Aus der Einleitung der Hg.:

Während die Gewerkschaften in Deutschland besonders im produzierenden Gewerbe als gut organisiert gelten, sind die wenigsten Arbeitnehmer*innen im stetig wachsenden tertiären Sektor Mitglied einer Gewerkschaft. Auffallend ist zudem, dass der Organisationsgrad besonders in den Bereichen sehr niedrig ist, in denen vorrangig Frauen erwerbswirtschaftlich tätig sind. Ausgehend von diesen Beobachtungen widmet sich Wolfgang Schroeder in seinem Beitrag den gewerkschaftlichen Repräsentationslücken in den Branchen sozialer Dienstleistungen. Zunächst hält Schroeder fest, dass eine weibliche Repräsentationslücke über die Sektoren hinweg besteht. Dies liege hauptsächlich daran, dass Frauen großenteils in Kleinbetrieben oder tariffreien Dienstleistungsfirmen beschäftigt sind und sich oftmals in prekären Arbeitsverhältnissen befinden. Zudem sind viele Frauen aufgrund der ihnen primär zugewiesenen familialen Verpflichtungen oftmals nicht in der Lage, sich stärker in Gewerkschaften oder Betriebsräten zu engagieren. Dass die Interessenvertretung in der erwerbswirtschaftlich organisierten Altenpflege besonders lückenhaft ausfällt, erklärt sich zusätzlich dadurch, dass derartige Dienstleistungen traditionell von (meist weiblichen) Angehörigen oder auch von Ordensfrauen als unentgeltlicher „Liebesdienst“ erbracht wurden. Da dieses Leitbild auch weiterhin vorherrschend sei und dazu beitrage, dass der Professionalisierungsprozess der Altenpflege eher schleppend verlaufe, bleibe der Aufbau starker gewerkschaftlicher Strukturen bislang aus. Dabei wäre eine starke Interessenvertretung der Arbeitnehmer*innen in der Pflegebranche vor dem Hintergrund schlechter Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitsbedingungen nicht nur für die Altenpfleger*innen selbst, sondern auch gesellschaftlich höchst wünschenswert. Schließlich dürfte es ohne eine Attraktivitätssteigerung des Altenpflegeberufs in Zukunft unmöglich werden, steigende Pflegebedarfe abzudecken. Mit Blick auf die aktuelle Debatte um Pflegekammern plädiert Schroeder daher für eine Interessenvertretung „von unten“. Eine einseitige Reformpolitik „von oben“ laufe nämlich Gefahr, die Selbstorganisation der Arbeitnehmer*innen in der Altenpflege weiter zu blockieren.