In den letzten 200 Jahren ist das System menschlichen Wirtschaftens im Vergleich zum globalen Ökosystem relativ groß geworden. Rückwirkungen menschlichen Wirtschaftens auf die Umwelt, welche wiederum die Bedingungen des Wirtschaftens verändern, sind weder örtlich noch zeitlich abgrenzbar: Klimawandel und Ressourcenkrisen beruhen auf globalen, irreversiblen Dynamiken und sprengen Grenzen des Kontrollierbaren. Für die Methodik der angewandten Ökonomik spielt hingegen die Abgrenzbarkeit von Problemen eine große Rolle. Das Klima- und Ressourcenproblem bedeutet aus diesen Gründen eine historische Herausforderung für die Ökonomik als Gesellschaftstheorie und als theoretische Basis für politische Praxis. Denn bei den Mechanismen der Klima- und Ressourcenpolitik geht es auch um die institutionelle Neugestaltung im Großen, nicht um kleine Reformen innerhalb bestehender Institutionen.
Was ist angesichts dieser Herausforderungen zu tun? Das Jahrbuch 9 versammelt Beiträge, die sich sowohl der theoriestrategischen als auch der praktischen Seite dieser Herausforderungen annehmen. Sie differenzieren dabei die verschiedenen Ebenen des institutionellen Umgangs mit ökologischer Nachhaltigkeit.
Vorwort
Richard Sturn
Die Natur der Probleme – Institutionen ökologischer Nachhaltigkeit
Bernd Meyer
Ressourcenproduktivität und Klimaverträglichkeit – Instrumentenwahl und ihre Wechselwirkungen
Werner Güth & Hartmut Kliemt
Sozial-ökologische Dilemmata und ihre experimentelle Analyse
Hans-Peter Weikard
Towards a global climate constitution
Achim Schlüter & Björn Vollan
Ohne Moral keine Institutionen ökologischer Nachhaltigkeit – eine empirische Untersuchung anhand eines Marktes, der sich auf Moral verlässt: Blumen zum Selbstschneiden
Frank C. Krysiak
Nachhaltigkeit, Risiko und Diskontierung
Rudolf Dujmovits
Ökonomik der ökologischen Nichtnachhaltigkeit – die Logik erschöpfbarer Ressourcen und die Fallstricke des technologischen Optimismus
Hans Christoph Binswanger
Die Wachstumsspirale in der Krise – Ansätze zu einer nach-haltigen Entwicklung
Adelheid Biesecker, Sabine Hofmeister & Irmi Seidl
Ökonomie und Naturnutzung: Emeuerbare Energien – Produktivität und Reproduktivität von Natur und Ökonomie
Christian Pfeifer
Ökologische Nachhaltigkeit und Arbeitsmärkte
Ekkehard Hofmann
Nachhaltigkeit im Recht der WTO – Bestandsaufnahme, Entwicklungsmöglichkeiten, Grenzen
Kerstin Odendahl
Bestrebungen zur Gründung einer Weltumweltorganisation – aus der Sicht eines juristisch kohärenten Institutionensystems
"Der Anwendungshorizont moderner Ökonomik", schreibt Sturn einleitend, "ist leistungsfähig im Hinblick auf relativ kleine, partial abgrenzbare, effizienztheoretisch lösbare Probleme" (34). Die globalen Klimaveränderungen und Ressourcenverknappungen hingegen stellen die Disziplin vor große Herausforderungen, da es sich hierbei um umfassende Problemlagen mit komplexen Wechselwirkungen in langfristiger Perspektive handelt. Die Leistungen und Grenzen der Ökonomik in ihrer politikberatenden Rolle im Themenfeld ökologischer Nachhaltigkeit auszuloten und Ansatzpunkte zur Überwindung ihrer Defizite aufzuzeigen, ist das Ziel dieses Jahrbuchs, das im Wesentlichen aus einer Veranstaltung an der Akademie Tutzing im März 2009 resultiert. In den Beiträgen geht es um forschungsstrategische und theoretische Fragestellungen sowie um institutionelle Aspekte von Nachhaltigkeit. Kritik erfährt die gegenwärtige umweltpolitische Diskussion, die sich einseitig auf die Reduzierung von CO2-Emissionen beschränkt, dafür aber neue Probleme schafft, wie Bernd Meyer darlegt. Seiner Meinung nach müsse parallel "das Ziel der Vermeidung des Ressourcenverbrauchs" (59) verfolgt werden. Hans Christoph Binswanger setzt sich mit dem Wachstumszwang kapitalistischer Marktwirtschaften auseinander und unterbreitet Vorschläge zur Reform des Geldsystems und des Unternehmensrechts. Er plädiert für eine Aufwertung des Stiftungs- und Genossenschaftsgedankens, da die Aktiengesellschaft "mit ihrer hohen Spekulationsanfälligkeit und ihrem immensen Wachstumsdrang nicht (mehr) den heutigen Erfordernissen entspricht" (199). Ekkehard Hofmann deckt Asymmetrien zulasten des Umweltschutzes im WTO-Recht auf. Abhilfe könne seiner Meinung nach die Gründung einer Weltumweltorganisation schaffen. Diese Ansicht teilt auch Kerstin Odendahl, die derartige Bestrebungen aus juristischer Sicht betrachtet. Nach der Bedeutung der Moral für eine Politik der Nachhaltigkeit fragen Achim Schlüter und Björn Vollan. Sie stellen die Ergebnisse einer kleinen empirischen Studie vor und gelangen zu der Erkenntnis, dass "bei der Regulierung von Umweltproblemen nicht ausnahmslos auf (monetäre) Anreize gesetzt werden darf" (124).