Aus der Einleitung:

Vermutlich gründet sich das deutsche Unbehagen gegenüber der Europäischen Union im Kern darauf, dass die Gestaltungsprinzipien der Politik der Europäischen Union stark beeinflusst sind von etatistischen Vorstellungen darüber, wie die Rollenverteilung von Wirtschaft und Politik ausgestaltet sein sollte. Dieser Sichtweise, die verkürzt als „französisch“ etikettiert werden kann, steht die eher in ordoliberalen Dimensionen angelegte „deutsche“ Sichtweise gegenüber, die auf eine weitgehende Trennung von Staat und Wirtschaft setzt und dem Wettbewerb (sowohl zwischen Unternehmen auf Märkten als auch zwischen Staaten auf institutioneller Ebene) eine weitaus wichtigere Rolle zuweist. Wie viele Anhänger der Ordoliberalismus in Deutschland heute noch hat, sei dahingestellt; jedenfalls gehören sowohl Wolfgang Quaisser als auch der Autor dieser Zeilen ohne Zweifel dazu.

Es gibt allerdings ein Politikfeld, in dem diese Konstellation geradezu auf dem Kopf steht – mit starker ordnungspolitischer Ausrichtung auf der einen Seite und unverkennbar etatistisch geprägten industriepolitischen Vorstellungen in der deutschen Wirtschaftspolitik auf der anderen Seite. Die Rede ist vom Feld der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik, die einem Fels in der Brandung der Gemeinschaftspolitiken gleicht und um die es in diesem Beitrag gehen soll. Die Schwerpunkte werden dabei auf drei Kernbereiche der europäischen Wettbewerbspolitik gelegt: die Fusionskontrolle, die Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen und die Beihilfenaufsicht. Doch zuvor ein kurzer Überblick über die Grundstruktur der europäischen Wettbewerbspolitik.