Stefan Beck
"Hochschulschriften" · Band 145
426
Seiten ·
38,00 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN
978-3-7316-1074-8
(May 22, 2014)
)
Im Verlauf der Euro-Krise mehrten sich Beiträge, welche die anhaltenden Export- bzw. Leistungsbilanzüberschüsse der Bundesrepublik kritisch betrachten. Diese seien nicht nur mitverantwortlich für die erheblichen Ungleichgewichte innerhalb Europas, sondern auch binnenwirtschaftlich längst nicht so wachstumsförderlich wie dies im öffentlichen Diskurs gerne dargestellt wird. In der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik sind Exportüberschüsse jedoch kein exklusives Phänomen der jüngsten Vergangenheit, sondern avancierten bereits in den 1950er Jahren zu einem bevorzugten Erklärungselement des deutschen "Wirtschaftswunders". Doch während die Überschüsse bis in die siebziger Jahre hinein mit relativ hohen Wachstumsraten einher gingen, klafften seit den achtziger Jahren und im Vergleich zu ähnlich entwickelten OECD-Ökonomien außenwirtschaftlicher Erfolg und binnenwirtschaftliches Wachstum der Bundesrepublik zunehmend auseinander. Diese Entwicklung wirft verschiedene Fragen auf. Zum einen, wie lässt sich der Wandel zwischen den 70er und 80er Jahren ökonomisch erklären und welche Rolle kommt dabei den Exportüberschüssen zu? Zum anderen, welche Bedeutung kam und kommt der ausgeprägten Exportorientierung im Kontext des so genannten Modell Deutschland zu und weshalb ist diese nach wie vor prägend, obwohl der binnenwirtschaftliche Erfolg dieser Strategie zunehmend fragwürdig geworden ist?
Ausgehend von der These, dass der im Zeitverlauf eher zunehmenden Ausrichtung auf den Exporterfolg und Leistungsbilanzüberschüsse eine erklärende Rolle hinsichtlich der binnenwirtschaftlichen Schwäche seit den 80er Jahren zukommt, geht die Arbeit diesen Fragen in einem polit-ökonomischen und institutionellen Erklärungsansatz nach und prüft zugleich eine mögliche Alternative zu den dominierenden neoklassischen und angebotspolitischen Erklärungen. Hierzu werden neo-kaleckianische bzw. postkeynesianische Arbeiten mit institutionellen Ansätzen, insbesondere der französischen Regulationstheorie und der Varieties of Capitalism-Debatte, verknüpft. Durch die Verbindung und Konfrontation dieser Ansätze, bzw. in historischer Hinsicht der Krise des Fordismus und der Kontinuitäten des Modell Deutschland, lassen sich nicht nur neue Einsichten in die Dynamik des bundesrepublikanischen Kapitalismus im weltwirtschaftlichen Zusammenhang gewinnen, sondern auch differenzierte Aussagen über die Bedeutung der Exportorientierung im Übergang von der Regulationsweise eines fordistischen zu der eines kompetitiven Merkantilismus.
Die Arbeit zeigt auf, dass die merkantilistische Ausrichtung nicht lediglich ein Phänomen der 2000er Jahre ist. Vielmehr sind entsprechende Orientierungen bereits seit langem ein verwurzeltes Element des deutschen Modells. Bis in die siebziger Jahre waren diese jedoch binnenwirtschaftlich ebenso wie auf dem Weltmarkt stärker mit (partiell) fordistischen Dynamiken verbunden. Mit der Krise des Fordismus wurden bereits in den achtziger Jahren diese Dynamiken zu Gunsten einer kompetitiven Zuspitzung des Merkantilismus in den Hintergrund gedrängt und abgewertet. Die starke Zunahme der Ungleichheit und der (außenwirtschaftlichen) Ungleichgewichte im letzten Jahrzehnt ist Resultat einer schrittweisen Formveränderung und Zuspitzung. Eine Überwindung des Merkantilismus müsste dementsprechend tiefer und umfassender ansetzen, angefangen von arbeitsmarktpolitischen Reregulierungen, über die hierarchisierten Formen des Wettbewerbskorporatismus bis hin zu Formen einer makroökonomischen Koordination auf europäischer Ebene.