Aus der Einleitung:

In den Wirtschaftswissenschaften wird die Herstellung von Gütern behandelt: Es wird nur ein Gut mit einem oder mehreren Produktionsfaktoren erzeugt. Dieser wirtschaftswissenschaftliche Normalfall ist in der Realität dagegen ein Spezialfall; denn bei jeder Produktion entsteht nicht nur das erwünschte Produkt, sondern darüber hinaus mindestens ein, meist jedoch mehrere weitere Produkte, die sogenannten Kuppelprodukte. So werden bei der Stahlerzeugung gleichzeitig CO2, Spurengase, Abwärme, Abwässer, Abfälle etc. hergestellt. Aufgrund der Kuppelproduktion entstehen Umweltprobleme. Nur wenn man Umweltprobleme nicht zu berücksichtigen braucht, ist die oben skizzierte wirtschaftswissenschaftliche Vorgehensweise sinnvoll. Wir wollen uns im Folgenden mit dem in der Wirklichkeit vorliegenden Normalfall, dem der Existenz von Kuppelprodukten, beschäftigen. Häufig sind Kuppelprodukte und deren Wirkungen unbekannt. Wir wissen also oft gar nicht, welche Produkte wir hervorbringen und ob sie gefährliche Wirkungen haben. Folglich findet Produktion unter Nichtwissen statt. Wenn wir aber nicht wissen, ob unsere Produktion nicht gefährliche Wirkungen hat, müssen wir uns fragen, ob wir diese Produktion verantworten können. Kuppelproduktion stellt daher zugleich die Frage der Verantwortung; denn, ob wir eine Handlung verantworten können, hängt wiederum von den Folgen oder den Wirkungen dieser Handlung ab.

Verantwortung und Kuppelproduktion sind zwei zentrale Begriffe in unterschiedlichen Disziplinen. Dies sind die Philosophie, insbesondere in ihren Teilbereichen der Ethik und der Politischen Philosophie, die Rechtswissenschaft, die Wirtschaftswissenschaft und die Physik. Diese Begriffe bringen schon innerhalb dieser Disziplinen ihre eigenen Schwierigkeiten mit sich. In diesem Aufsatz wollen wir Verantwortung und Kuppelproduktion unter Berücksichtigung der Rolle des Wissens aufeinander beziehen und daraus Schlussfolgerungen für wirtschaftliches und politisches Handeln ziehen.

Verantwortung und Kuppelproduktion sind zwei ganz unterschiedliche Begriffe. „Kuppelproduktion“ bezeichnet einen Sachverhalt der physikalischen Welt, „Verantwortung“ ist ein Begriff der geistig-moralischen Welt. Diese beiden Welten scheinen voneinander unabhängig zu sein. Für die Beurteilung eines Sachverhalts in physikalischer Hinsicht hat es keinerlei Bedeutung, ob jemand für ihn in irgendeiner Weise verantwortlich ist oder nicht. Umgekehrt scheint unsere Möglichkeit, Verantwortung übernehmen zu können und moralisch gut zu handeln, nicht von Sachverhalten der äußeren Welt abhängig.

Dieser Anschein, physikalische und moralische Sachverhalte seien voneinander unabhängig, ist indes fragwürdig. Denn physikalische Sachverhalte können sehr wohl einen Einfluss haben auf die moralische Qualität unseres Handelns. Dies verdeutlicht das Phänomen der Kuppelproduktion. Das 2. Kapitel befasst sich eingehend mit dem Begriff der Verantwortung und es wird untersucht, inwiefern Verantwortung und Kuppelproduktion miteinander zusammenhängen. Im 3. Kapitel geht es um das Problem von Unwissen und dabei insbes. um Unwissen, das durch die Frage nach der Verantwortung aufgeworfen wird. Zugleich wird das Phänomen der Kuppelproduktion eingehender erläutert. Im 4. Kapitel ziehen wir eine wichtige Schlussfolgerung.