"Ethik und Ökonomie" · Band 20
824 Seiten
36,80 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-7316-1267-4
(Mai 2017)
Hardcover, Fadenheftung, Register
"Verantwortlich wirtschaften" - was heißt das? Eine Antwort auf diese Frage setzt erstens voraus, dass einige ethische Grundbegriffe geklärt werden. Zweitens muss sie die ethisch relevanten Handlungsbedingungen in einem marktwirtschaftlichen System reflektieren, und drittens hat sie die Handlungsmöglichkeiten unter diesen Bedingungen auszuloten.
Diesen Herausforderungen sind die drei Teile des vorliegenden Buches gewidmet. Ein erster Teil befasst sich mit den Grundlagen und Methoden einer ethischen Urteilsbildung. Hier entsteht eine Weichenstellung durch die Frage, ob das ethische "Sollen" ausschließlich an den Interessen der jeweiligen Handlungssubjekte festgemacht werden kann, oder ob diesen Interessen subjekt-unabhängige Orientierungspunkte vorgegeben sind. Aus der letztgenannten Perspektive werden im zweiten Teil die Institutionen einer Gesellschaftsökonomie beurteilt: die Institution des Wettbewerbs sowie die Regelsysteme, die dem Ziel der "Gerechtigkeit", der "Nachhaltigkeit" und der "Stabilität" gewidmet sind. Der dritte Teil befasst sich mit unternehmensethischen Fragen. Die moralische Verantwortung des Unternehmens beschränkt sich nicht auf eine gesetzeskonforme Gewinnerzielung unter den Bedingungen des marktwirtschaftlichen Systems. Sie umfasst auch freiwillig erbrachte Leistungen, die auf soziale und ökologische Ziele bezogen sind. Dieser Verantwortung kann ein Unternehmen durch glaubwürdige Selbstverpflichtungen sowie durch eine ethik-freundliche Organisationsstruktur und Unternehmenskultur nachkommen. Als "Corporate Citizens" sind Unternehmen außerdem mitverantwortlich für die Gestaltung der Ordnungsregeln, unter denen sie ihre erwerbswirtschaftlichen Ziele verfolgen.
"Das umfassende Werk ist von einer systematisch überzeugenden Stringenz und kann zugleich als Handbuch verwendet werden, indem es verlässlich zu einer Vielzahl wirtschaftsethisch relevanter Themen informiert und zudem durch Fallbeispiele immer wieder dazu anregt, entsprechende Fragestellungen konkret zu diskutieren. ...
Auch wenn man eine gewisse harmonisierende Tendenz bei der Zusammenführung dieser ethischen Traditionen kritisch anmerken kann, ist es Sautter insgesamt überzeugend gelungen, unter dem Leitbegriff der »Verantwortung« seine Überlegungen zu einem plausiblen Ethikkonzept zu bündeln. Dieses Konzept vermittelt er in einem letzten grundlagentheoretischen Abschnitt mit der ökonomischen Rationalität, indem er - äußerst kenntnisreich mit vielen Bezügen zur Geschichte des volkswirtschaftlichen Denkens - auf dem Weg einer »gegenseitige Ergänzung und Infragestellung« (164) von Ethik und Ökonomik Möglichkeiten einer »Verständigung über ein ethisch legitimes und zugleich ökonomisch rationales Handeln« (169) aufzeigt. Das Ziel ist die jeweilige Erarbeitung eines »Überlegungsgleichgewichts« (173 u.a.), das »bestenfalls eine stabile Übergangslösung darstellt« (175) und insofern Wirtschaftsethik als einen nicht abschließbaren Dialogprozess versteht. Grundlegend für dieses Konzept ist die kulturelle Einbettung wirtschaftlichen Handelns und eine entsprechende »Mediatisierung der wirtschaftlichen Güter« (148), d.h. ihre Zuordnung zu einem »höchsten Gut« (ebd.), das von unterschiedlichen umfassenden Weltdeutungen bestimmt sein kann.
Im Rahmen der Ethik gesamtwirtschaftlicher Institutionen stellt Sautter gegen jede Form einer naturgesetzlichen Sicht auf wirtschaftliche Abläufe einerseits sowie im kritischen Gegenüber zu einer allein auf dem Eigeninteresse beruhenden Legitimation des Marktgeschehens andererseits die Bedeutung ethischer Wertentscheidungen für die Ordnungspolitik heraus. In Anknüpfung u.a. an die sog. Freiburger Denkschrift des Bonhoeffer-Kreises aus dem Jahr 1943 rekonstruiert er die Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft, welche begründete moralische Ansprüche und ökonomische Funktionsprinzipien mit dem Ziel einer Integration »des Sozialen und (des) Wirtschaftlichen« (232) verknüpft hat. Die Notwendigkeit eines solchen ordnungspolitischen Gestaltungswillens ergibt sich aus der »ethischen Ambivalenz des Marktsystems« (237).
Exemplarisch zeigt das Beispiel der internationalen Finanzmärkte die Notwendigkeit einer Ordnungspolitik, um unter ethischen Gesichtspunkten legitimierbare Wettbewerbsbedingungen herzustellen (272ff). Diese Fragestellung wird in drei umfangreichen Kapiteln diskutiert, indem die Herausforderung der sozialen Gerechtigkeit, die Bedeutung der Nachhaltigkeit und die Beachtung sozialer und ökologischer Standards in den internationalen Handelsbeziehungen analysiert werden. Sautter verteidigt - gegen von Hayek u.a - die Idee der sozialen Gerechtigkeit als »unverzichtbar« (339) und stellt die Politik vor die Aufgabe, »einen Ausgleich zwischen der Effizienz des Marktes und einer gerechten Verteilung des Marktergebnisses herbeizuführen.« (339) Im nationalstaatlichen Kontext ist dies grundsätzlich möglich und in der Sozialen Marktwirtschaft zumindest in Ansätzen erfüllt worden. Auf der Ebene der internationalen Beziehungen herrscht jedoch ein gravierendes Institutionendefizit, weshalb Sautter von einem kaum lösbaren, »globalen >Nachhaltigkeits-Trilemma<«(731 u.a.) spricht. Dies bedeutet, dass nach wie vor »das Wachstum eines ressourcenintensiven Wohlstands sehr viel höher gewichtet wird, als die Erhaltung funktionsfähiger Ökosysteme und die Verwirklichung einer inter- und intragenerationellen Gerechtigkeit« (731) Sautter bemängelt, »dass es bisher keine effizienten und ethisch akzeptablen Lösungen« (731) für diese Problematik gibt.
Hermann Sautter hat ein Standardwerk zur Wirtschaftsethik vorgelegt, dessen Ziel es ist, Annäherungen an die »Erwartung, die Wirtschaft möge >lebensdienlich< sein« (729), zu vermitteln. Er zeigt in seinem Werk - nicht zuletzt durch die vielen Fallbeispiele - instruktiv die Ursachen der mangelnden Umsetzung wirtschaftsethischer Einsichten sowie systematische und praktikable Wege zur Annäherung an eine lebensdienliche Wirtschaft auf.
"Hermann Sautter, Professor em. für Volkswirtschaftstheorie und Entwicklungsökonomik, setzte sich als Volkswirt und Südamerika-Experte seit vielen Jahren intensiv mit Fragen der Wirtschaftsethik, Unternehmensethik sowie mit ethischen Fragen rund um Globalisierungsprozesse auseinander. Im vorliegenden Werk vertraut er der interessierten Öffentlichkeit auf gut 800 S. sein Opus Magnum an. Es handelt sich um ein hervorragend strukturiertes, mit Fallbeispielen illustriertes, auch für den Nicht-Experten gut lesbares, ebenso umfassendes wie detailliertes Fachbuch zur Wirtschaftsethik. Eine klare Gliederung, Querverweise, leicht auffindbare Zusammenfassungen und übersichtliche Register ermöglichen rasche Orientierung. Bei der Auswahl von fast 50 Fallbeiträgen beweist Sautter in der Mischung klassischer und aktueller Fälle ein gutes Gespür. Seine Eigenart, andere Autoren und deren Theorien immer auf Basis ihrer jeweiligen Quellschriften deskriptiv einzuführen und sie dann erst in seiner kritischen Würdigung der eigenen Theoriebildung zugänglich zu machen, ermöglicht es dem Leser, das Buch auch als Handbuch zu nutzen.
Sautters prinzipieller Zugriff auf Wirtschafts- und Unternehmensethik zeichnet sich dadurch aus, dass für ihn Ethik und Ökonomik gleich wertvolle Partner sind: Wirtschaftsethik definiert er als "gegenseitige Ergänzung und Infragestellung" (21) von Ethik und Ökonomik. Nur so lässt sich eine effiziente Verwirklichung ethisch vorzugswürdiger Ziele erreichen, die die unvermeidbaren Nebenfolgen jeder Zielerreichung im Blick hat, ohne sich dabei den Primatansprüchen ökonomischer Sachgesetzlichkeit zu unterstellen. Er verwehrt sich gegen jede Form der Vereinseitigung dieses Verhältnisses, bei der Ethik und Ökonomik ihre "spiegelbildliche[n] Funktionen" (175) verlieren. So darf Wirtschaftsethik nicht zur "Fundamentalkritik an der Ökonomik" werden. Stringentes Effizienzkalkül kann sehr wohl lebensdienlich wirken (185) und dabei helfen, die "Wertkonflikte, die bei begrenzten Möglichkeiten und einer Vielzahl angestrebter Ziele unvermeidlich sind, zu lösen" (175).
In gleicher Weise darf Wirtschaftsethik aber auch nicht als "Moralökonomie" auf Normativitätsforderungen gegenüber Individuen verzichten und Moral ausschließlich im ökonomischen Vorteilskalkül aufgehen lassen (195), denn die Individualmoral ökonomischer Akteure steht in einem wechselseitigen Beeinflussungsverhältnis mit den jeweiligen Rahmenordnungen (36) ...."
"Mit dieser Veröffentlichung hat der emeritierte Göttinger Professor für Volkswirtschaftslehre, Hermann Sautter (geb. 1938), ein umfangreiches und umfassendes Werk zur Wirtschafts- und Unternehmensethik vorgelegt, das auf seiner reichen Erfahrung als ethisch reflektierender Ökonom, als engagierter Entwicklungsexperte und letztlich auch als evangelischer Christ beruht (er war lange Jahre Vorsitzender der Kammer für kirchlichen Entwicklungsdienst der EKD). Sautter nahm auch regelmäßig als aktives Mitglied im Ausschuss ›Wirtschaftswissenschaften und Ethik‹ des Vereins für Socialpolitik an den dort stattfindenden wichtigen Debatten zum Thema teil und hat außerdem nach seiner Emeritierung über viele Jahre hinweg in Göttingen Vorlesungen zur Wirtschafts- und Unternehmensethik gehalten.
Das Buch besteht aus drei Teilen. In Teil A werden in einer für die wirtschaftsethische Literatur außergewöhnlich weit ausgreifenden und zugleich sehr differenziert reflektierenden Weise die Grundlagen und Methoden ethischer Urteilsbildung erläutert. In Teil B geht es um die Wirtschaftsethik als Strukturen- und Institutionenethik. Sautter befasst sich hier mit der Ethik gesamtwirtschaftlicher Institutionen, also dem Markt als Koordinationsraum der ökonomischen Akteure und den Rahmenbedingungen, die er braucht, um funktionieren und die gesellschaftlich erwünschten und aus ethischer Sicht erforderlichen Ergebnisse hervorbringen zu können. Teil C reflektiert das Handeln der wirtschaftlichen Akteure, vor allem der Unternehmen; dies ist also der im engeren Sinn unternehmensethische Aspekt der Wirtschaftsethik. Zwischen die verschiedenen Kapitel eingestreut finden sich insgesamt 49 interessante Fallbeiträge, in denen historische Beispiele (z.B. zum Thema Christentum und Sklaverei), die ethisch problematische Praxis einzelner Unternehmen (Siemens, Nestlé, Shell etc.), Einzelphänomene wie zu hohe Managergehälter oder aktuelle Debatten wie die um das zunehmende Land Grabbing in Afrika und viele weitere Aspekte thematisiert werden.
Im grundlegenden Teil A (27-198), in dem sich Sautter u.a. stark auf Michael Quante stützt, werden wichtige ethische Grundfragen (z.B. die Frage, warum man überhaupt moralisch handeln solle) sowie die Positionen von Aristoteles, Grundzüge einer christlichen Ethik, die Moralphilosophie Kants, der Utilitarismus und die Diskursethik vorgestellt. Dabei wird klar, dass Sautter am ehesten mit einer gemäßigten Form von Diskursethik sympathisiert, wobei er jedoch gegenüber Versuchen einer Letztbegründung von moralischen Normen skeptisch bleibt. Eigenartigerweise kommt hier der Kontraktualismus nicht zur Sprache, obwohl der Verfasser in späteren Teilen des Buches (in Abschnitt 5.2, wo auch eine intensive Auseinandersetzung mit James Buchanan stattfindet) durchaus auf ihn Bezug nimmt. Insgesamt plädiert Sautter für eine kognitive Ethik, die argumentativ begründete, wahrheitsanaloge Geltungsansprüche erhebt, anstatt in naturalistischer Weise präskriptive Forderungen auf deskriptive Beobachtungen zu gründen, sich auf moralische Gefühle zu beziehen oder Moral auf das Ergebnis von Interessenskalkülen zu reduzieren. Daraus ergibt sich seine Verhältnisbestimmung von Ökonomie und Ethik, die auch ich überzeugend finde. Weder dürfe Ethik auf Ökonomik reduziert werden noch helfe es, ethische Forderungen zu erheben, ohne zu prüfen, ob und in welcher Weise sie im Bereich des Wirtschaftens realistischerweise umgesetzt werden können (siehe hierzu besonders 164-169). ...
Das Buch ist gut verständlich geschrieben, trotz des großen Umfangs nicht mühsam zu lesen, sondern sehr anregend, und übrigens vom Preis her auch ausgesprochen erschwinglich. Es ist gekennzeichnet durch eine ausgewogene und nüchterne Darstellung, der man anmerkt, dass sie das Ergebnis eines an Erkenntnissen, Erfahrungen und Reflexionen reichen Lebens eines engagierten und verantwortungsbewussten Wissenschaftlers ist. Ich empfehle es auch Studierenden der Wirtschaftswissenschaften und anderer Disziplinen, die eine solide Gesamtdarstellung der Wirtschafts- und Unternehmensethik suchen. Aber auch Politiker/innen und unternehmerisch Tätige in der Wirtschaft werden von der Lektüre sehr profitieren!"
"Den Hörern der diesem Buch zugrundeliegenden Vorlesungen, Studierenden der Wirt-schaftswissenschaft, soll dem Vernehmen nach ihr Fach in einem völlig neuen Licht begegnet sein: nämlich im fundamentalanthropologischen Horizont einer Sicht der universalen Grundzüge des menschlichen Zusammenlebens als die Beschreibung eines seiner wesentlichen Aspekte in der Wechselwirkung mit anderen (explizit dem politischen, implizit aber auch dem kulturellen). So könnte das Werk vielleicht auch auf ökonomische Leser wirken.
Möglichst viele Leser muss man dem Werk aber auch in Theologie und Kirche wünschen. Für sie ist es eine denkbar genaue und reichhaltige Einführung in die systemischen Zusammenhänge des Wirtschaftens und der Wirtschaftspolitik in der globalisierten Moderne. Nur wer die hier entwickelten Zusammenhänge kennt und berücksichtigt, kann über Chancen und Gefahren der Globalisierung kompetent mitreden. Und wer sich darüber wundert, dass das Werk die Frage nach der ökonomischen Verantwortung des einzelnen Verbrauchers nicht stellt, wird jedenfalls eine Antwort auf diese Frage nicht mehr suchen vorbei an den systemischen Bedingungen, die hier beschrieben worden sind."
"Im deutschen Sprachraum kam es außerhalb der Theologie erst in den achtziger Jahren zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den Grundlagen und Themen der Wirtschaftsethik. Peter Ulrich, Karl Homann und Peter Koslowski sind die Namen, die in diesem Zusammenhang immer wieder fallen. Häufig wird dabei übersehen, dass von Beginn an einzelne Ökonomen, die im ihren Fachgebieten angesehene Experten sind, an diesen Debatten teilnahmen. Einer von ihnen ist der Entwicklungsökonom Hermann Sautter, der nun, nach 40 Jahren intensiver Beteiligung am wirtschaftsethischen Diskurs, seine eigene Wirtschaftsethik in Buchform publiziert hat. Deren zentrales Kennzeichen ist eine Balance von Ökonomie und Ethik.
Sautter hat in Frankfurt am Main und in Göttingen Generationen von Studierenden eine nachdenkliche Neoklassik nahegebracht. Er vermittelte, wie man ökonomische Analyseinstrumente einsetzen sollte: problemadäquat und der Grenzen eigener Theoriebildung bewusst. In seinem neuen Buch kombiniert er diese ökonomische Professionalität mit einer soliden Rezeption der philosophischen Ethik. Es entspricht Sautters Ethos ernsthafter Wissenschaftlichkeit, dass er dabei den Vertretern kognitivistischer Ethiken folgt. Schließlich kann deren Anspruch, dass bestimmte Normen, etwa die Menschenrechte, universal und uneingeschränkt gelten, der ökonomischen Suche nach möglichst effizienten Lösungen auch einmal im Weg stehen. Sautter kommt so zu einer Wirtschaftsethik, in der er ethisches Sollen und ökonomische Rationalität behutsam miteinander verknüpft. Einerseits können legitime Zwecke des Wirtschaftens nur ethisch bestimmt werden.
Andererseits kann nur derjenige ethische Ansprüche an wirtschaftliche Praxis sachgemäß formulieren, der Nebenfolgen ökonomisch abschätzt und Effizienzerfordernisse beachtet. Ökonomische Analysen schärfen zudem den Blick für knappheitsbedingte Zielkonflikte, die durch Abwägungen von Werten ethisch zu bearbeiten sind. Institutionenethisch verteidigt Sautter die Marktwirtschaft und zeigt zugleich mit großem Fachwissen auf, wie sehr es in der Weltwirtschaft ökologisch und sozial hakt. Ein Beispiel dafür ist, dass er die stark von Industrieländer-Interessen bestimmten Regelwerke des internationalen Handels für das Ausmaß der globalen Armut mitverantwortlich macht, ein anderes seine Auseinandersetzung mit den ökologischen Grenzen des Wirtschaftswachstums. Forderungen, sich in der nördlichen Hemisphäre vom Wachstum zu verabschieden, lösen bei vielen Ökonomen allergische Reaktionen aus. Sautter dagegen setzt sich nüchtern und konstruktiv mit der Postwachstums-Literatur auseinander.
Gerechte Institutionen sind wichtig, ethisch verantwortliche Akteure aber auch. So betont Sautter in seinen unternehmensethischen Kapiteln, dass Unternehmen und Manager trotz Wettbewerbs Handlungsspielräume haben. Unternehmen sind Kooperationsprojekte, die nicht moralfrei "funktionieren". Eine gute Unternehmensführung behält deshalb neben der kontinuierlichen Zahlungsfähigkeit und dem Renditeziel auch das Sachziel (ein gutes Produkt anzubieten) und ethische Zielvorstellungen im Blick.
Eigene moralische Überzeugungen der Entscheidungsträger, eine entsprechende Unternehmenskultur und ein organisatorisch verankertes Wertemanagement machen es wahrscheinlicher, dass ein Unternehmen berechtigte öffentliche Kritik an sozialen oder ökologischen Missständen frühzeitig aufgreift. Wahrscheinlich ist es dann langfristig auch wirtschaftlich erfolgreicher.
Sautters recht umfangreiche Wirtschaftsethik ist klar und eingängig geschrieben. Aufgrund der präzisen Darstellung, der ausgewogenen Einschätzungen und der reichhaltigen Literaturhinweise kann sie in den nächsten Jahren nicht nur Studierenden und Lehrenden der Wirtschaftsethik, sondern auch Wirtschaftspolitikern, Vorständen und Betriebsräten als verlässliche Orientierungshilfe dienen."
"Eine konzise Analyse von Wirtschaft und Ethik, wie sie nun Hermann Sautter vorgelegt hat, kommt da wie gerufen. Das Buch entstand aus Vorlesungen zur Wirtschafts- und Unternehmensethik, die der Verfasser seit 2005 an der Universität Göttingen gehalten hat. Die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät rief den Autor aus dem Ruhestand, um sich mit ihren Studenten den Fragen rund um Markt und Moral zu nähern. Die Ergebnisse dieses Ringens um ökonomisch rationale und moralisch vernünftige Problemlösungen für die vielen Ethikkonflikte in der Wirtschaft sind im Wortsinne schwer beeindruckend: Auf 824 Seiten dringt der Verfasser zu einer Tiefe der Analyse durch, die das Format eines üblichen Studienbuches bei weitem übersteigt: Es ist Lehrbuch und Nachschlagewerk in einem und setzt zugleich als eigenständiger Forschungsbeitrag wesentliche Akzente in der akademischen wirtschaftsethischen Diskussion. Mehr noch: Weil es vollkommen voraussetzungsfrei geschrieben ist und daher weder Vorkenntnisse in Mikroökonomik noch mathematischer Spieltheorie verlangt, dürfte es auch dem an unternehmensethischen Fragen interessierten Praktiker als wertvoller Leitfaden im Dschungel unternehmerischer Ethikkonflikte dienen.
Es gehört zu den Vorzügen seines gewaltigen Werkes, dass sich Sautter Raum und Zeit nimmt, auch solche Fragen zu diskutieren, die in der wirtschaftsethischen Standardliteratur allenfalls ein Nischendasein führen, weil sie - trotz ihrer fraglos ethischen Dimensionen - traditionell in anderen Disziplinen verortet sind. Ein ganzes Kapitel (Kapitel 9) widmet der Autor etwa der Stabilität und Regulierung von Finanzmärkten, wo er sich - mit explizitem Bezug auf Euckens konstituierendes Prinzip - für mehr Haftung und Eigenkapitalanforderungen von Banken ausspricht, die deutlich über "Basel III" hinausgehen müssten. Dazu gehören auch Fragen der Arbeitsmarktökonomik, die der Verfasser anhand des Pros und Contras um den Mindestlohn aufrollt, dessen theoretische Rechtfertigungen (v. a. monopsonistische Arbeitsnachfrage und Effizienzlohnaspekte) er im Einzelnen durchprüft. Angesichts der Frontstellungen in den jüngsten Disputen um den staatlich gesetzten Mindestpreis am Arbeitsmarkt mag auch Sautters Hinweis überraschen, dass es unter den traditionellen Ordnungstheoretikern gerade Walter Eucken (Eucken 2004, S. 304) war, der für Mindestlöhne am Arbeitsmarkt argumentierte: unter der besonderen Bedingung nämlich, dass die Arbeitsangebotskurve einen anomalen Verlauf aufweist, so dass Arbeitnehmer in Fällen von Lohnkürzungen paradoxerweise mehr arbeiten, um die Einkommensausfälle zu kompensieren. Ungewöhnlich für eine wirtschaftsethische Abhandlung ist auch das Gewicht, das Sautter umweltökonomischen Fragen wie Regelungen für nachhaltiges Wachstum einräumt.
Angesichts der Rasanz, mit der sich moralische Konflikte im Wirtschaftsleben entwickeln, wird man selbst von einem Werk eines Umfangs, wie ihn Hermann Sautter hier vorlegt, kaum eine Diskussion aller relevanten Probleme oder gar deren detaillierte Lösungen erwarten können. Der enzyklopädische Wert dieses überaus faktenreichen und belesenen Werks dürfte indes kaum zu überschätzen sein. Wer sich im deutschen Sprachraum mit Wirtschafts- und Unternehmensethik beschäftigt, wird am "Sautter" künftig kaum vorbeigehen (wollen).
"Hermann Sautter hat mit dieser umfassenden Monographie eine theoretisch durchdachte und im Hinblick auf die zahlreichen Fallbeispiele sehr aktuelle und instruktive Gesamtdarstellung der Wirtschafts- und Unternehmensethik, nicht nur im deutschen Sprachraum, gegeben. Durchgängiges Prinzip seiner Analyse ist die Verantwortung, welche die wirtschaftlichen Akteure über die keineswegs selbstverständliche Einhaltung geltenden Rechts hinaus zu tragen haben. Es wird dabei ein konsequent "dualistischer" Ansatz vertreten, der Ethik und Ökonomik gleichermaßen berücksichtigt. Man sollte sich vom Umfang des Buches nicht abschrecken lassen, wird man doch für die Lektüre des Textes mit Erkenntnissen und Einsichten der verschiedensten Art belohnt. Darüber hinaus können viele einzelnen Teile für sich gelesen werden, ja nicht selten lassen sich Textbausteine als lexikalische Kurzdarstellungen wichtiger Begriffe nutzen. Da die Darlegung der ethischen Fragestellungen stets mit der Darstellung der ökonomischen Sachzusammenhänge einhergeht, kann deren Analyse in vielen Fällen auch direkt durch die Befassung mit sachlichen Hintergrund des jeweils diskutierten Falles erschlossen werden. Es ist in nicht nur für Studierende sehr empfehlenswertes Buch, auch zum Selbststudium. Durch seinen vielfältigen Praxisbezug ist es aber auch für eine ethisch verantwortliche Unternehmenspraxis außerordentlich hilfreich." ...
"Hermann Sautter, emeritierter Professor für Volkswirtschaftstheorie und Entwicklungsökonomik an der Universität Göttingen mit den Arbeitsschwerpunkten Entwicklungsökonomie, Weltwirtschaftsordnung und Wirtschaftsethik, hat eine systematische Einführung in die Unternehmens- und Wirtschaftsethik vorgelegt, die ökonomischem und ethischem Wissen Rechnung trägt. Sautter zeigt zudem die vielfältigen Handlungsmöglichkeiten von Unternehmen im nationalen wie transnationalen Maßstab auf. Der Autor beschränkt sich nicht auf die Darstellung von Positionen in der Philosophie und Wirtschaftsethik, sondern trägt zur Klärung wirtschaftsethischer Kontroversen bei. Er lässt den Leser nicht im Unklaren darüber, wie er dazu steht. Dazu kann man sich verhalten und das macht dieses Buch besonders hilfreich für Leser, die die eigene Position suchen oder reflektieren wollen.
Das Bild der Wirtschaftsethik, das Sautter vorschwebt, ist das einer Disziplin, die weder die Ethik noch die Ökonomik für überflüssig hält: dies ist eine Wirtschaftsethik, der die philosophische und die ökonomische Fundierung gleichermaßen wichtig sind. Sautter betont die Unverzichtbarkeit der ethischen Reflexion wirtschaftlichen Handelns. Er vertritt eine kognitivistische Ethik und einen ethischen Realismus. Danach gibt es ethische Werte, die nicht restlos als soziale Konstrukte zu erklären sind, an denen sich vielmehr alle sozialen Konstrukte messen lassen müssen. Die Allgemeinen Menschenrechte können als Werte dieser Art verstanden werden. Für das wirtschaftliche Handeln sind die aufgeklärten Eigeninteressen eines Akteurs maßgebend, die sich an der Langfristigkeit, Konsistenz und Sozialverträglichkeit des Handelns orientieren und die häufig nicht identisch sind mit dem jeweils aktuellen Interesse am maximalen Nutzen oder Gewinn. Ethische Aussagen lassen sich nicht reduzieren auf Sätze, in denen nur die unaufgeklärten Eigeninteressen eines Akteurs Vorkommen.
In der Wirtschaftsethik grenzt sich Sautter von Auffassungen ab, die - unter weitgehendem Verzicht auf Individualethik - die Gestaltung der institutionellen Ordnung fokussieren (die Homann-Schule) oder unter Wirtschaftsethik die Fundamentalkritik der Ökonomik verstehen (die Ulrich-Schule). Für Sautter geht es vielmehr darum, Ethik mit ökonomischer Sachlogik in Verbindung zu bringen und die institutionelle Ordnung sowohl als Ergebnis, wie auch als Bedingung individuellen Handelns zu verstehen.
Die Gestaltung der institutionellen Rahmenordnung auf nationaler wie globaler Ebene und die Mitwirkung bei der Generierung globaler Kollektivgüter (wie der Klimaschutz) verlangen von den Akteuren die Bereitschaft zur Selbstbindung und Kooperation. In der Auseinandersetzung mit der Ulrich-Schule betont Sautter die positiven Wirkungen des Marktes. Das für Sautters Verständnis von Wirtschaftsethik konstitutive Zusammenspiel und gegenseitige Infragestellen von Ethik und Ökonomik wird im Umgang mit Konflikten deutlich. Der Markt ist gegenüber zentralisierter Planung der zu bevorzugende Koordinationsmechanismus. Aus der Perspektive der christlichen Ethik bezieht der Autor Position für die Marktwirtschaft. Der Markt ist ein "Ermöglicher", dessen Potenziale durch Handeln in einem Handlungsfeld bestimmt werden, das durch Freiheit, Ordnung und Moral bestimmt ist. Dieses System ist nicht statisch, sondern in Bewegung. Seine Komponenten sind nicht unabhängig voneinander. Sautter betont die realitätsverändernde Kraft, die von ethischen Normen ausgehen kann. Verantwortliches Handeln kann Freiheit erweitern oder sichern. Wirtschaftliche Freiheit ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung der politischen Freiheit. Viele der Güter, die nicht nur "value-in-society", sondern auch "value-to-society" (so John Maurice Clark 1936 in seinem Buch "Preface to Social Economics") sind, können nur durch das Wirken von "visible hands" zustande kommen. Auch dazu bedarf es der Freiheit.
Die Gründe dafür, als Marktakteur ethisch zu handeln, werden im Buch dargelegt; es wird gezeigt, dass und wie ethisches HandeLn möglich ist. Der unternehmensethische Teil des Buches, der die erwerbswirtschaftlichen Unternehmen fokussiert, stellt die ganze Bandbreite von Möglichkeiten dar, an denen sich Unternehmen orientieren können. Dieser Teil des Buches macht zudem nochmals deutlich, dass Unternehmensethik ohne die Orientierung an "universell-gültigen Normen und Werte(n)" (S. 681) bzw. ohne die Bereitschaft, den Konflikt mit ökonomischen Normen und Werten "auszutragen", nicht stattfindet. Die Diskussion von "Corporate Social Responsibility" (CSR) bzw. des "Business Case" hätte daher kritischer ausfallen können. Welche Relevanz CSR für das ethische Handeln deutscher Automobilunternehmen und des im Buch mehrfach positiv erwähnten Zulieferers Bosch zu haben scheint, zeigt der aktuelle Diesel-Skandal.
Es folgen drei kritische Anmerkungen, die die Entwicklung von Perspektiven in der Unternehmens- und Wirtschaftsethik und das Framing des Buches "in terms of responsibility" betreffen. Erstens, Sautter widmet Unternehmen, die sich mit den Varianten der Alternativen Ökonomie verbinden lassen, wenig Aufmerksamkeit. Die Unternehmens- und Wirtschaftsethik hat zu den alternativen Ökonomien zurzeit noch recht wenig zu sagen. Zweitens, es ist fraglich, ob man Unternehmensethik denken kann, ohne diejenigen mit in den Blick zu nehmen, die die Leistungen der Unternehmen nachfragen. Mit der Marketingtheorie kann man argumentieren, dass die "Value Creation" der Unternehmen eine "Value Cocreation" von Anbieter und Nachfrager ist. Das wirft die Frage nach einer entsprechenden Co-Responsibility auf. Drittens, der Haupttitel des Buches lautet "Verantwortlich wirtschaften". Eigentlich geht es in dem Buch aber um ethisches Handeln. Verantwortliches Handeln umfasst einerseits mehr als ethisches Handeln (wie etwa die Aufgabenverantwortung), andererseits ist es eine Form ethischen Handelns. Angesichts des Haupttitels wäre eine Ausrichtung des Buches auf die Verantwortungsethik und die dort entwickelten Modelle zu erwarten gewesen. Es gibt in dem Buch keinen systematischen Zugang zur Verantwortungsethik oder zum Verantwortungsbegriff. Der Leser sollte sich daher eher am Untertitel des Buches orientieren."