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Vom Fordistischen zum Kompetitiven Merkantilismus

Die Exportorientierung der Bundesrepublik Deutschland zwischen Wirtschaftswunder und Europäischer Krise

"Hochschulschriften"  · Band 145

426 Seiten ·  38,00 EUR (inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-7316-1074-8 (May 22, 2014) )

 

Im Verlauf der Euro-Krise mehrten sich Beiträge, welche die anhaltenden Export- bzw. Leistungsbilanzüberschüsse der Bundesrepublik kritisch betrachten. Diese seien nicht nur mitverantwortlich für die erheblichen Ungleichgewichte innerhalb Europas, sondern auch binnenwirtschaftlich längst nicht so wachstumsförderlich wie dies im öffentlichen Diskurs gerne dargestellt wird. In der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik sind Exportüberschüsse jedoch kein exklusives Phänomen der jüngsten Vergangenheit, sondern avancierten bereits in den 1950er Jahren zu einem bevorzugten Erklärungselement des deutschen "Wirtschaftswunders". Doch während die Überschüsse bis in die siebziger Jahre hinein mit relativ hohen Wachstumsraten einher gingen, klafften seit den achtziger Jahren und im Vergleich zu ähnlich entwickelten OECD-Ökonomien außenwirtschaftlicher Erfolg und binnenwirtschaftliches Wachstum der Bundesrepublik zunehmend auseinander. Diese Entwicklung wirft verschiedene Fragen auf. Zum einen, wie lässt sich der Wandel zwischen den 70er und 80er Jahren ökonomisch erklären und welche Rolle kommt dabei den Exportüberschüssen zu? Zum anderen, welche Bedeutung kam und kommt der ausgeprägten Exportorientierung im Kontext des so genannten Modell Deutschland zu und weshalb ist diese nach wie vor prägend, obwohl der binnenwirtschaftliche Erfolg dieser Strategie zunehmend fragwürdig geworden ist?

Ausgehend von der These, dass der im Zeitverlauf eher zunehmenden Ausrichtung auf den Exporterfolg und Leistungsbilanzüberschüsse eine erklärende Rolle hinsichtlich der binnenwirtschaftlichen Schwäche seit den 80er Jahren zukommt, geht die Arbeit diesen Fragen in einem polit-ökonomischen und institutionellen Erklärungsansatz nach und prüft zugleich eine mögliche Alternative zu den dominierenden neoklassischen und angebotspolitischen Erklärungen. Hierzu werden neo-kaleckianische bzw. postkeynesianische Arbeiten mit institutionellen Ansätzen, insbesondere der französischen Regulationstheorie und der Varieties of Capitalism-Debatte, verknüpft. Durch die Verbindung und Konfrontation dieser Ansätze, bzw. in historischer Hinsicht der Krise des Fordismus und der Kontinuitäten des Modell Deutschland, lassen sich nicht nur neue Einsichten in die Dynamik des bundesrepublikanischen Kapitalismus im weltwirtschaftlichen Zusammenhang gewinnen, sondern auch differenzierte Aussagen über die Bedeutung der Exportorientierung im Übergang von der Regulationsweise eines fordistischen zu der eines kompetitiven Merkantilismus.

Die Arbeit zeigt auf, dass die merkantilistische Ausrichtung nicht lediglich ein Phänomen der 2000er Jahre ist. Vielmehr sind entsprechende Orientierungen bereits seit langem ein verwurzeltes Element des deutschen Modells. Bis in die siebziger Jahre waren diese jedoch binnenwirtschaftlich ebenso wie auf dem Weltmarkt stärker mit (partiell) fordistischen Dynamiken verbunden. Mit der Krise des Fordismus wurden bereits in den achtziger Jahren diese Dynamiken zu Gunsten einer kompetitiven Zuspitzung des Merkantilismus in den Hintergrund gedrängt und abgewertet. Die starke Zunahme der Ungleichheit und der (außenwirtschaftlichen) Ungleichgewichte im letzten Jahrzehnt ist Resultat einer schrittweisen Formveränderung und Zuspitzung. Eine Überwindung des Merkantilismus müsste dementsprechend tiefer und umfassender ansetzen, angefangen von arbeitsmarktpolitischen Reregulierungen, über die hierarchisierten Formen des Wettbewerbskorporatismus bis hin zu Formen einer makroökonomischen Koordination auf europäischer Ebene.


"Stefan Beck will zu einer angemessenen Beurteilung dessen kommen, was in der politisch‑ökonomischen Diskussion als "Modell Deutschland" bezeichnet wird, also der gesamtwirtschaftlichen Fokussierung auf Exportüberschüsse, ohne dass die Binnennachfrage damit Schritt hält. Dabei geht er mit Blick auf die (west‑)deutsche Nachkriegssituation von der These aus, "dass der Merkantilismus bzw. die den Überschüssen zugrunde liegende Exportorientierung der Bundesrepublik eine prägende Rolle gespielt hat und unmittelbar für die Wachstumsschwäche seit den achtziger Jahren mitverantwortlich gemacht werden kann" (21). Um diese These zu untermauern, gliedert Beck die Arbeit in einen theoretischen und einen empirischen Teil. Im theoretischen Teil skizziert er die Zusammenhänge von Export und Wachstum und unterscheidet dabei verschiedene Entwicklungsphasen in Deutschland - ressourcenalimentiertes Wachstum in den 1950er‑ und 1960er‑Jahren, politikimplementiertes Wachstum seit den 1970er‑Jahren. Im empirischen Teil nimmt er diese Differenzierung auf. Dieser Teil erscheint in seiner gleichermaßen explorativen wie deskriptiven Herangehensweise an den fordistischen ebenso wie an den kompetitiven Merkantilismus der Gegenwart eher als eine "alternative Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik" (25). Deren Pointe besteht darin, dass sie die Erfolgsgeschichte der deutschen Wirtschaft dahingehend entlarvt, dass mitnichten von einer ökonomischen Stärke gesprochen werden kann, die aus der Zusammenschau von Exportüberschüssen und Wachstum resultiert. Stattdessen deute, so Beck, vieles lediglich auf eine Umverteilung ökonomischer Risiken hin: "Letztlich beruht die Stabilität des kompetitiven Merkantilismus wesentlich auf einer breiten Streuung oder Umverteilung der ökonomischen Lasten überwiegend zu Ungunsten gering organisierter Teile der Gesellschaft." (364) Dementsprechend ist sich Beck auch hinsichtlich seiner Einschätzung der gegenwärtigen europäischen Krisenpolitik infolge der Wirtschafts‑ und Finanzkrise sicher: "Insbesondere nach dem Jahr 2000 gingen erheblich zunehmende Exportüberschüsse mit einer ausgeprägten binnenwirtschaftlichen Konsum‑ und Wachstumsschwäche einher und haben zu den massiv angewachsenen Ungleichgewichten in der Eurozone beigetragen." (367) Becks materialreiche Studie bietet hinreichend Anlass, die bislang praktizierte Wirtschaftspolitik zu überdenken."


the author
Dr. Stefan Beck
Stefan Beck geb. 1968, studierte Politikwissenschaft (Dipl.) und Volkswirtschaftslehre an der FU Berlin. Gegenwärtig arbeitet er als Lehrbeauftragter im Studiengang Global Political Economy an der Universität Kassel. Seine Forschungschwerpunkte liegen im Bereich der Politischen Ökonomie und der vergleichenden Kapitalismusforschung, zur Zeit befasst er sich mit dem Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen (TTIP).
dem Verlag bekannte Rezensionen
  • "Becks materialreiche Studie bietet hinreichend Anlass, die bislang praktizierte Wirtschaftspolitik zu überdenken." ...
    Portal für Politikwissenschaft, veröffentlicht am 28.05.2015 mehr...
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