Karl Polanyi
Herausgegeben und eingeleitet von Michele Cangiani und Claus Thomasberger
358
Seiten ·
29,80 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN
978-3-89518-426-0
(July 2003)
)
12 Spalten Register
Den Schwerpunkt des zweiten Bandes unserer dreibändigen Polanyi-Ausgabe bilden die Analysen der internationalen Beziehungen. Polanyi untersucht das System von Versailles, die Wechselfälle des Völkerbundes, den Frieden von Locarno, die Auseinandersetzung zwischen "Revisionismus" und "Antirevisionismus", den Aufstieg des Faschismus in Italien, das Scheitern der Beschwichtigungspolitik, die Machtergreifung des Nationalsozialismus in Deutschland, den spanischen Bürgerkrieg und schließlich die Konflikte, die in den Zweiten Weltkrieg münden. Polanyis zentrale These ist, dass der Beginn der dreißiger Jahre einen irreversiblen historischen Bruch darstellt, durch den der Charakter der internationalen Beziehungen grundlegend verändert wird. Die Allianzen wie die Kontroversen hängen nach 1933 nicht mehr von den Widersprüchen des "Systems von Versailles" ab, sondern vom Gegensatz zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Projekten: Demokratie versus Faschismus bzw. Sozialismus versus Kapitalismus. Gleichzeitig macht er deutlich, dass die Ursprünge der faschistischen Bewegungen in der Krise des liberalen Kapitalismus und nicht in der Machtergreifung der Sowjets zu suchen sind. Er widerspricht damit vehement allen Interpretationen, die den Faschismus als eine Reaktion gegen die sozialistische Bedrohung darzustellen versuchen. Im letzten Artikel schließlich skizziert er die Alternativen einer Nachkriegsordnung, die bis heute aktuell sind: Universeller Kapitalismus oder pluralistische Weltordnung?
"Lasst die Figer von der Profitgier! Hört auf, die Arbeit zu vermarkten! Bettet die Wirtschaft im Leben ein! Ist es an der Zeit, wieder Karl Polanyi zu lesen? Er war der Denker des eingefangenen Kapitalismus"
"Karl Polanyi ist einer der rätselhaftesten Denker des zwanzigsten Jahrhunderts. Er ist Essayist, Phamphletist, glänzender Stilist und immens gebildeter Wirtschaftshistoriker in einem. Polanyi war nie richtig modern und klingt doch in Krisenzeiten wie diesen so aktuell wie kaum ein Zweiter. Weil er eine rückwärtsgewandte Utopie des guten Lebens träumte, in dem der Austausch der Menschen untereinander nicht nur von der Profitgier getrieben sein soll, ist er schon lange der Geheimtipp der Soziologen und Anthropologen, während die meisten Ökonomen ihn hartnäckig ignorieren. Er wurde stets viel und gerne zitiert, aber wenig gelesen. Und doch hat die 'Great Transformation' immer schon, sozusagen als Strom des Unbewussten, einen kaum zu überschätzenden Einfluss: Polanyi artikuliert die Erfahrung vieler - einerlei, ob sie sich als Konservative oder Linke verstehen -, die den Eindruck haben, wir hätten uns in den vergangenen Jahrzehnten zu sehr dem Ökonomischen unterworfen, und daran habe das gute Leben "jenseits von Angebot und Nachfrage" (Wilhelm Röpke) Schaden genommen. Das schuf allenthalben ein diffuses Unbehagen in der Zivilisation. Weil heute aber kaum mehr einer dem Heilsversprechen des Sozialismus glaubt und weil zugleich viele vom Wohlstandsversprechen liberaler Märkte enttäuscht und vom ökonomischen Imperialismus angewidert wurden, könnte Polanyi zum Helden jener werden, die darauf hoffen, die entfesselte Ökonomie zu demostizieren und sie in die Lebenswelten der Menschen zu integrieren, damit künftig ähnlich erschütternde Instabilitäten des Kapitalismus, wie wir sie gerade erleben, vermeiden werden."
"Ein weiterer, nicht minder bedeutender Versuch über die Ursachen von Krieg und Faschismus ist das von Karl Polanyi erstmals 1944 in den USA veröffentlichte Buch "The Great Transformation". Political and Economic Origins of Our Time". Schon im Untertitel wird deutlich, daß diese historisch-politiche Analyse einen Einsatz darstellt, worin es um nicht weniger geht als darum, die politische und ökonomische Geschichte der Gegenwart zu schreiben. Diese, "unsere Zeit" - ihr Produktions- und Destruktionspotential -, so Polanyi, reicht zurück auf jene "große Transformation", die im ausgehenden 18. Jahrhundert von England aus den Globus erfaßte. Seit der radikalen Umwälzung, die mit der Kommodifizierung von Arbeit, Boden und Geld bzw. mit der Geburt einer modernen Marktgesellschft vollzogen wurde, stellt sich die Frage: Wie ist eine soziale, freie und demokratische Lebensweise der Menschen mit den industriekapitalistischen Produktions- und Konsumtionsverhältnissen vereinbar? Faschismus und NS lauern nicht schon, wie Horkheimer und Adorno glauben, in den historischen Tiefenschichten einer nur instrumentell entfalteten Vernunft, und sie sind ebensowenig, wie Hayek betont, das Ergebnis einer willentlichen oder unwillentlichen Abweichung vom liberalen Pfad der Freiheit und des Glücks; vielmehr sind sie eine - wenn auch die bislang destruktivste - Reaktion auf die zerstörerischen Folgen der entfesselten Zentrifugalkräfte des Marktes.
Es ist ein großes Verdienst der Herausgeber und des Metropolis-Verlags, mit einer fast vollständigen Sammlung von Aufsätzen und Artikeln der Jahre 1920 bis 1947 Einblick in die Entstehung des Klassikers "The Great Transformation" ermöglicht zu haben. ...
Die drei Bände enthalten ... neben Manuskripten aus dem Nachlaß im wesentlichen Polayis Artikel, die er für den "Österreichischen Volkswirt" verfaßte. Man kann darin nicht nur die Entwicklung seiner Denkweise und Argumentationsfiguren erkennen, die er in der "Great Transformation" entfalten wird, sondern ebenso die journalistische Sorgfalt und analytische Fähigkeit, mit der er die Konflikte dieser Zeit in einen systematischen Zusammenhang bringt. Man erfährt daher nicht nur die Entstehungsgeschichte eines Buches, sondern erhält eine reflektierte "Chronik" der politischen und ökonomischen Ereignisse insbesondere der Zwischenkriegsphase."