"Wirtschaftswissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung" · Band 4
391 Seiten
36,80 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-89518-663-9
(Februar 2008)
Menschen vom nachhaltigen Konsum zu überzeugen, ist nicht einfach. Aber einfach nur auf die Kraft irgendwelcher kleiner Schritte zu hoffen, ist zu wenig. Der Autor zeigt mit seinem Konzept der "Key Points", wie Konsumentscheidungen - statt als Privatsache zu versanden - zum Motor für politische und strukturelle Veränderungen werden können. Hierzu stellt er das Wechselverhältnis von Konsum und Politik in das Zentrum seiner Analyse. Ausgehend von der Theorie ökologisch-sozialer Dilemmata und der Strukturationstheorie entwickelt der Autor - ohne sich in theoretischen Differenzierungen zu verlieren - ein Strategiekonzept, das die Identifikation von besonders Erfolg versprechenden Tipps zum nachhaltigen Konsum ermöglicht. Die konzeptionellen Überlegungen werden durch zwei empirische Studien bestärkt und beispielhaft konkretisiert.
Die strategische Herangehensweise liefert erfrischend neue Perspektiven für die leidige Debatte über die Notwendigkeit individueller Lebensstiländerungen und besticht durch zwei klare Botschaften: "Das Wichtigste zuerst!" und "Strukturen statt Menschen ändern!". Oder in den Worten des Autors: Von "Peanuts" über "Big Points" zu "Key Points" nachhaltigen Konsums. Ein vielversprechender Ansatz für Theorie und Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation!
"Ist es sinnvoll, konventionelle Leuchtmittel im eigenen Haushalt gegen Energiesparlampen auszutauschen oder sollte doch eher der Zweitwagen abgegeben werden? Im einen Fall sind Alternativen zu suchen und zu bewerten, im anderen sind darüber hinaus Verhaltensweisen zu ändern, Strukturen anders zu nutzen. Wie also lassen sich angesichts etablierter Lebensstile und begrenzter Zeit- und Finanzressourcen die "richtigen" Hinweise identifizieren, kommunizieren und umsetzen?
Michael Bilharz nähert sich diesem Problemfeld aus verbraucherpolitischer Sicht und fokussiert die Gestaltung effektiver Nachhaltigkeitskommunikation. Er geht von der Annahme aus, dass aktivierende Verbraucherpolitik dann eine effektive Kommunikation betreiben kann, wenn eine Prioritätensetzung zugunsten relevanter und wirkungsvoller Alternativen erfolgt. Dies ist plausibel, aber nicht trivial. Anhand der Theorie ökologisch-sozialer Dilemmata zeigt der Autor, dass das Spannungsfeld zwischen Individual- und Kollektivnutzen das zentrale Problem nachhaltigen Konsums ist. Nachhaltigkeit wird als Kollektivgut aufgefasst, das eben nicht im Sinne einer "Philosophie der kleinen Schritte" erreicht wird. Konsum als Handlung unterliegt den gegebenen Strukturen und bedingt sie zugleich.
Ähnlich wie Uwe Schneidewind Unternehmen als aktive strukturpolitische Akteure interpretiert, sieht Michael Bilharz ein erhebliches verbraucherpolitisches Gestaltungspotenzial bei den Konsumenten. Mit der Option des "Anders-handeln-Könnens" lassen sich gegebene Strukturen durch nachhaltigen Konsum zu dessen Gunsten verändern.
Welches sind Konsumoptionen, die helfen, diese Spirale in Gang zu setzen? Und werden diese Optionen in der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation prioritär behandelt? Für die Beantwortung dieser zentralen Fragen entwickelt Michael Bilharz ein eigenes Strategiekonzept, die best ecological strategies, kurz BEST. Dieses Strategiekonzept stellt ein Reflexionsmodell zur Begründung einer handlungsleitenden Hierarchie von Konsumoptionen dar. In der Auseinandersetzung mit BEST wird deutlich, was die kleinen kleinen Schritte ("Peanuts") und die "großen kleinen Schritte" ("Big Points”) sind und welcher Art die Schritte auf dem Weg zu nachhaltigem Konsum im engeren Sinne sind ("Key Points").
Drei Strategien werden ausgearbeitet, die unterschiedliche struktur- und handlungsverändernde Ansätze bereithalten. Hinter diesem Strategiekonzept steckt die konzeptionelle Leistung, komplexe Zusammenhänge zwischen individuellem Konsumhandeln und übergeordneten Konsumstrukturen tiefgehend analysiert und einer politisch-strategischen Veränderung zugänglich gemacht zu haben. Die "Key Points” dieser Veränderung werden mit einer weiteren Konzeption des Autors identifizierbar. Vorgeschlagen wird ein Bewertungsansatz, der Konsumoptionen anhand der Kriterien Relevanz, Dauerhaftigkeit und Außenwirkung beurteilt. Tipps, die diesen Bewertungskriterien entsprechen, bieten eine Chance auf wirklich nachhaltigen Konsum. Auf Basis des Bewertungsansatzes wurden zwei explorative Studien durchgeführt. Einerseits wurden Ratgeber untersucht; mit dem Ergebnis, dass eine eindeutige Prioritätensetzung bei diesem Kommunikationsinstrument bisher nicht stattfindet. Andererseits wurden Konsumenten befragt. Identifiziert wurden "heiße Eisen” und "Key Points". Doch wie bei den Ratgebern mangelt es bei den Tipps unter Konsumenten an klaren Prioritäten.
Michael Bilharz hat mit seiner Dissertation die Parole "Das Wichtigste zuerst" ausführlich begründet und deutlich gemacht, weshalb eine Prioritätensetzungder Schlüssel zu einem nachhaltigen Strukturwandel sein kann. Die gewonnenen Erkenntnisse sollten sich in Theorie und Praxis zügig verbreiten. Bleibt zu hoffen, dass sie eine hohe Resonanzfähigkeit aufweisen, ebenso wie die Tipps zum nachhaltigen Konsum.
Auf die eingangs formulierte Frage könnte man nach Lektüre dieses Buches vielleicht wie folgt antworten: Ja, es macht Sinn, in Kleinstarbeit jedes konventionelle Leuchtmittel durch eine Energiesparlampe auszutauschen, und ja, auf den geliebten Zweitwagen sollten wir auch verzichten. Im Sinne der Parole von Michael Bilharz wäre der erste Schritt, umgehend den Zweitwagen zu opfern. Die kleineren Beiträge der Energiesparlampen können wir später immer noch realisieren. Doch sind wir schon soweit?"
"Menschen vom nachhaltigen Konsum zu überzeugen, ist nicht einfach. Aber einfach nur auf die Kraft irgendwelcher kleiner Schritte zu hoffen, ist zu wenig. Der Autor zeigt mit seinem Konzept der "Key Points", wie Konsumentscheidungen - statt als Privatsache zu versanden - zum Motor für politische und strukturelle Veränderungen werden können. Hierzu stellt er das Wechselverhältnis von Konsum und Politik in das Zentrum seiner Analyse.
Bilharz schreibt zu Recht, dass die Diskussion über die gesellschaftliche Notwendigkeit veränderter Konsummuster schnell von den Beteiligten als persönliche Schuldzuweisung interpretiert wird. Statt nachhaltiges Konsumverhalten auszulösen, erntet man persönliche Rechtfertigungen für anderes Verhalten.
Wie er mittels Befragung feststellt, gibt es beim individuellen Gesamtenergieverbrauch eine Differenz zwischen den besten und schlechtesten von 48.000 kWh/a, was fast dem Durchschnittsverbrauch von 53.000 kWh/a bei den Umfrageteilnehmern entspricht. 75 % der Differenz im Gesamtenergieverbrauch zu anderen Interviewpartnern lassen sich auf Unterschiede im Heizenergieverbrauch, in der Wohnart sowie in den gefahrenen Kilometern zurückführen. Er merkt an, dass es wichtig ist die Änderung des Konsumverhaltens neben dem Einkauf auch auf die Bereiche Nahrung (Verzicht auf Fleisch) oder Entsorgung zu beziehen. Vielen Bürgern ist dies nicht verinnerlicht. Dafür muss das Bewusstsein bei den Menschen geweckt werden. Nach seiner Ansicht ist eine Radikale Absenkung des heutigen Konsumniveaus erforderlich. Weil dies von heute auf morgen nur schwer möglich ist, muss aus der "Philosophie der kleinen Schritte" die "Philosophie der entscheidenden Schritte" entwickelt werden.
Der Erfolg von Maßnahmen darf bei der Einsparung von Energie nicht an Einzelbeispielen festgehalten werden sondern muss an der Gesamtbilanz (alle Bereiche) evaluiert werden. Um den Gesamtverbrauch zu reduzieren, bedarf es nach Ansicht Bilharz's einer kollektiven Änderung und nicht nur individueller Lösungen. Auf den Weg dahin müssen falsche Strukturen geändert werden, wie sie z.B. im Bereich der Mobilität anzutreffen sind. Das Ziel eines nachhaltigen Konsums kann nur erreicht werden, wenn die individuelle Voraussetzungen sowie individuelle Restriktionen berücksichtigt werden (u.a. mangelnde finanzielle Mittel bei den Bürgern).
Seine Botschaft ist provozierend einfach: Von "Penuts" über "Big Points" zu "Key Points" nachhaltigen Konsums. Zu letzteren zählt die Wärmedämmung von Gebäuden, Investitionen in erneuerbare Energien, Kraftstoff sparende Autos, CarSharing, gemeinsame Wohnformen im Alter sowie der Einkauf von Bio-Lebensmitteln.
Durch nachhaltigen Konsum müssen nach Auffassung des Autors persönliche Vorteile (Förderung erneuerbarer Energien,...,), die auch von Dritten im Umfeld so wahrgenommen werden entstehen. Erfolge und Verbräuche müssten seiner Ansicht nach sichtbar gemacht werden.
Die Herangehensweise liefert erfrischende Perspektiven für die Debatte über die Notwendigkeit individueller Lebensstilländerungen.