Aus der Einleitung der Hg.:

Der Beitrag von Birger Priddat Wissen, Nichtwissen, Ökonomie – als Essay formuliert – thematisiert das Wissen, das die Standardökonomie den Akteuren unterstellt. Priddat fragt in einer selbstbezüglichen Schleife, welches Wissen er seiner Entscheidung, einen Beitrag zu diesem Sammelband zu verfassen, unterstellen kann. Was weiß er z.B. über den ökonomischen Erfolg seines aktuellen Tuns? Liegt seiner Entscheidung eine „rationale Wahl“ zugrunde, wie das der Rational-Choice-Ansatz postuliert? Und was gilt für die Herausgeber*innen, den Verleger oder die Leser*innen dieses Bandes? Denn all diese Personen bewegen sich nicht in einem Raum, in dem sie über die Kenntnis von Wahrscheinlichkeiten über zukünftige Ereignisse verfügen, die sie berechnen und vergleichen könnten. Demgegenüber befinden sie sich – und das gilt nach Priddat für wirtschaftliches Handeln prinzipiell – in einem Raum von Vermutungen, der in hohem Maße durch ein Nichtwissen gekennzeichnet ist. Dieser Raum wird nicht kalkulatorisch (d.h. „rational“) bewältigt, sondern durch imaginative Vorstellungen über die Zukunft oder durch Strategien der Überredung, dargestellt am Beispiel eines Investors, der eine plausible Geschichte zu seinem Produkt erzählen muss, um zu Kapital zu kommen. Wird von diesem Raum ausgegangen (der phänomenologisch nachvollziehbar ist), dann löst sich die Bestimmtheit von gängigen Basiskategorien in der Ökonomik auf: Güter verlieren ihre Eindeutigkeit, Nutzen und Präferenzen werden komplex, Rationalität und Effizienz wird fragwürdig. Denn eine Person, die ein Buch kauft, das vielleicht Überlegungen enthält, die sie verändern können, kann vor dem Kauf nicht wissen, was sie kauft. Gekauft wird nicht ein homogenes Gut, dessen Preis das entscheidende Bewertungskriterium ist, sondern ein „Medium möglicher Ereignisse der Art, aber nicht das Ereignis selber“, das sich erst nach der Transaktion herausstellen kann.