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Geosoziologie

Gesellschaft neu denken

633 Seiten ·  38,00 EUR (inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-7316-1204-9 (July 2016) )

Umfangreiches Personen- und Sachregister

 

Die Soziologie hat sich bislang als eine Wissenschaft des Seins verstanden. Sie hat das, was ist, beschrieben und erklärt. Aber mit der "Zuschauertheorie des Wissens" ist es spätestens seit Newton vorbei. In Zukunft wird es darum gehen, Gesellschaft mit soziologischer Phantasie zu gestalten. Gefordert ist eine Wissenschaft des Werdens. Interventionen in gesellschaftliche Problemfelder beabsichtigen nicht, Wahrheiten über die Wirklichkeit "dort draußen" zu entdecken, sondern machen es erforderlich, über die Wirklichkeit von Wahrheiten, die wir selber produzieren können, zu entscheiden.

Die Gesellschaft der Zukunft wird eine technologisch geprägte sein und sie wird eine den gesamten Planeten umfassende sein. Gesellschaft und Natur, Sozio- und Biosphäre werden in ihr zu einem Hybrid verschmelzen. Gegenüber den bislang weitgehend durch Ökonomie gestalteten Beziehungen des Menschen zur Gesellschaft gewinnen die über Technologie vermittelten Beziehungen der Menschen zur Natur an Bedeutung. Die "soziale Frage" wird von der "ökologischen Frage" überlagert. Sie betrifft nicht mehr einzelne Klassen, Stände oder Schichten, sondern den Menschen als Gattungswesen. Auf der Tagesordnung steht, der Denktradition des Thomas Hobbes folgend, unabweisbar die Frage nach dem Souverän, der, mit einem durchsetzungsfähigen Machtmonopol ausgestattet, in der Lage ist, Weltinnenpolitik zu betreiben.

Nicht nur muss in Betracht gezogen werden, dass die Evolution menschlicher Vergesellschaftungsformen suboptimale Lösungen des Zusammenlebens hervorgebracht hat, sondern dass sie in einer Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes enden. Es könnte sich erweisen, dass die biologische Evolution den Menschen in eine kulturelle Sackgasse getrieben hat, die zu verlassen seine kognitiven Kompetenzen bei weitem übersteigt - hirnphysiologische Defizite, die sich möglicherweise nur durch die Implementierung mentaler Fähigkeiten auf intelligente Computersysteme kompensieren lassen.

Soziologische Revue 41(1), 2018 ()

"Mit seinem Buch "Geosoziologie" verfolgt Arno Bammé ein großes Anliegen: Es geht ihm um eine Neukonzipierung der Soziologie, ihrer Fragestellungen und ihrer interdisziplinären Verortung mit Blick auf die Überforderung des Menschen durch seine eigenen Schöpfungen. Die zentrale These, die er im Anschluss an Frank Schirrmachers Buch über das "Spiel des Lebens" entwickelt, ist, dass das mentale Konstrukt des homo oeconomicus und der mit ihm verbundenen ökonomisch-neoliberalen Weltvorstellung eine gesellschaftliche Realität gewonnen hat, die Persönlichkeit und Verhalten des Menschen verändert, sich in Technologie manifestiert und darin einen zerstörerischen Umgang mit Natur wie Gemeinschaft hervorbringt. Den Ausgangspunkt dieser Entwicklung verortet Bammé jedoch nicht etwa im Industriekapitalismus des 19. Jahrhunderts, vielmehr sieht er darin die Weiterentwicklung eines sich etwa bei Parmenides manifestierenden antiken Denkens, das reine Erkenntnis von einer damit zugleich als Arbeit abgewerteten praktischen Tätigkeit abgrenzt. Mit dieser kurzen Rekapitulation des Argumentes wird bereits deutlich, wie vielfältig die von Bammé für seine Argumentation herangezogenen Diskursstränge sind. Dazu gehören wirtschaftstheoretische und wirtschaftshistorische Schriften, unterschiedliche soziologische Gesellschaftstheorien, aber auch ethnologische und menschheitsgeschichtliche Überlegungen sowie aktuelle Diskurse aus dem Schnittstellenbereich von Technologie, Natur und Sozialität. Er greift dabei auf Klassiker zurück und stellt explizit über das Buch hinweg Bezüge zur soziologischen Gesellschaftstheorietradition her; er bezieht aber auch kaum bekannte Autoren ausführlich in seine Argumentation ein. ...

Wie ist das von Bammé hier vorgelegte grand oeuvre nun einzuordnen? Zunächst sei hervorgehoben, dass es sich um ein durchweg ebenso belesenes wie gut lesbares Buch handelt, das viele historische, ideengeschichtliche und theoretische Aspekte mit Blick auf eine dringliche Gegenwartsdiagnose - die Selbstzerstörung der Menschheit aufgrund eines sich verselbstständigenden begrifflichen Konstruktes - zusammenführt. Ob das Buch nun den Anspruch erfüllt, einem investigativen Journalismus gleich verständlich zu sein, mag dahin gestellt bleiben - den Anspruch, ein drängendes gegenwartsdiagnostisches Problem mit den Mitteln der Soziologie zu erschließen, erfüllt es zweifellos. Der Soziologie bietet Bammé mit seinem Werk vielerlei an. Nicht nur bringt er weitgehend vergessene Autoren ausführlich in die Darstellung ein und deutet eine Vielzahl von Schnittstellen zu anderen geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen an. Vor allem bietet Bammé eine wirklich große soziologische These - in meiner Reformulierung: In dialektischer Weiterführung von Marx Überlegung, dass aus den gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen ein gedanklicher Überbau hervorgehe, zeigt die Argumentation, dass ein derart emergierter Überbau sich verselbstständigt und in einer Art Gegenbewegung nun selbst eine große Transformation der gesellschaftlichen Verhältnisse erzwingt.

Es ist etwas schade, dass diese aus meiner Sicht angelegte These nicht mit etwas strengerem Bezug auf soziologische Theoriearbeit entfaltet wird. Marx wird - wie Luhmann, Weber, Tönnies und andere - zwar zitiert, doch werden deren Überlegungen eher heuristisch einbezogen, als dass ausgehend von explizierten theoretischen Prämissen eine Argumentation entfaltet würde. Dies entspricht dem eingangs angekündigten Programm, Soziologie eher verständlich zu gestalten. Auch erlaubt diese Vorgehensweise, in viele Richtungen Anschlüsse herzustellen. Zugleich liegt in diesem eher heuristischen Theoriebezug begründet, dass Bezüge zu bestehenden soziologischen Diskursen eher selektiv vorgenommen werden. So ist die Frage nach dem Verhältnis von Natur, Kultur und Technik ein in sich heterogenes soziologisches Forschungsfeld, das insbesondere in der Techniksoziologie und der Kultursoziologie auch empirische Studien hervorgebracht hat. Gerade solche empirischen Arbeiten sind als Beitrag der Soziologie zum gesellschaftlichen Selbstverstehen neben der als großem Wurf angelegten Gegenwartsdiagnose von Bedeutung. Auch findet sich gerade in der internationalen Literatur eine ganze Reihe aktueller Publikationen, die eben jene These einer Verwirklichung Hobbesianischer Zustände als Produkt des geistigen Konstrukts ebenfalls diskutieren. Alles in allem scheint mir die "Geosoziologie" zwar nicht ein integrierendes Programm für eine neue Soziologie insgesamt zu sein - aber sie bietet einen spezifischen Zugriff auf die Herausforderungen der Gesellschaft im Anthropozän, der gerade mit seinen ideengeschichtlichen und kulturhistorischen Ausführungen erlaubt, verschiedene Diskussionsstränge zu verbinden."




the author
Prof. Dr. Arno Bammé
Arno Bammé Jahrgang 1944, Ordentlicher Universitätsprofessor an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt (Kärnten), Institut für Technik- und Wissenschaftsforschung, Direktor des Institute for Advanced Studies on Science, Technology and Society in Graz, Leiter der Ferdinand-Tönnies-Arbeitsstelle an der AAU, Fachvorstand der Sektion "Abendländische Epistemologie" beim Amt für Arbeit an unlösbaren Problemen und Maßnahmen der hohen Hand in Berlin, bis zu seiner Emeritierung Vorstand des Instituts für Technik- und Wissenschaftsforschung an der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung. der AAU [weitere Titel]
dem Verlag bekannte Rezensionen
  • "den Anspruch, ein drängendes gegenwartsdiagnostisches Problem mit den Mitteln der Soziologie zu erschließen, erfüllt es zweifellos." ...
    Soziologische Revue 41(1), 2018 mehr...
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