Kristina Pezzei
16 Farbseiten
"Agrarkultur im 21. Jahrhundert"
186
Seiten ·
18,00 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN
978-3-89518-978-4
(December 2012)
)
In Gelting hat sich die selbstgemachte Marmelade zum Verkaufsschlager entwickelt, in Otersen fallen Sonntagnachmittag die Rad-Ausflügler wegen der selbstgebackenen Kuchen ein und in Frabertsham halten morgens um sechs die ersten Berufspendler, um sich Proviant aus dem mutmaßlich kleinsten Vollsortimenter im Land zu holen: Jeder Dorfladen ist seine eigene kleine Welt. Mittlerweile gibt es hunderte davon. Landauf, landab, sind in den letzten Jahren moderne Tante-Emma-Geschäfte entstanden, die oft mehr bieten als nur eine Einkaufsmöglichkeit. Sie sind auch Café, Post und Apotheke, Treffpunkt und Vereinsheim - sie sind eine neue Mitte.
Gemeinsam sind diesen Dorfläden die Menschen, die dahinter stehen: Pfiffige, mutige Bürgerinnen und Bürger, die sich mit der fehlenden Nahversorgung in ihrer Mitte nicht mehr abfinden wollten. Sie planten, sammelten Geld, schlossen sich zu Bündnissen zusammen, renovierten, fanden Lieferanten und legten Sortiment und Preise fest. Ohne Impuls von oben, oft auch ohne finanzielle Unterstützung, dafür mit viel ehrenamtlichem Einsatz und der Bereitschaft, neue Wege auszuprobieren. Das Beste daran: Es kann funktionieren, und so manche Geschichte vom Land taugt zum Vorbild auch für Städter. Von diesen Menschen, ihren Ideen und was sie daraus machten, handelt dieses Buch.
Die Autorin hat Dorfläden in ganz Deutschland besucht, sie war bei Vorbereitungstreffen dabei und hat mit Organisatoren, Lieferanten und Betreibern gesprochen. Entstanden ist ein Band mit Geschichten vom Land, die Mut machen sollen - dafür, Neues zu wagen, einfach mal etwas auszuprobieren, sich nicht den Umständen zu ergeben.
"Verkaufen können wir selber!" Das ist ein sehr gelungener Buchtitel für ein Buch über Dorfläden. Er klingt kraftvoll, trotzig, selbstbewusst. Damit drückt sich aus, dass Dorfläden, die in den letzten Jahren an vielen Orten in Deutschland entstanden sind, aus der Not heraus geboren sind, aber eine Re-Aktion auf die Gegebenheiten sind, die die betroffenen Menschen wieder zu aktiv Handelnden machen, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Zugleich ordnet dieser Titel - bewusst oder unbewusst - die Dorfläden in einen größeren Zusammenhang des Selbermachens ein, eines Subsistenzansatzes, der in einer globalisierten, stark von außen bestimmten Welt eine Strategie des widerspenstigen Sich-wieder-Aneignens von selbstbestimmten Räumen entgegensetzt.
Die Autorin Kristina Pezzei hat Dutzende Dorfläden im ganzen Land besucht und Gespräche mit den Akteuren und Dorfbewohnern geführt. Herausgekommen ist ein sehr lesenswertes Buch, das inspiriert, ohne die Augen vor Schwierigkeiten und der Möglichkeit des Scheiterns zu verschließen. ... "Verkaufen können wir selber!" eignet sich gut für einen Überblick über den gegenwärtigen Stand der Dorfladen-Bewegung wie auch als Handbuch für Engagierte, die sich mit dem Gedanken der Gründung eines Ladens herumtragen.
Die Anordnung der Dorfladen-Portraits ist sehr gekonnt gewählt. Ein langes Kapitel widmet sich den "Gemeinschaften" und weckt zunächst Begeisterung für die Idee und Bewunderung für die Tatkraft und Fantasie der Akteure. Zum Ende hin kommen jedoch auch Beispiele, die die Probleme bei der Umsetzung aufzeigen.
Nachdem man nach dem ersten Kapitel eine relativ einheitliche Vorstellung von Dorfläden hatte, so lässt einen das letzte Kapitel fast ein wenig verwirrt zurück, reißt einen auf jeden Fall aus jeder Form von Schubladendenken heraus, indem deutlich wird, dass es fließende Übergänge von gemeinschaftlich getragenen Dorfläden, eigenwilligen Tante Emmas bis hin zu professionellen Supermärkten gibt - und dass die Probleme mit der Nahversorgung in ländlichen Gegenden unter Umständen auf ähnliche Tendenzen in städtischen Vorortssiedlungen und Trabantenstädten hindeuten.
Eine Mitarbeiterin eines Dorfladens in einem südfranzösischen Cevennen-Dorf sagte einmal, "Wir können auch Fahrgemeinschaften zum nächsten Supermarkt bilden, aber wir brauchen den Dorfladen, um uns zu treffen." Auch Kristina Pezzei kommt zu dem Schluss: "Dorfläden funktionieren dort am besten, wo sie eine Bereicherung im Kulturellen und Sozialen sind".