2. Auflage Oktober 2020
146 Seiten
12,80 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-7316-1404-3
(04. Februar 2020)
Die Lage ist sehr, sehr ernst - aber nicht hoffnungslos. Mit Blick auf Themen wie Klimawandel, Technologieentwicklung und gesellschaftlicher Zusammenhalt eine optimistische Haltung einzunehmen, erscheint angesichts realer Zustände und Entwicklungen verrückt. Manches wird besser - aber davon auszugehen, dass es eine "nachhaltige" Entwicklung geben wird, ist absurd. Dass die Zukunft unrettbar verloren ist, scheint daher eine verbreitete Meinung zu sein - dunkler Pessimismus ist aber ebenso unangebracht wie der fröhlich-naive Glaube an ein strahlendes Morgen. Was möglich - und nötig - erscheint, ist Hoffnung.
Anders als Optimismus und Pessimismus, die für die Zukunft stets das Gute oder das Schlechte erwarten, ist die Hoffnung fragend, tastend, zaudernd und zweifelnd. Hoffnung hat Gründe. Sie hält Wandel für gestaltbar - und sieht die Hindernisse und Schwierigkeiten, mit denen dieser Gestaltungswille konfrontiert ist. Echte Hoffnung sieht diesen Problemen klar ins Auge und gibt sich nicht mit Halbwissen, naivem Fortschrittsglauben, weltfremden Utopien und einfachen "Lösungen" zufrieden. Sie basiert nicht auf Optimismus, sondern auf Wissen und einer klaren Analyse der Lage. Das Buch zeigt, welche Rolle Hoffnung spielen kann, wenn Vorstellungen einer guten Zukunft wirksam werden sollen. Es erörtert die Relevanz, die einem fundierten Wissen um gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Zusammenhänge zukommt, wenn Wandel verstanden und gestaltet werden soll. Und es wagt sich an eine Kategorie, die denkbar unwissenschaftlich ist und in Politik und Gesellschaft unterschätzt wird: Wunder. Dieser Begriff muss nicht religiös gemeint sein, sondern kann als Metapher für Unerwartetes und Überraschendes hilfreich sein für echte Hoffnung. Dabei geht es nicht um Esoterik, sondern um die Produktivität des Überraschenden und noch Unbekannten. Dass die Zukunft offen ist und die Welt voller Kontingenz, kann Hoffnung machen - ebenso wie die Beobachtung, dass es "Wunder" immer wieder gibt. Vielleicht gilt angesichts der ökologischen Lage sogar: Nur ein Wunder kann uns retten. Aber nur darauf zu warten, reicht nicht.... Luks, der zwischen analytischer Wachstumskritik und pragmatischer Nachhaltigkeit zu verorten ist, sieht "Hoffnung" auch als gedankliche Beschäftigung mit Fridays for Future. "Ich halte Panik und Wut für gute kurzfristige Motivatoren, aber denkbar ungeeignet als langfristige Leitlinie für Aktivitäten, die unsere Lage verbessern sollen." Auch unreflektierter Optimismus oder bequemer Pessimismus seien nicht der richtige Ansatz. "Auf lange Sicht brauchen wir Hoffnung."
Sie unterscheide sich vom Optimismus dadurch, dass sie mit Wissen gepaart sei. Wer Hoffnung habe, sei belehrbar. Wolle man aber in der ökologischen Wende Lebensstile ändern, müsse man berücksichtigen, dass der bestehende einem Herzenswunsch entspreche und es deshalb Hartnäckigkeit brauche. "Die westliche und im sozialökologischen Sinne ,imperiale' Lebensweise hat sich gleichsam zu Tode gesiegt, weil sie überaus attraktiv und gleichzeitig nicht global verallgemeinerbar ist", schreibt Luks. In der Folge führt er durch die zentralen Hoffnungsbücher "Utopia", "Das Prinzip Hoffnung" und die Thesen von Hans Jonas. Später bringt er die Kategorie des Wunders fruchtbar ins Spiel und reflektiert, wie aussichtsreich das Vorhaben einer Transformation eigentlich ist.
Beide Autoren [Ph. Krohn bespricht auch ein Buch von Rachel Botsman] belegen, dass sich die zwei großen Herausforderungen unserer Zeit sinnvoll mit den Begriffen Vertrauen und Hoffnung auf den Punkt bringen lassen. Auf dem Weg streift die Leserin kulturhistorische Facetten von der Vertrauensbildung maghrebinischer Händler bis zur Idee eines Wachstums ohne Fortschritt des Liberalen John Stuart Mill. Empfehlungen sind beide Bücher.
Fred Luks hat wieder ein Buch geschrieben und dieses lässt hoffen. Das ist mit Blick auf die Lage der Welt respektive der Menschheit nicht selbstverständlich, also nicht banal, wie man heute zu sagen pflegt. Immerhin meint Luks in "Hoffnung - Über Wandel, Wissen und politische Wunder", es könne kaum Zweifel daran geben, dass die westliche Moderne ökologisch am Ende ist. Man dürfe zwar, so Luks, auch an den positiven Errungenschaft dieser Moderne interessiert sein, aber: "Das Fundamentalproblem liegt in einer auf Expansion programmierten Endlosschleife von Mehrbekommen und Mehrwollen, die kein Maß, keine Ziellinie und keinen Endpunkt kennt."
Wie schon an manchen Stellen in den vorangegangenen Bänden sticht Luks schwung- und lustvoll mit der Füllfeder in die klaffende Wunde des Kapitalismus, nämlich des exzessiven Zwangs zur ständigen Steigerung von allem und jedem. Auf gut 140 Seiten sortiert Luks die Gesellschafts- und Wirtschaftskritik, bringt seine Ordnung in die Welt der Gedanken zu Gegenwart und Zukunft.
Es ist ein lohnendes Unterfangen, Luks darin zu folgen, wie er in der Welt des Geistes aufzuräumen versucht, selbst wenn er gelegentlich mit atemberaubendem Tempo und scharfen Reinigungsmitteln durch die Räume der Gedankengebäude fegt. Was bleibt? Wir dürfen hoffen. Dass wir nicht wissen, wie das Kommende aussehen wird, ist der ultimative Grund für die Möglichkeit von Hoffnung.
Es ist, wie Luks schließt, möglich, dass der Klimawandel ernst genommen und die Digitalisierung für Umweltschutz genutzt wird. Damit dies gelingt, seien Wissen und Streit um die treffliche Vorgangsweise die Voraussetzungen. Zu denen Fred Luks - einmal mehr - mit seinen Gedanken beiträgt.
Hoffnung - eine rare Ressource
Ein schmales Buch, kein leichter und doch verdaubarer Lesestoff zum vielleicht zentralsten Thema dieses kaum begonnenen Jahres: Was erlaubt angesichts der aktuellen Krisenlagen rundum noch Hoffnung? Der relativ ruhige Analyseversuch eines schon seit Jahrzehnten mit Nachhaltigkeitsfragen befassten Forschers macht Mut.
Bereits frühere Bücher von Fred Luks - in einer losen Serie leicht (selbst)ironisierend als "Weltrettungs-ABC" publiziert und im Kern um Nachhaltigkeitsfragen kreisend - habe ich interessiert und mit intellektuellem Gewinn gelesen, zum Teil mehr oder minder lobend rezensiert. Seinen neu vorliegenden Essay empfehle ich allen, ohne Vorbehalt: Der bis vor kurzem als Leiter des Kompetenzzentrums für Nachhaltigkeit an der Wirtschafts-Uni Wien wirkende Autor verbindet darin begründete Ermutigung mit ebenso angebrachter Skepsis. Das ist genau, was wir brauchen, um aus dem Schwung der Bewegung des vergangenen Jahres auch im neuen das Beste zu machen.
Wieder einmal ein polisches Wunder
"Hoffnung", der schöne Hauptbegriff des Buches, wird im Untertitel mit Wandel, Wissen und Wunder ergänzt. Bei Letzterem gibt es jedoch eine Präzisierung: "politische Wunder". Dazu steht im entsprechenden Kapitel, diese seien "wahrscheinlicher als physikalische". Sie kämen zwar nicht sehr oft vor, sonst würden wir uns über sie nicht wundern. Aber es gibt sie. 1989 zum Beispiel fand eines statt. Wer hatte jene Wende erwartet? Und sah irgendjemand voraus, "dass eine junge Frau aus Schweden das schafft, was tausende von Klimaforschern über Jahrzehnte nicht geschafft haben"? Plötzlich interessiere sich eine breite Öffentlichkeit so sehr für die Klimakatastrophe, dass sogar "die Politik nicht umhinkommt, das Thema endlich ernst zu nehmen". Die klügsten Analysen spezieller gesellschaftlicher Kontexte sowie Vorläufe ändern nichts daran, dass Fridays for Future "ein wundervolles Phänomen" bleibt, welches auf weitere gute Dynamiken hoffen lässt. Greta Thunberg sei zudem ein höchst interessantes Beispiel "für die Wirkmächtigkeit von Einzelpersonen". Luks listet noch weitere auf. Einstein etwa, Marie Curie, Paul McCartney, Roosevelt, Brandt, Gorbatschow ... Um unser Nachdenken zu befördern nennt er auch Trump sowie Lyndon B. Johnson. Was zu Letzterem folgt, dürfte viele - wie mich - überraschen. Keineswegs willkürlich finden sich in der Überschrift dieses Abschnitts noch "die Tränen Martin Luther Kings". Ja, besonders bei Feindbildern machen wir es uns oft allzu einfach.
Vor den Kapiteln ist jeweils gebündelt, was darin mit viel Wenn und Aber diskutiert wird. Wandel? "Über den Ernst der Lage, das Leiden an Veränderung und die Chance auf Gestaltung". Wissen? "Über Optimismus, einfache Lösungen und die Sehnsucht nach Orientierung". Auch der Pessimismus wird sorgfältig abgehandelt, samt den ja wirklich nicht wenigen Gründen für ihn. Neben der Klimakrise stehen gleichrangig die Verluste an Biodiversität. Als weitere Ursachen der längst allgemeinen Verunsicherung stehen im Zentrum der Betrachtung die rasante Digitalisierung und die sich rundum verschärfende gesellschaftliche Polarisierung. Denkbar, sogar sehr wahrscheinlich, dass diese sich im Mix der Krisen noch verschärft. "Aber es könnte eben auch anders kommen." Auf der allerletzten Seite werden die diesbezüglichen Hoffnungen - "erfolgreiche Klimapolitik, menschenfreundliche Digitalisierung, gesellschaftlicher Zusammenhalt" - noch einmal benannt. Und selbst wenn sie enttäuscht würden, "wenn es ganz schlimm kommt", müssten wir "nicht notwendigerweise mit dem Hoffen aufhören" und resignieren. Dann käme Samuel Beckett zum Zug: "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern."
Wir sollten wohl Hans Jonas lesen
Es wird viel zitiert in diesem Buch. "Das Prinzip Hoffnung" von Ernst Bloch natürlich. Es ruhe mit seinen drei Bänden in unzähligen Regalen, selten wirklich bewältigt. Auch von Luks nicht. Die oft "schwülstige, orakelhafte Prosa", welche ein anderer Zeuge beklagt, mache es einem schwer. Doch ignorieren lasse sich dieser Meister des Visionären nicht. Weit aktueller wäre aber "Das Prinzip Verantwortung" von Hans Jonas, das ausdrücklich auf Bloch bezogen war. Es steht bei mir seit mindestens drei Jahrzehnten - seit ich das bestens erhaltene Buch mit dem "AUSGESCHIEDEN"-Stempel aus der Ramschkiste einer gut frequentierten Regionalbibliothek fischte. Aus einem hinten eingeklebten Blatt geht hervor, dass es nie ausgeliehen wurde; seitdem ist das 1979 verfasste Werk bei mir - weiterhin ungelesen. "Es geht bei Jonas um den Schutz des Menschen vor der eigenen Macht, den Planeten zu ruinieren", entnehme ich dem durch Luks gelieferten Extrakt. Er empfiehlt die Mahnungen des sozialphilosophischen Skeptikers als Korrektiv zum Überschwang von Bloch, der ein doch arg fortschrittsgläubiger Marxist war. Jonas halte diesem eine heute weit überzeugendere Vision entgegen, "die nicht auf Wachstum hofft, sondern auf Vorsicht und Schrumpfung baut". Obschon nun beide Texte alt sind, hätten sie uns "etwas über unsere Situation zu sagen", zudem sei "ein Gegenüberstellen und Zusammendenken" der beiden Hoffnungsvarianten für eine realistische Einschätzung verbleibender Möglichkeiten überaus produktiv.
Luks nutzt meist Quellen, die vielen zumindest flüchtig bekannt sind. Damit weckt er Erinnerungen, fügt zusammen. Ist ein Gedankengang neu, regt das vielleicht zum Nachlesen an. Die revolutionäre Rosa Luxemburg etwa ist mit dieser Aussage präsent: "Das Negative, den Abbau kann man dekretieren, den Aufbau, das Positive nicht. Neuland. Tausend Probleme. Erfahrung ist imstande, zu korrigieren und neue Wege zu eröffnen." Und noch ein schönes Stück so weiter. Luks wiederholt mit Ausrufezeichen: Neuland! 1000 Probleme! Auch der derzeitige Papst kommt vor; ein wertkonservativer Erneuerer, der dazu aufruft, sich bei aller Sorge um den Planeten die Freude nicht nehmen zu lassen. Da könne auch eine Atheistin oder ein Agnostiker etwas lernen. Gleichzeitig verbiete die Umwelt-Enzyklika dem Stammpublikum, "es sich im Glauben gemütlich zu machen". Und auch eine klare Kritik am "effizienzorientierten Paradigma der Technokratie" durchziehe den Text. Es wäre mehr auf Schönheit zu achten, selbst auf die "Schönheit der Herausforderung", unser gemeinsames Haus vor schweren Bedrohungen zu bewahren.
Gerade die differenzierte Technikkritik scheint mir im Zuge der aktuellen Debatten um einen Green New Deal wichtig. Einer der typischen, oft kommentarartig gesetzten Zwischentitel dazu: "Technikoptimismus ist naiv und gefährlich. Steuerungsoptimismus auch. Geschichtsvergessenheit sowieso." Hier wird es für Linke unbequem, die zwar gern etwas mehr Planung und den Kapitalismus irgendwie weg hätten, aber ohne Wohlstandseinbusse oder Änderung der Lebensweise. Leider seien bürokratischen Eingriffen statt dem versprochenen Segen allzu oft Diktatur und Desaster gefolgt. Auch selbstsichere Alternative neuerer Art, die kaum weniger ideologische Patentrezepte propagieren, mit Grundeinkommen sowie einer Gemeinwohl-Ökonomie jenseits von Markt und Staat, sich aber heiklen Detailfragen nicht stellen, kommen bei Luks ins Visier. Zu einfache Lösungen würden den komplexen Problemen einer von globalen Dynamiken geprägten Gegenwart schlicht nicht gerecht. Wir müssten zwar tatsächlich alles radikal hinterfragen und dann das, was nicht zu verantworten ist, benennen und stoppen. Zudem gilt es, motivierende Bilder der gewollten Zukunft zu entwickeln. Aber beim für die Transformation gleichzeitig bereits notwendigen Handeln wäre der Wandel "ergebnisoffen" zu gestalten. So mühsam ist die Demokratie, und wir brauchen eher mehr als weniger davon.
Haben wir Zeit zu verschwenden?
Während mir diese Gedanken grundsätzlicher Art durchwegs anregend, ermutigend, zuweilen auf gute Art provozierend schienen, fand ich das vorletzte Kapitel, wo der Autor sein ursprüngliches Fachgebiet anpeilt und "wirtschaftliche Zukünfte" skizziert, eher enttäuschend. Dass "das Ende von Business as usual" gekommen ist - geschenkt! Dass es bereits bei Klassikern wie John Stuart Mill und John Maynard Keynes wichtige Anstösse zum Erforschen einer möglichen Postwachstumsökonomie gegeben hätte, ist als Hinweis auf das Versagen seiner meist eindimensional an Expansion orientierten Gilde gewiss richtig. Doch dem folgt nicht mehr viel. Auch die "Horizonte der Hoffnung im Hier und Heute" zum Schluss wirken blass. Es wäre wohl mehr Raum nötig gewesen, um sie lebendiger, farbiger zu gestalten. Zudem vielleicht mehr Zeit? Zwar werde "zum Abwenden des Klimawandels" völlig zu Recht eine Temposteigerung gefordert, was Innovativität und politische Entschlusskraft betrifft. Aber gleichzeitig ist die allgemeine Beschleunigung einer der wesentlichen Treiber existentieller Umweltprobleme. Also liesse sich dagegen sagen: "Es könnte der Zukunft gut tun, ab und zu etwas Zeit zu verschwenden" - zum Nachdenken, zum intensiven Streit über richtige Wege. "Panik und Angst sind keine Zukunftsressourcen, Wissen und Reflexion dagegen schon." Sowie selbstverständlich Hoffnung.