Aus der Einleitung der Hg.:

Karl Gabriel zeichnet seinem Beitrag den Weg der kirchlichen Wohlfahrtsverbände aus der dualen Wohlfahrtspflege in die marktförmige Sozialwirtschaft nach. Dabei arbeitet er heraus, wie institutionelle Regelungen der Freien Wohlfahrtspflege sukzessive in Klammern gesetzt und mit den neuen Vorzeichen von Wettbewerb, Quasi-Markt und Diversifikation versehen wurden. Dazu unterstreicht Gabriel in einem ersten Zugang die Bedeutung der kirchlichen Wohlfahrtsverbände als in der Bundesrepublik zentraler Akteure für das Erbringen sozialer Dienstleistungen. In der Bonner Republik wie heute waren und sind Caritas und Diakonie die Zugpferde der Freien Wohlfahrtspflege mit gegenwärtig über einer Million Beschäftigten – Tendenz steigend. Doch während die erwerbsförmig organisierte Pflegearbeit in der Bundesrepublik über Jahrzehnte durch ein subsidiäres und korporatives Miteinander von öffentlicher und freigemeinnütziger Wohlfahrtspflege – der für Deutschland charakteristischen dualen Wohlfahrtspflege – geprägt war, wurde die Pflegebranche spätestens mit der Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 unter Flexibilisierungs- und Wettbewerbsdruck gesetzt. Über die dadurch geschaffenen Quasi-Märkte für die Dienste der Leistungserbringer veränderte sich, so Gabriel, auch die Rolle der kirchlichen Wohlfahrtsverbände. War etwa die verbandliche Caritas ursprünglich ein zentraler Akteur der subsidiär, institutionell-korporativ geprägten dualen Wohlfahrtspflege, hat sie mit Einführung der Pflegeversicherung affirmativ die ihr zugedachte Rolle als Marktakteurin angenommen. Auf diese Weise wurde sie zu einer Wegbereiterin der neuen marktförmigen Architektur der Dienstleistungsproduktion. Diese Entwicklung führe in der Caritas bis heute immer wieder zu erheblichen Spannungen, etwa zwischen der Durchsetzung dezidiert erwerbswirtschaftlicher Interessen und der Rekrutierung ehrenamtlichen Engagements.