Birger P. Priddat
65 pages · 8.96 EUR
(April 2015)
Aus der Einleitung:
„All you need in this life is ignorance and confidence; then success is sure“ (Mark Twain, Dec. 2, 1887; zitiert in: Proctor 2008: 29). Um die Handlungsfähigkeit zu erhöhen, ist es anscheinend notwendig, ein gewisses Maß an Nichtwissen / Ignoranz ins Spiel zu bringen. Robert N. Proctor und Londa Schiebinger haben dafür eine eigne Wissenschaft vorgeschlagen: Agnotology (Proctor/Schiebinger 2008), deren interessanterer Teil im Nachweis der Geltung einer ‚common ignorance‘ (Proctor 2008: 17) zu sein scheint (vgl. auch Smithson 2008; generell Wehling 2006). Wenn aber das Nichtwissen ein solchermaßen bedeutsamer Teil des menschlichen Handelns ist, sind die Operationen einer Wissenschaft, deren proprium die Effizienz ist: die Ökonomik, genauer zu befragen. Faber und Proops sprechen von einer closed ignorance (Faber/Proops 1988: 117). Die Theorie der Wirtschaft hat für das Nichtwissen gewöhnlich einen eigenen Terminus: uncertainty (Smithson 2008: 201; Koehn 2013; Svetlova / Van Helst 2013). Man übersetzt es mit Unsicherheit, aber uncertain ist eine Handlung, wenn sie sich nicht gewiss ist, was sie tut: das ist auf deutsch Ungewissheit – ein altes Wort für Nichtwissen, aber in einem tentativen Sinne: sich nicht gewiss zu sein, was gilt. Das kann man im Sinne von ‚ich weiß nicht, was zu entscheiden ist‘ oder aber als ‚ich weiß nicht, ob ich mich überhaupt entscheiden kann‘ interpretieren. Damit erweist es sich als ein epistemischer Ambivalenzausdruck, der nicht eindeutig in Nichtwissen / Ignoranz rückübersetzt werden kann.
Lehrstuhl für Politische Ökonomie, Universität Witten-Herdecke.
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