arbeitsstunden notwendig, um ein Bruttoinlandsprodukt von knapp 570 Milliarden Euro (in Preisen von 1995) zu erwirtschaften, so wurde 2005 in den alten Bundesländern mit nur knapp 45 Milliarden Arbeitsstunden ein Bruttoinlandsprodukt von 1,77 Billionen Euro produziert" (S. 40). Ohne tariflich vereinbarte Arbeitszeitverkürzungen, so Reuter in Anlehnung an Keynes, wird es in Deutschland auch in Anbetracht eines demografisch bedingten rückläufigen Arbeitsangebots eine Rückkehr zur Vollbeschäftigung nicht mehr geben. Der Produktivitätsfortschritt wird weiter wachsen - auch im Dienstleistungssektor -, ohne dass es zu einer trendmäßigen Wachstumswende kommen wird. Diese müsste außerdem so hoch ausfallen, dass ein ökologischer Kollaps vorgezeichnet wäre.
In den Kapiteln sechs und sieben setzt sich Reuter dann mit den "falschen Prämissen ,neo'liberaler Wirtschaftspolitik" und den Folgen dieser Politik in einer Überflussgesellschaft auseinander. Im Wesentlichen ziele die neoliberale Doktrin auf eine Angebotsstärkung durch Umverteilung von den Arbeitseinkommen zu den Gewinn- und Vermögenseinkommen. Hierdurch soll die Wachstumsschwäche behoben und ein Abbau der bestehenden Massenarbeitslosigkeit eingeleitet werden. Dem widerspricht Reuter nicht nur durch eine fundierte theoretische Gegenargumentation, sondern er zeigt auch anhand eines im Anhang dargelegten empirischen Datenmaterials auf (S. 95-110), dass die vollzogene neoliberale Umverteilung zu den Gewinnen und Vermögenseinkünften zweifach falsch ist: "Weder folgen aus hohen Gewinnen hohe Investitionen, noch haben Investitionen, so sie denn erfolgen, einen spürbaren Effekt auf den Arbeitsmarkt. Der feststellbare Anstieg der Rationalisierungsinvestitionen ist sogar mit einem weiteren Abbau von Arbeitsplätzen verbunden" (S. 62).
Die Kapitel acht und neun sind in logischer Folge der "Verteilungsfrage" gewidmet, die neben der bereits erwähnten Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung zum Kernproblem zukünftiger Entwicklung wird. Norbert Reuter zeigt daraus abgeleitet im letzten zehnten Kapitel die "Konsequenzen" auf und beschreibt seine wirtschaftspolitischen Forderungen. Auch hier bezieht er sich auf Keynes, der bereits 1937 den Zusammenhang zwischen Einkommensverteilung und der Nachfrage nach Arbeitskräften sowie Gütern konstatierte. Eine größere Gleichverteilung von Einkommen und Vermögen wird aber aus Reuters Sicht nicht ausreichend sein. Zwar ist dadurch ein verbessertes Wachstum möglich. Dies genügt aber aufgrund der beschriebenen Produktivitätsentwicklung nicht, um das bestehende Überangebot auf den Arbeitsmärkten dauerhaft zu beseitigen. Daher sind zur Kompensation höhere öffentliche Investitionen und zusätzliche Dauerarbeitsplätze im Rahmen einer öffentlichen Beschäftigungspolitik zu schaffen. "Eine immer kapitalintensivere Produktion erfordert des Weiteren Kapitaleinkommen stärker an der Finanzierung des (Sozial-)Staats zu beteiligen" (S. 90). In seinem Buch argumentiert Norbert Reuter immer wissenschaftlich fundiert und trotzdem in einer wohltuenden allgemeinverständlichen Sprache. Er will damit politisch wachrütteln, einen größeren Kreis als den "nur" wissenschaftlichen "Elfenbeinturm" erreichen und den Fokus auf eine grundsätzlich andere Problemwahrnehmung mit entsprechenden Konsequenzen für die Wirtschaftspolitik lenken. Dies ist ihm ohne Frage gelungen. Schön wäre noch ein Kapitel zur politischen Durchsetzbarkeit bzw. eine Darlegung der grundsätzlichen Voraussetzungen einer anderen als der praktizierten neoliberalen Wirtschaftspolitik gewesen. Diese erblickt der Rezensent in einer demokratisierten Wirtschaft.
"Selbst wenn man den Stagnationsansatz von Reuter nicht teilt und andere heterodoxe wirtschaftstheoretische Ansätze favorisiert, ist das Buch lesenswert. Der Autor arbeitet die Folgen der neoliberalen Wirtschaftspolitik in Deutschland heraus, und der Text ist durch zahlreiche Schaubilder und Tabellen auf der Basis langer Zeitreihen vorbildlich empirisch illustriert. Zudem ist das Buch gut zu lesen, und es dürfte in etwa der theoretischen Orientierung der meisten Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler entsprechen, die führend an dem jährlich erscheinenden Memorandum der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik mitwirken. Lobend zu erwähnen sind auch Reuters wirklich gelungene Übersetzung von vier Keynes-Texten sowie einem Aufsatz von Wassily Leontief, die zur Vertiefung im fast 60 Seiten umfassenden Anhang zu finden sind.
Fazit: Mit Norbert Reuters Wachstumseurophie und Verteilungsrealität ist ein Buch in der zweiten Auflage erschienen, das man kennen sollte, wenn man sich mit Wirtschaftstheorie und -poliitk jenseits des ökonomischen Mainstreams beschäftigen will.
Bücher, die sich mit ökonomischen Fragen befassen, werden nicht allzu oft in einer 2. Auflage aufgelegt. Norbert Reuter, Gewerkschaftssekretär beim ver.di Bundesvorstand im Ressort Wirtschaftspolitik und Mitglied der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (Memorandum- Gruppe), ist dies mit seinem Bändchen "Wachstumseuphorie und Verteilungsrealität" gelungen. Der Autor hat die erste Auflage aus dem Jahr 1998 vollständig überarbeitet und vor allem das empirische Material auf den neuesten Stand gebracht.
Ausgehend von Keynes' Einteilung des Kapitalismus in drei Phasen geht Reuter davon aus, dass sich Deutschland im dritten Entwicklungsstadium befindet, das sich durch eine abnehmende Konsumdynamik in Folge von Sättigungstendenzen auf wichtigen Konsumgütermärkten auszeichne (28 f.). Eine wichtige Ursache für diese Sättigungstendenzen sei dabei auch die zunehmende Polarisierung der Einkommens- und Vermögensverteilung in entwickelten Industriegesellschaften.
Aus seiner Analyse zieht Reuter den Schluss, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen einer Korrektur der Einkommens- und Vermögensverteilung bedürfe, und zwar konkret eine Umkehrung der Umverteilungspolitik von unten nach oben, um so die Kaufkraft und dadurch die Konsumnachfrage zu steigern. Außerdem solle die öffentliche Hand ein Zukunftsinvestitionsprogramm auflegen, um so die Arbeitslosigkeit abzubauen. Ferner müsse der Trend zu längeren Arbeitszeiten gebrochen und zur trendmäßigen Verkürzung der Arbeitszeit zurückgekehrt werden.
Selbst wenn man den Stagnationsansatz von Reuter nicht teilt, ist das Buch lesenswert. Der Autor arbeitet die Folgen der neoliberalen Wirtschaftspolitik in Deutschland heraus, und der Text ist durch zahlreiche Schaubilder und Tabellen auf der Basis langer Zeitreihen vorbildlich empirisch illustriert. Fazit: Hier ist ein Buch in der zweiten Auflage erschienen, das man kennen sollte, wenn man sich mit Wirtschaftstheorie und -politik jenseits herrschenden Lehre beschäftigen will.
"... Reuter vermißt nicht nur Antworten auf die Frage, 'warum und auf welche Weise sich ein nunmehr bereits seit über 40 Jahren zu beobachtender Trend kontinuierlich zurückgehender Wachstumsraten plötzlich wieder umkehren lassen sollte'. Der Aachener Volkswirt setzt wesentlich tiefer an und fragt nach dem Sinn einer Wachstumsideologie in Ländern mit ohnehin steigendem materiellen Überfluß und zunehmenden Umweltproblemen. Reuter, anerkannter Experte in der deutschen Fachdiskussion über Wirtschafts- und Sozialpolitik, will mit seinem Buch die notwendige Diskussion über Wachstumschancen und Wachstumsgrenzen anstoßen; für diese Diskussion scheine es derzeit entweder schon zu spät oder noch zu früh zu sein - 'in jedem Fall ist sie gegenwärtig unerwünscht'. ...
Das Buch, in dem Reuter eindrucksvoll dokumentiert, daß anerkannte Ökonomen wie John Maynard Keynes und Wassily W. Leontief die heutige Entwicklung bereits vor Jahrzehnten scharfsinnig vorausgesagt haben, ist eine Quelle der Ernüchterung für althergebrachte deutsche Wirtschafts- und Sozialpolitiker." ...
Nicht zuletzt hat Reuter übrigens den Mut, wieder moralphilosophische Fragen in die Ökonomie einzuführen. Er fragt nach der ethischen Legitimation für die Verteilungsschieflage und nach dem Sinn eines zum Selbstzweck pervertierten Wachstumsfetischismus. Er hingegen begreift die Wirtschaft als den Humus, auf dem eine emanzipierte Gesellschaft gedeihen soll. In der ökonomischen Fachwelt, die fast unumwunden dem ökonomischen Totalitarismus huldigt, mag Derartiges belächelt werden: in Wahrheit ist dies aber eine zusätzliche Stärke Reuters Buch."