5., überarbeitete Auflage
448 Seiten
29,80 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-7316-1217-9
(Juli 2016)
Geld ist eines der großen Tabus. Je mehr wir Geld verdrängen, desto mehr beherrscht es uns. Nicht Geld ist allerdings ein Desaster, wie uns eine Jahrtausend alte Tradition lehren möchte, sondern die Anschauungen darüber. Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts. Geld macht frei. Geld vergesellschaftet. Wo Geld fließt, fließt kein Blut. Geld setzt die Welt auf einen dynamischen Pfad. Kurz: Geld ist ein "vitales Biest". Um mit ihm umzugehen, muss man sich ihm stellen und wissen, was es tut. Wer es als Gleitmittel der Wirtschaft denunziert, rutscht auf ihm aus.
Die Zivilisation richtet sich an Geld auf. Geldgesellschaften sind offene Systeme, die eine innere Ordnung besitzen. Diese gilt es zu erkennen und einzuhalten. Das heutige Finanzsystem höhlt diese Ordnung systematisch aus. Der Rubikon ist überschritten, die Ungleichgewichtslagen verstärken sich systemimmanent. Der Übergang zu einer nachhaltigen Geldordnung ist gedanklich vorzubereiten.
Raimund Dietz spannt in seinem neuen Buch: Geld und Schuld den Bogen von einfachen Grundvorgängen des Gebens und Nehmens, Ausgleichens und Nichtausgleichens (Schuldenmachen) bis zur heutigen Finanzkrise als Überschuldungskrise. Das Buch setzt sich kritisch mit der Wirtschaftstheorie - im Kern einer Theorie ohne Geld - auseinander und entwickelt einen Ansatz zur Überwindung des zentralen Defizits der Ökonomik: Geld. An die Stelle einer Theorie, deren Idol die Robinsonade ist, setzt Raimund Dietz eine ökonomische Theorie der modernen Zivilisation und des Bürgers.
"Ich bin beeindruckt von der Radikalität, mit der Raimund Dietz sich auf eine Wissenschaft vom Geld einlässt und vertraute Theoriebestände durchforstet, um sie auf unvertraute Art und Weise neu zusammenzusetzen." Dirk Baecker
"[...] Mit 'Geld und Schuld' legt Raimund Dietz eine in Form und Inhalt opulente ökonomische Gesellschaftstheorie vor [...]. Durch den vom ihm vorgenommenen Paradigmenwechsel eröffnet sich dem Autor ein gänzlich neuer Blick auf das Geld, welcher es ihm ermöglicht, die Geldtheorie nicht mehr als ein staubtrockenes Nebenfach der Volkswirtschaftslehre anzusehen, sondern als eine 'Wissenschaft vom Menschen' [...]." Ulrich Busch
"[...] Die Stärke der Darstellung besteht in der zahlenunterlegten, klaren Botschaft zur Entstehung und Lösung von Finanzkrisen [...]." Helge Peukert
"Die Lektüre des Buches ist ein anhaltendes intellektuelles Vergnügen. Der Band sollte das Einführungsbuch für VWL-er werden. Raimund Dietz schreibt leserfreundlich und komplex zugleich." Jochen Hörisch
Der Volksmund weiß: Geld regiert die Welt. Und was wissen die Ökonomen über Geld? Die erstaunliche Antwort: Fast nichts. Raimund Dietz zeigt in seinem Buch "Geld und Schuld" eindrucksvoll, warum das so ist. Bereits der Untertitel, der "eine ökonomische Theorie der Gesellschaft" ankündigt, verweist auf die Defizite des ökonomischen Mainstream. Der Mainstream weiß nicht, dass Tausch und Geld Grundpfeiler der Gesellschaft sind und hängt deshalb ohne Bodenhaftung im "leeren" Raum.
Dietz rekonstruiert die Gesellschaft aus dem Tausch, dem Geben und Nehmen, dem Eingehen und Auflösen von Schuldverhältnissen. Dabei spielt das Geld eine grundlegende Rolle. Es ermöglicht einen Warenfluss zwischen allen Mitgliedern der Gesellschaft, ohne dass jede Warenhergabe durch eine unmittelbare Warengegengabe ausglichen werden muss oder der Warenfluss in einem Dickicht aus bilateralen Schuldverhältnissen zum Erliegen kommt. Das Geld erlaubt uns, Brötchen beim Bäcker zu holen, ohne in der Schuld des Bäckers zu stehen. Wir bezahlen die Brötchen mit Geld und damit ist die Sache gut. Geld ist demnach ein Mittel zur Vermeidung von bilateralen Schuldverhältnissen. Genauer: Es transformiert bilaterale Schuldverhältnisse in "gesellschaftliche" Schuldverhältnisse. Dadurch entstehen Gesellschaft und Ökonomie. Umgekehrt folgt daraus, dass Versuche, das Geld abzuschaffen, Gesellschaft und Ökonomie zerstören. Der Autor berichtet in diesem Zusammenhang auch über seine eigene Entwicklung: "An den Sozialismus wollt' ich schon glauben, aber ich wollte zumindest wissen, wie er funktionieren könnte."
Den Kern des Buches bildet das zweite Kapitel mit dem Titel "Der Tausch und das Geld", das den Bogen vom elementaren Tauschgeschehen über die Erzeugung von Geld auf dem Kreditwege bis zu den Ursachen von Finanzkrisen schlägt und damit das im Untertitel Versprochene in überzeugender Weise einlöst. Dabei wird deutlich, wie das Nichtauflösen "gesellschaftlicher" Schuldverhältnisse und eine unbegrenzte Deckung von Finanzierungsdefiziten durch Kreditvergabe eine Vermögens-Schulden-Spirale verursacht, die zwangsläufig zu Finanzkrisen führen muss. Es gibt also auch hier ein "Zuviel des Guten". Überlässt man das Geldsystem seiner inhärenten Neigung zur Übertreibung, wird eine "Vernichtung" eines Teils der Vermögen und der Schulden früher oder später unvermeidlich.
In der aktuellen Finanzkrise, die 2008 akut wurde, steht diese "Vernichtung" zur Zeit (April 2016) nach wie vor aus. Drei Möglichkeiten stehen zur Verfügung: (1) Schuldenerlass bzw. Konkurs, (2) Dezimierung von Vermögen und Schulden durch Inflation oder (3) Umverteilung durch eine Vermögensabgabe. Dietz hält die Möglichkeit (2) für die Wahrscheinlichste. Damit steht er nicht allein. So weit hätte es aber gar nicht kommen dürfen. Ein für die Gesellschaft so wichtiges System wie das Geldsystem muss im Fokus der Aufmerksamkeit stehen und bedarf einer strengen Regulierung und Überwachung durch die Gesellschaft. Die dazu erforderlichen theoretischen Grundlagen zu schaffen wäre Aufgabe der Ökonomen gewesen. Wäre. Entsprechend harsch fällt die Theorie-Kritik im dritten Kapitel des Buches aus: "Jedes dieser Ideale produziert eine Flachlandtheorie." Dabei darf man den Terminus "Flachlandtheorie" ohne Weiteres als Synonym für "Unsinn" auffassen. ...
In der Zusammenfassung stellt der Autor fest, dass er allen "gesellschaftlichen Kräften" in Teilen widersprechen muss. Er befindet sich damit zwischen allen Stühlen, was ein untrügliches Zeichen dafür ist, dass er sich richtig positioniert hat. Er stellt fest: "Viele träumen von einem anderen System. Ich plädiere für einen anderen Umgang mit dem, was wir haben." Dem kann man nur zustimmen. Ein schönes Buch. Lesen!
"Raimund Dietz ist ein vielseitiger Mann: er bezeichnet sich nicht nur als Geldphilosoph, sondern ist auch diplomierter Volkswirt und hat Politik und Mathematik studiert. Sein Wissen gibt er auch gerne weiter, einerseits als Coach und Berater, andererseits in Büchern, wie das hier beschriebene. Da werden durch das Aufbrechen der traditionellen ökonomischen Theorie Auswege aus einer überkapitalisierten Welt gezeigt. Im Mittelpunkt steht die ursprüngliche Funktion des Geldes als Tauschobjekt, das von den Subjekten erkannt und sinnvoll genutzt wird.
Dietz ruft die Menschen auf "sich mit dem Geld auszusöhnen" und ihm eine Rolle in einer "guten menschlichen Ordnung" zu geben. Es ist wichtig zu wissen, was Geld ist, wie Schulden entstehen und wieder abgebaut werden und wer in welchem Ausmaß Schulden machen darf. Es ist wesentlich die Wirkungsmächtigkeit des Geldes zu kennen und es weder zu verharmlosen noch es als Bedrohung der eigenen Humanität zu sehen. Denn sehr wohl kann Geld einer Bürgergesellschaft auch als Mittel der Humanität dienen.
Natürliche Kreditnehmer sind laut Dietz nur Unternehmen. Sie müssen ihre Produkte vorfinanzieren, erschaffen aber durch den Mehrwert ihrer Produkte das nötige Wachstum. Denn nur wenn Schulden reales Wachstum nach sich ziehen, sind sie makroökonomisch tragbar.
Der Autor gibt letztlich auch Anleitungen wie eine aufgeklärte Gesellschaft mit Schulden umgehen sollte und wie die Finanzwirtschaft zu beschneiden und zu ordnen wäre.
Ein beachtenswerter Zugang, der das Thema Nachhaltigkeit in die Ökonomie des Geldes einbringt.
Die Stärke der Darstellung besteht in der zahlenunterlegten, klaren Botschaft zur Entstehung und Lösung von Finanzkrisen: Das überproportionale Wachstum der Vermögensgrößen führt bei Überschreiten von Schuldentoleranzschwellen zu Krisen. Da man durch hohe Wachstumsraten an der Verschuldungsrelation realistischerweise wohl kaum etwas ändern kann, bleiben nur Bankcrashs, Staatsbankrotte oder Währungsschnitte bzw. hohe Inflationsraten. Zur Bannung der Deflationsgefahr wird zur Zeit von der Politik keine entsprechende Ausnüchterung betrieben, sondern zu ihrer Bekämpfung nur neue, letztlich krisenverschärfende Schulden gemacht. "Die Finanzkrise kann nur durch eine wirkliche Krise der Finanzen geheilt werden" (S. 224). Nicht Sparen, sondern default ist nötig.
Kapitel 3 der Arbeit dient der Theoriekritik der ökonomischen Ansätze einschließlich (Neo)Klassik, Marx, Keynes, Luhmann, Schumpeter und der Neoricardianer, die alle einer reinen Logik der Dinge anhingen. Einzig Simmel (S. 292-307) vermochte es, sich dem Naturalismus zu entziehen und Geld und Tausch als Versittlichung und Aufbau einer transindividuellen Gestalt ohne Streit und Verdrängung zu entziffern. Die Bürgerordnung ist ihm eine Tauschordnung, durch den Tausch und Geld findet positive Vergesellschaftung statt.
Kapitel 5 stellt die Theorie der Wertformen vor, hierunter fallen die überpersönlichen Gebilde der Wirtschaft (Geld, Preise, Finanzprodukte, Bilanzen usw.). Mochte man bisher meinen, Dietz sehe in der modernen Tauschgesellschaft die beste aller möglichen Welten (selbst Liberale wie W. Röpke sahen im Markttausch einen "Moralzehrer"), so kommt nun eine kritische Komponente zum Tragen, die Wertformen neigen nämlich zur Hypertrophie, das moderne Finanzsystem dient als Beispiel. Es ist nicht in der Lage, sich selbst einzuschränken und zu kalibrieren, auch da es auf Dauer keine Profite ohne Produktion geben könne. Ferner unterminiere die Finanzindustrie die Tugenden bürgerlicher Kultur. Ordnungspolitisch sei daher ein Vollgeldsystem einzuführen, um den Geldbereich auf einem angemessenen Niveau halten zu können.
Insgesamt ist das Buch sehr anregend, sowohl was den kulturalistischen, als auch was den hiervon sachlich unabhängigen, im engeren Sinne ökonomischen Teil (Überschuldungsproblematik) betrifft.
"Auch der Autor des zweiten Buches, Raimund Dietz, ist von Hause aus kein Finanzökonom oder Banker, sondern Geldphilosoph. Mit Geld und Schuld legt er eine in Form und Inhalt opulente ökonomische Gesellschaftstheorie vor, die sich an Marx, Simmel, Luhmann, Baecker und Rudolf Steiner orientiert und die mit dem Mainstream, der neoklassischen Theorie, hart ins Gericht geht. Dietz behauptet, sein Vorgehen begründend, die Wirtschaftswissenschaften hätten die jüngste Finanzkrise regelrecht ?verschlafen?, was darauf schließen lässt, dass sie "Entscheidendes" ausblenden und sich durch ihre "dyadische", auf eine Subjekt-Objekt-Beziehung reduzierte, Weltsicht in eine Sackgasse manövriert haben (216f.). Er setzt dem eine "triadische" Sichtweise entgegen, welche die Beziehungen der Subjekte untereinander favorisiert. In ihr erscheint die Wirtschaft als "ein Gebilde menschlicher Kultur? (336). Durch diesen Paradigmenwechsel eröffnet sich dem Autor ein gänzlich neuer Blick auf das Geld, welcher es ihm ermöglicht, die Geldtheorie hinfort nicht mehr als ein staubtrockenes Nebenfach der Volkswirtschaftslehre anzusehen, sondern als eine "Wissenschaft vom Menschen" (19). Dies hat nicht nur eine gänzlich veränderte Stellung des Geldes im Theoriegebäude der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zur Folge, sondern impliziert auch eine veränderte Haltung gegenüber dem Geld, eine neue Ethik des Geldgebrauchs und anderes mehr. Das Geld, heute von vielen noch "verdrängt, verachtet, dämonisiert" (11), sollte künftig einen zentralen Platz im Bewusstsein und im Leben der Menschen einnehmen ...
Der Leser merkt sehr schnell, dass es sich bei dieser Arbeit um eine Art Lebenswerk handelt, worin gleichermaßen theoretische Erkenntnisse, Diskurse in Fachkreisen sowie persönliche Erfahrungen eingeflossen sind. Das Positive hieran ist die lange Reifezeit der Hauptgedanken. Als problematisch erweist es sich es jedoch, wenn persönliche Eindrücke und Ansichten für theoretisches Wissen ausgegeben werden. So entspricht es zum Beispiel nicht der Wirklichkeit, wenn der "Sozialismus" als ein System, in welchem die "sog. 'Geld-Ware-Beziehungen' beseitigt? sind, definiert wird (27). Auch die apodiktische Behauptung, wonach es in der Welt "keine Alternative zum Kapitalismus" (28) gäbe, "keine Perspektive" (134) für eine antikapitalistische Bewegung, scheint zu absolut und eher die Überzeugung des Autors zum Ausdruck zu bringen als einen belegbaren Tatbestand. ...
Bemerkenswerte Einsichten vermittelt das Buch zum Wachstumszwang moderner Geldwirtschaften, zur Differenz zwischen monetärem und realem Wachstum (145ff.) und zur Inflation, welche der Autor bis zu einer bestimmten Größenordnung als durchaus "systemkompatibel" (152) behandelt. Ein Abschnitt ist der Vermögensentwicklung gewidmet. Da der Geldbegriff unter den heutigen Bedingungen relativ unscharf ist, unterschiedliche Geldmengendefinitionen existieren, M1, M2 usw., daneben geldnahe Assets (Termingeld, Spareinlagen usw.), kommt die ökonomische Theorie nicht umhin, sich hierzu zu positionieren und neben den technischen Abgrenzungsproblemen auch die damit verbundenen inhaltlichen Fragen zu behandeln. Dietz tut dies, indem er verschiedene Facetten der aktuellen monetären Entwicklung diskutiert und problematisiert (162ff.). Trotz seines positiven Verhältnisses zum Geld charakterisiert er die jüngste Entwicklung unter finanzmarktkapitalistischen Bedingungen, insbesondere "den explodierenden Umfang der Options- und Derivateindustrie", wodurch "Gläubiger- Schuldner-Beziehungen ins Unsinnige und Unsittliche ausgedehnt" werden, als "verfehlt".
Das gegenwärtige Finanzsystem ist, so die Einschätzung des Autors, ?eindeutig hypertroph? (326). Dies macht Eingriffe der Politik in das Finanzwesen unabdingbar, zumal das Bank- und Finanzsystem inzwischen faktisch den Beweis dafür erbracht hat, dass es aus sich selbst heraus weder in der Lage ist, sich "zu kalibrieren" noch zu reformieren (329). Gut nachvollziehbar ist auch seine, vor dem Hintergrund explodierender Staatsschulden getroffene Unterscheidung zwischen makroökonomisch tragbaren Schulden, welche ökonomisches Wachstum nach sich ziehen, und solchen, die als "bedenklich" einzustufen sind, weil sie nicht zu einer temporären Erhöhung der Produktion beitragen, sondern weitere Kredite zur Folge haben bzw. lediglich der Spekulation dienen (192). Diese Argumentation hebt sich wohltuend von einer undifferenzierten Verteufelung jeglicher Verschuldung ab, setzt dieser aber auch Grenzen. Dietz betont in diesem Kontext, dass die an den Staat ausgereichten Kredite meistens "verkonsumiert" werden. Insofern ist hier Wachsamkeit geboten. Bei der Auseinandersetzung mit den Folgen einer fehlenden Haushaltsdisziplin und exzessiven Staatsverschuldung wird man künftig an den Thesen dieses Autors nicht vorbeikommen."
"Das Buch geht davon aus, dass über das Medium der ganzen ökonomischen Sphäre, das Geld nämlich, in der Fachökonomie viel zu wenig nachgedacht wird. Der Verfasser entdeckt die Relevanz der "Philosophie des Geldes" von Georg Simmel wieder, ohne jedoch ins bloße Historisieren zu verfallen und seinem durchweg systematischen Anliegen untreu zu werden. In Simmels Satz "Geld ist die Verkörperung der Tauschrelation" lasse sich seine ganze Arbeit zusammenfassen (366). Es ist eine Arbeit auf hohem Niveau, anspruchsvoll, ohne unnötige akademische Verklausulierungen. Ich kann dem positiv Gesagten fast durchwegs zustimmen.
Mein einziger, allerdings umfassender Einwand bezieht sich schon auf den Untertitel: "Eine ökonomische Theorie der Gesellschaft". Lässt sich eine Theorie der Gesellschaft von der Ökonomie allein her überhaupt sinnvoll aufziehen? Es gibt zwei Aussagenreihen des Autors. Die von Beginn an dominierende ist diese: "Weil alle Beziehung zu Geld haben, haben auch alle untereinander Beziehung. Erst der Geldkörper macht Gesellschaft möglich" (358). Hier wäre überall die Einschränkung zu machen: "moderne Gesellschaft", im Unterschied zu ursprünglichen Gemeinschaften, deren Tauschwirtschaft teilweise auch ohne Geld, allenfalls mit einem naturalen Wertmaßstab wie Kühen, Salz usw., möglich war. Auch Simmel sieht die Modernität der Gesellschaft mit der Herausbildung des Geldes als ihres Hauptmediums, als Verkörperung der Tauschrelation, verbunden. Doch ist der Gütertausch das eine Gesellschaft allererst Konstituierende? Hier nun die andere, bei Raimand Dietz allerdings viel kürzer ausfallende Aussagenreihe: "Nicht dass ich behaupten wollte, alles ginge nur über das Geld. Aber ohne Geld geht nichts. Geld ist nur ein herausragendes Beispiel, dass sich Gesellschaft über ein Drittes organisiert. Andere 'Einrichtungen' dieser Art sind die Sprache, der Staat, die Religion, moralische Grundsätze und heute das Web. Auch über sie vollzieht sich Vergesellschaftung, aber keine dieser Formen kann Geld ersetzen, wie auch umgekehrt Geld keine dieser Formen ersetzen kann" (360). Nach meiner Einsicht gibt es nur vier dem Geld vergleichbare formalisierte Medien: Recht (das in der Neuzeit den von Dietz genannten Staat begründet; Staat ist jedoch kein Medium), Sprache (welche die menschliche Kommunikation im eigentlichen Sinne der Gegenseitigkeit und damit auch vor-ökonomische Gemeinschaftsbildung ermöglicht) und religiös-ethische Grundprinzipien samt ihren Ritualen (die in der Geschichte stets mit Gemeinschaftsbildung verbunden waren). Wenn diese Einsichten einer gestuften Reflexions-Systemtheorie zutreffen, und wäre es auch nur halbwegs, dann ist eine bloß ökonomische "Theorie der Gesellschaft" unmöglich. Sie stellt eine Verkürzung dar, weil der ökonomische Tausch nicht gleich zwischenmenschlichem Austausch überhaupt ist. Es wäre nicht etwa Luxus gewesen, sondern die Vermeidung eines verkürzenden, im Grunde fehlerhaften Ökonomismus, diese Einordnung des Ökonomischen und des Tausches in einem Kapitel des Buches zumindest umrisshaft zu leisten bzw. wiederzugeben.
Ein anderer Aspekt mangelnder systemtheoretischer Stringenz liegt darin, dass Dietz bloß von einem triadischen anstelle eines dyadischen (dualistischen) Ansatzes spricht. Damit meint er einmal die Triade Subjekt-Subjekt und deren gemeinsames Objekt (die Güterwelt), ein andermal die Triade Subjekt-Subjekt-Geldmedium. An einer Stelle (218) bringt er beide Triaden in einem Schema unter dem Titel "Geld als Supertriade" zusammen. Es handelt sich in Wahrheit und wesentlich um eine Tetrade von Grundelementen. Das Schema gleicht der von mir seit Jahrzehnten verwendeten Raute vier gleichursprünglicher "Sinnelemente", woraus eine logisch vierwertige Gesellschaftsanalyse folgt. Es ist bedauerlich, dass Raimund Dietz seine sorgfältigen und wertvollen Analysen des Geldes als Medium einer Tauschgesellschaft mit der umfassenderen Sicht einer reflexionslogischen, vierwertigen Systemtheorie nicht konsequent abgeglichen hat - obwohl er sie kannte. Anscheinend ist es die noch immer dominierende Art von Systemtheorie Luhmannscher Prägung, deren Autorität ihn an der Ausarbeitung dieser fruchtbaren Querverbindungen und Erweiterungen zu einer wirklich sozialen Ökonomie hinderte. Sie hätte auch geholfen, die überholten Alternativ-Schlagworte wie Kapitalismus versus Sozialismus hinter sich zu lassen. Unabhängig davon sehe ich mit den Zinskritikern eine schärfere Unterscheidung zwischen dem Prinzip Markt und Marktwirtschaft einerseits und Kapitalismus (der auf der Selbstvermehrung des Geldes via Mehrwert und Zinseszins beruht) anderseits. In ökonomie- und geldtheoretischer Hinsicht bleiben Dietz` Analysen trotz dieser sozialtheoretischen Einwände in vielem beherzigenswert, angefangen von der zentralen Stellung des Tausches als Ausgangspunkt aller Ökonomie (nicht etwa erst des Eigentums, wie etwa Heinsohn/Steiger sie vertreten)."