... Damit steht das opulente Werk einigermaßen quer zu den heutigen Lese- und Studiengewohnheiten. Wer es aber schafft, sich über diesbezügliche Hürden und Vorbehalte hinwegzusetzen und sich die Zeit für ein gründliches Studium nimmt, zudem den gesetzten Anforderungen für die Lektüre genügt, wird dafür mit einem einzigartigen Bildungserlebnis und einem beachtlichen Erkenntnisgewinn belohnt. Er erhält nicht nur einen tiefen Einblick in die geldtheoretische und -historische Forschung, sondern auch die Chance, sein eigenes Weltbild und seinen Lebensentwurf kritisch zu überdenken und ggf. neu zu definieren. Sollte dies nicht die Mühe wert sein?!

... Bemerkenswert ist, dass das Geld dabei nicht nur als ökonomische Kategorie behandelt wird, nicht nur als Denkform der Wirtschaft, sondern generell als eine Kategorie der modernen Gesellschaft, als "Ratio" der Moderne. Seine Substanz ist das Vertrauen der Menschen in seinen "Wert". Dieser Wert aber ist "illusionär" und entspringt letztlich dem Vertrauen, das in ihn gesetzt wird, das ihn reproduziert. Brodbeck zufolge besitzen auch Gold und Silber "keinen intrinsischen Wert", sondern nur einen ökonomischen, den sie durch die Anerkennung der Marktteilnehmer erhalten (XIV). "Der ökonomische Wert ist eine Bedeutung, die sich in der Tauschstruktur konstituiert - und nur darin." (396)

Die Herrschaft des Geldes, also des rechnenden Verstandes gegenüber der sprachlichen Vernunft, offenbart sich in der Wirtschaft, in der menschlichen Gesellschaft, aber auch in der Haltung der Menschen zur Natur, indem diese von ihnen einseitig abstrahierend, gleichgültig, berechnend und vereinnahmend behandelt wird. Es gibt heutzutage, so der Schluss, "kein Refugium mehr, das sich dieser totalen Herrschaft des Geldes entzöge" (IXX): "Geld regiert die Welt" (Aristophanes). Aber was ist Geld? Brodbeck zitiert in seiner "Kategorialanalyse des Geldes" (401-434) eine Reihe von Definitionen und kritisiert sie als "hemdsärmeligen Tiefsinn" (402), fehlerhaft (403f.) und durchweg unzureichend (408f.). Er betont im Gegensatz dazu die Eigenschaften des Geldes als "kategoriales Novum" (409) und als "soziale Funktion" (411). Provokant und prinzipiell fällt die Abrechnung mit der modernen Wirtschaftswissenschaft aus. Diese habe es weder vermocht, das Geld kategorial zu erklären, noch genüge die übliche Behandlung des Geldes wissenschaftlichen Ansprüchen. Der Autor ist sich durchaus bewusst, dass sein Vorwurf, die moderne Ökonomie sei eigentlich gar "keine Wissenschaft", sondern "Astrologie" (1373), "schon starker Tobak" ist (XXIII). Er steht mit dieser Kritik aber nicht völlig allein. Insbesondere die überzogene Mathematisierung und der ökonometrische Modellwahn werden auch von anderen Autoren kritisiert. Hervorzuheben bei Brodbeck ist jedoch sein Rekurs auf Aristoteles und die Scholastik, auf Marx und auf die Historische Schule als Beispiele für das Erkennen der "spezifisch sozialen Natur wirtschaftlicher Prozesse" (XXIII). Er betont ausdrücklich, dass eine wissenschaftliche Theorie des Geldes hieran anknüpfen müsse. Insbesondere Aristoteles und Marx behandelt Brodbeck als die "zwei großen Ausnahmen" in der Geschichte der Geldtheorie. Sie seien die einzigen (!), die erkannt hätten, dass das Geld kein Ding sei, nicht physis, sondern "eine spezifische Form der Vergesellschaftung der Menschen" (XXIV). Damit hebt Brodbeck sich grundlegend vom Mainstream heutiger Wirtschafts- und Sozialwissenschaft ab.