390 Seiten
36,80 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-89518-377-5
(Mai 2002)
Das Verhältnis zwischen der Ökonomik und den übrigen Sozialwissenschaften ist in Bewegung geraten. Innerhalb der Ökonomik hat die experimentelle Wirtschaftsforschung den Nachweis geführt, dass sich der Homo Sapiens in wirtschaftlichen Entscheidungssituationen erheblich anders verhält als der Homo Oeconomicus. Außerhalb der Ökonomik hat die »Neue Wirtschaftssoziologie« das Erklärungsmonopol der Ökonomik auf ihrem ureigensten Territorium, der Analyse des Marktes, in Frage gestellt. Schließlich ist der Rational Choice Theorie in den kulturtheoretischen Ansätzen auf der Ebene der Handlungstheorie ein ernstzunehmender Konkurrent entstanden.
In dem so abgesteckten Feld bewegen sich die Beiträge des vorliegenden Bandes. Sie erkunden das unübersichtlich gewordene Terrain auf neuen und kaum begangenen Pfaden: Wo festgefügte Fronten in Bewegung geraten, wo die Verhältnisse zu Tanzen beginnen, entsteht ein Spielraum für neuartige Synthesen, Änderungen der Blickrichtung und überraschende Nachbarschaften, über die Gräben verschiedener Fachdisziplinen und ökonomischer Schulen hinweg.
"Der Marburger Metropolis Verlag macht bereits seit einigen Jahren mit einem Verlagsprogramm auf sich aufmerksam, das den Schwerpunkt auf die institutionalistische Tradition der Wirtschaftswissenschaften legt. Damit konzentriert sich der Verlag auf einen Bereich, der in der Disziplin heute nur noch randständig ist. Jene ökonomischen Ansätze, die gerade den Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Handeln und Gesellschaft in den Mittelpunkt rücken, gerieten im 20. Jahrhundert immer stärker in die Defensive. Sie wurden von hochgradig formalisierten Modellen der Gleichgewichtstheorie verdrängt, die den sozialen Kontexten des homo oeconomicus keine systematische Bedeutung für die Theoriebildung mehr beimessen.
Nur wenige Wirtschaftswissenschaftler hielten an der institutionalistischen Tradition fest. Diese Entwicklung der ökonomischen Theorie ist aus soziologischer Perspektive auch deshalb misslich, weil gerade zur institutionalistischen Schule besonders gute interdisziplinäre Anknüpfungspunkte bestehen. Institutionalismus und Wirtschaftssoziologie haben eine weitgehend übereinstimmende Perspektive in der Untersuchung wirtschaftlicher Strukturen und Prozesse. Vor diesem Hintergrund ist es kein Zufall, dass ein Band, der das Verhältnis zwischen Wirtschaftswissenschaften und anderen Sozialwissenschaften zum Thema hat, beim Metropolis Verlag erscheint.
Der Sammelband entstammt einer Tagung des Arbeitskreises Politische Ökonomie. Anliegen des Bandes ist es, wie die Herausgeber in der Einleitung betonen, von den anderen Sozialwissenschaften für die Weiterentwicklung der 'Ökonomik' zu lernen. Die Wirtschaftswissenschaften, so die Beobachtung, haben seit den siebziger Jahren deutlich an öffentlichem Einfluss verloren, was auch auf Entwicklungen im eigenen Fach zurückzuführen sei. Zu sichten, was sich von anderen Disziplinen lernen lässt, ermögliche, fruchtbare Anregungen zu erhalten. ... Wenngleich die Autoren der Beiträge, zumal wenn sie sich explizit mit Debatten in der Soziologie oder der Politikwissenschaft beschäftigen, eine differenziertere Position einnehmen, hat der Band eine insgesamt eher einseitige Perspektive, die den Blick von der Ökonomie auf andere Sozialwissenschaften richtet. Dies ist nicht zu beanstanden, wenn es nur um das Lernen für die 'Ökonomik' geht. Sollte es jedoch auch um Anstöße für einen interdisziplinären Diskurs gehen, dann müsste die undifferenzierte Frontstellung von Wirtschaftswissenschaften auf der einen Seite und Sozialwissenschaftlern auf der anderen durch eine pluralistischere Konzeptualisierung ersetzt werden.
Da der Band aber zunächst einmal auf das Lernen der Ökonomen selbst zielt, kann legitimerweise die Rezeption soziologischer, politikwissenschaftlicher, juristischer und ethnologischer Diskurse zur Wirtschaft im Vordergrund stehen. Hier liegt jedoch auch ein Schwachpunkt des Bandes. Denn einige der Beiträge beziehen sich allein auf die Diskurszusammenhänge der heterodoxen Ökonomie, ohne die Debatten in anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen tatsächlich aufzunehmen und zu verarbeiten. ... Diese Selbstbezüglichkeit, die sich auch bei anderen Beiträgen findet, wird dem Vorhaben des Bandes nicht gerecht. Andererseits zeigt sich an der Stärke einiger jener Beiträge, die sich tatsächlich auf die Diskurse anderer Sozialwissenschaften einlassen, was durch eine solche Öffnung gewonnen werden kann.
Dies gilt etwa für den Beitrag von Stephan Panther, der die Diskussion um das Konzept des Sozialkapitals nachzeichnet und dabei typologisierend die spezifischen Sichtweisen von Soziologie, Politikwissenschaft und Wirtschaftswissenschaften aufzeigt. Während sich in der Soziologie insbesondere die Netzwerkperspektive durchgesetzt habe, werde in der Politikwissenschaft das Konzept viel stärker mit zivilgesellschaftlichen Vereinigungen verbunden. In den Wirtschaftswissenschaften setze sich hingegen die Verbindung mit dem Thema Vertrauen durch. Diese disziplinären Interpretationen des Konzepts erklärt Panther mit der jeweils besonders guten Anschlussfähigkeit an in der Disziplin bestehende Methoden und Problemstellungen. So würden z. B. die Wirtschaftswissenschaften die Verbindung zwischen Sozialkapital und Vertrauen herstellen, weil sich damit direkt an ökonomische Modellierungsstrategien anschließen lässt. Panthers wichtigster Punkt ist jedoch, dass in der konkurrierenden Verwendung des Konzepts ein Potential für den interdisziplinären Diskurs enthalten sei. Eine Einigung auf eine eindeutige Verwendungsweise des Begriffs Sozialkapital sei aufgrund der Verbindung mit verschiedenen intellektuellen Traditionen nicht zu erwarten und darüber hinaus auch gar nicht wünschenswert. Denn gerade durch die Unterschiede könnten aus der 'gemeinsamen Frageperspektive' kreative Anstöße entstehen. ..."
Auch der theoretisch wohl interessanteste Beitrag des Sammelbandes, der Artikel von Anne van Aaken zum Entwurf einer deliberativen Institutionenökonomik, beruht auf der Verbindung von zwei Literaturen - der des neuen ökonomischen Institutionalismus und der der Diskurstheorie. Van Aaken stellt sich die Frage, welche Bedeutung die Strukturpräferenz- und kognitionsbeeinflussender Diskurse zu gesellschaftlichen Koordinationsprozessen für die Institutionengestaltung hat. Wenn es so sein sollte, dass sich Präferenzen (und Kognitionen) in einem diskursiven Kontext bilden, dann werden, so die Überlegung der Autorin, die Bedingungen des Deliberationsprozesses selbst für die Erklärung ökonomischer Outcomes relevant. Die Diskursbedingungen müssen dann bei der Institutionengestaltung Berücksichtigung finden. Damit löst sich van Aaken nicht nur von der ökonomischen Auffassung, der zufolge Präferenzen einfach gegeben sind, sondern lässt auch die Vorstellung hinter sich, Präferenzen seien mit Verweis auf vorgängig bestehende Normen zu erklären. ..."
Deliberative Institutionenökonomik oder: Argumentiert der homo oeconomicus ?
Sein oder Sollen
Wirtschaft als kreativer Prozess
Makroökonomik der Seele?
Das Elend der theoretischen Wirtschaftspolitik - gibt es einen "evolutorischen" Ausweg "
Sozialkapital
"Mikroverhalten" im gesamtwirtschaftlichen Kontext
Menschliches Handeln und marktwirtschaftliche Strukturen
Chancen und Grenzen einer anreizorientierten Umweltpolitik
Zwischen öffentlicher Meinung und ökonomischer Vernunft
Ökonomische Akteure