Philipp Staab, Dominik Piétron
14 Seiten · 2,73 EUR
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July 07, 2021
)
Aus der Einleitung:
Das Technologieversprechen der Künstlichen Intelligenz schafft schon heute eine eigene soziotechnische und politische Realität: Zum einen versuchen die klassischen Industrieunternehmen der ‚old economy‘ vermehrt eigene KI-Infrastrukturen aufzubauen, um die steigende Abhängigkeit von Softwareanbietern zu. Sie erkennen im Zugang zu Daten und in der Kontrolle über digitale (Software-)Infrastrukturen eine Schlüsselfrage im digitalen Kapitalismus, die zunehmend auch die Wettbewerbsfähigkeit nationaler Wachstumsmodelle beeinflusst. Damit wurden in der jüngeren Vergangenheit zum anderen verstärkt auch staatliche Akteure auf den Plan gerufen, die die Verbreitung der vermeintlichen Schlüsseltechnologie aktiv zu fördern versuchen, wobei vor allem heimische Unternehmen und nationalzentrierte Wertschöpfungsketten im Fokus stehen.
Der vorliegende Beitrag geht in diesem Zusammenhang der Frage nach, ob und wie sich das Staat-Markt-Verhältnis im Zuge der entstehenden KI-Politik verändert. Wir beziehen uns dabei vornehmlich auf den deutschen Fall und vertreten die These, dass sich in der politischen Ökonomie der Künstlichen Intelligenz ein neues Experimentierfeld interventionistischer Industriepolitik zeigt, welches über etablierte Pfade hinausgeht und anhand von vier Schlüsseldimensionen prägend auf die politische Ökonomie der Künstlichen Intelligenz einzuwirken versucht. Empirische Grundlage sind dabei politische Strategiepapiere und Initiativen auf deutscher und europäischer Ebene. Ohne dass bisher Aussagen zu den wirtschaftlichen Effekten dieser neuen Form von Industriepolitik möglich sind, deuten wir den Zusammenhang von Initiativen im Bereich des Wissensmanagements, der öffentlichen Unternehmensfinanzierung, der Marktregulierung sowie des Infrastrukturausbaus in Deutschland als eine spezifische Variante global beobachtbarer Techno-Nationalismen – im Falle Deutschlands freilich mit stark europäischer Ausrichtung.
ist Professor für die Soziologie der Zukunft der Arbeit an der Humboldt-Universität zu Berlin und am Einstein Center Digital Future (ECDF).
ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Soziologie der Zukunft der Arbeit an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Arbeitsschwerpunkte sind politische Ökonomie des digitalen Kapitalismus, europäische Datenpolitik und digitale Daseinsvorsorge.