Aus der Zusammenfassung:

Die Stromwirtschaft bildet ein entscheidendes Problem- und Handlungsfeld für die nachhaltige Entwicklung. Im globalen Kontext steht sie zunächst vor der Herausforderung einer Ausweitung der Stromversorgung auf Gebiete und Regionen, deren Bewohner bisher keinen Zugang zur Elektrizitätsversorgung und damit zu vielen modernen Entwicklungs- und Wertschöpfungsbereichen haben. Gleichzeitig steht sie vor der Herausforderung einer doppelten Transformation.

In der ersten Dimension der notwendigen Transformation muss die technologische Basis der Stromerzeugung in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum von wenigen Dekaden global, wie auch in den meisten Regionen der Welt, völlig umgestellt werden, wenn die globale Klimaerwärmung in gerade noch akzeptablem Ausmaß gehalten werden soll. Eine Klimaschutzstrategie ohne den Stromerzeugungssektor, der ca. 40% der CO2-Emissionen aus dem Einsatz fossiler Brennstoffe verursacht, kann nicht zum Erfolg führen. Die Technologien für eine solche Umorientierung sind zumindest für die ersten Abschnitte verfügbar, wobei klar ist, dass stromwirtschaftliche Modernisierungsstrategien, die nur die Etappenziele und nicht gleichzeitig die Langfristziele im Blick haben, ein langfristig nachhaltiges Stromversorgungssystem blockieren können. Exemplarisch für diese Problematik ist die Kohleverstromung, bei der zwar kurz- und mittelfristig erhebliche Emissionsreduktionen erzielt werden können, deren langlebiger Kapitalstock jedoch langfristige Emissionsminderungen blockieren kann, wenn die zukünftige Kohlenutzung im Stromsektor nicht an einschneidende technologische Innovationen wie die CO2-Abtrennung und -Sequestrierung gebunden wird. Die unterschiedlichen und teilweise gegenläufigen Trends von Dezentralisierung und Zentralisierung im Kontext einer nachhaltigen Umstrukturierung führen im Zusammenspiel mit dem größeren Anteil schwankender Stromerzeugungsoptionen (v.a. bei den erneuerbaren Energien) zu völlig neuen Herausforderungen an den Betrieb und die dynamische und flexible Entwicklung der Übertragungs- und Verteilungsnetze des Stromerzeugungssystems in einem sehr viel differenzierteren Erzeugungsumfeld als heute. Die Etablierung eines Regulierungssystems, das die entsprechenden Signale frühzeitig setzt, bildet neben den politischen Maßnahmen zur Umgestaltung der Stromerzeugungsstruktur den politischen Kern einer Nachhaltigkeitsstrategie im Stromerzeugungssektor.

Die Netze bilden auch den Kulminationspunkt der zweiten Transformationsdimension für die Elektrizitätswirtschaft. Wenngleich die Liberalisierung der Strommärkte in den meisten OECD-Staaten primär einer wirtschaftspolitischen Motivation entspringt, ist sie eine unerlässliche Voraussetzung für den Erfolg ordnungspolitischer Ansätze in der Klimapolitik, bei der die aus der Internalisierung externer Kosten erwachsenden Preissignale eine zentrale Rolle spielen. Der Zugang zu den Stromversorgungsnetzen bildet auch eine wichtige Rahmenbedingung für die Ausweitung der Akteursvielfalt auf den Strommärkten, die nicht nur, aber auch, angesichts der in einem nachhaltigen Stromsystem sehr viel differenzierteren Stromerzeugungsoptionen zu einer entscheidenden Größe für die Transformation des Stromsystems und der dafür notwendigen technischen und geschäftlichen Innovationen wird. Die Regulierung der Netze als letzter verbleibender Monopolbereich der Stromwirtschaft wird neben dem effizienten Betrieb auch die effiziente und angepasste Entwicklung der Netze berücksichtigen müssen. Die strikte Entflechtung der stromwirtschaftlichen Betätigungsfelder Erzeugung, Vertrieb und Netzbetrieb bis hin zur eigentumsrechtlichen Dimension bildet eine zentrale Voraussetzung sowohl für eine effektive Regulierung als auch für die Etablierung von Netzunternehmen mit einem elementaren geschäftlichen Interesse an der Rolle eines aktiven Netzbetreibers in einer sich stark verändernden Stromerzeugungslandschaft. Für das Ziel einer nachhaltigen Stromwirtschaft bilden Klimaschutz und Liberalisierung entscheidende Eckpunkte. Für beide Problemfelder haben die notwendigen Transformationsprozesse erst begonnen. Eine Vielzahl von Lernprozessen wird noch notwendig werden. Klare ordnungspolitische Leitlinien, verbunden mit Mut zum Experiment und der notwendigen Flexibilität für notwendige Anpassungen sind die entscheidenden Voraussetzungen für eine nachhaltige Umgestaltung der Stromversorgung.