250 Seiten
38,00 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-7316-1152-3
(September 2015)
Personenregister
"Mit dem Merkantilismus setzen sich Historiker und Ökonomen seit dem 19. Jh. intensiv auseinander. Wilga Föste hat sich in der vorliegenden Studie speziell der Rolle des Geldes im ökonomischen Denken ausgewählter, von ihr als "Merkantilisten" klassifizierter Autoren des 16. bis 18. Jh.s von John Hales und Jean Bodin über John Locke bis hin zu Ferdinando Galiani angenommen. Das ist insofern interessant, als das Problem des Geldes in einschlägigen Studien zwar meist behandelt wird, schließlich hat Adam Smith im "Wohlstand der Nationen" von 1776 die Verwechslung des Reichtums eines Landes mit dessen Edelmetallreserven zum angeblichen Hauptmerkmal des "Merkantilsystems" gemacht. Monographische Auseinandersetzungen mit diesem zentralen Thema sind jedoch eher selten.
Föste ist besonders daran gelegen, die Abhängigkeit der geldtheoretischen Ausführungen der Autoren vom zeitgenössischen Kontext herauszuarbeiten. Damit will die Ökonomin die "merkantilistische Theorie" nachvollziehbar machen und gegen eine ihrer Ansicht nach auch heute noch verbreitete Zurückweisung verteidigen (S. 13). Den relevanten Kontext macht sie dabei im Phänomen der frühneuzeitlichen Staatsbildung und der Unterordnung der Ökonomie unter die machtpolitischen Bedürfnisse des Staates aus. Jeder einzelne Aspekt der "merkantilistischen Geldtheorie" - d. h. die Geldwesens-, die Geldfunktions- wie auch die Geldwertlehre - standen laut Föste "in einem engen Zusammenhang mit dem machtpolitischen Willen der staatenbildenden Epoche" und wurden "stets mit Rücksicht auf das realgeschichtliche Streben nach staatlicher Machtentfaltung formuliert" (S. 207). Damit übernimmt die Autorin das Interpretationsmuster der Historischen Schule der Nationalökonomie, die im 19. Jh. den Zusammenhang zwischen dem Merkantilismus und dem Prozess der Staatenbildung sowie dem internationalen Machtkampf gegen Adam Smith und die Physiokraten zum wichtigsten Merkmal des Merkantilismus erhoben hat. Der von Jacob Viner bereits 1948 gegen diese reduktionistische Sichtweise vorgebrachte Einwand, nicht "Macht" allein, sondern "Macht und Wohlstand" hätten gleichberechtigt die Zielsetzung frühneuzeitlicher Wirtschaftspolitik gebildet, wird zwar erwähnt, aber nicht ausdiskutiert (S. 64).
Die von Föste analysierten Autoren und Quellen sind in der Forschungsliteratur zwar größtenteils bekannt, aber gut zusammengestellt. Das Buch ist darüber hinaus übersichtlich im Sinne der geldtheoretischen Dreiteilung gegliedert. Problematisch ist hingegen - neben ermüdenden Wiederholungen -, dass die Autorin die zum Merkantilismus existierende, überaus reichhaltige Literatur nur sehr selektiv rezipiert hat. Viele Autoren, welche die internationale Diskussion seit dem Erscheinen von Eli Heckschers "Merkantilismus" (1931) maßgeblich geprägt haben, beispielsweise Donald C. Coleman oder Lars Magnusson, werden nicht einmal erwähnt.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass Föste einen schönen Fundus an Quellen zum Problem des Geldes im ökonomischen Denken der Frühen Neuzeit bereitstellt und eine auch für Nicht-Ökonomen gut verständliche Einführung in monetäre Aspekte frühneuzeitlicher Wirtschaftstheorie bietet. Doch ist ihre Studie in verschiedener Hinsicht nicht auf dem Stand der Forschung, weshalb sie sich auch nur sehr eingeschränkt als Diskussionsbeitrag zur gerade wieder belebten Debatte über den Merkantilismus eignet."
"Die Beschäftigung mit der Geschichte ökonomischer Theorien ist selten geworden. Diese Entwicklung betrifft besonders eine Richtung wie den Merkantilismus, der schon früh durch die abwertenden Äußerungen von Adam Smith in das Licht einer unzureichenden und fehlgehenden Schule geraten ist. Es ist das Anliegen von Wilga Föste, dem durch eine detaillierte Analyse ausgewählter Autoren eine andere Position entgegenzusetzen. Dabei konzentriert sie sich auf die Geldtheorie, die den Kern des Merkantilismus darstellt. Zunächst wird der Rahmen für die Arbeit festgelegt: Die Autorin betont vehement die Notwendigkeit einer relativistischen Herangehensweise an die Theoriegeschichte und sie wiederholt mehrfach eine Vorrangstellung der Wirtschaftsgeschichte über die Theoriegeschichte. Danach stellt sie ihr Untersuchungsziel vor, nämlich die umfängliche und geschlossene Darstellung der Geldtheorie des Merkantilismus. Hier sieht sie einen Mangel, da es bisher keine solche Darstellung gibt. Den Grund für diesen Mangel stellt sie im Anschluss vor, denn die Frage, ob der Merkantilismus eine geschlossene Schule ist, ist umstritten und damit auch die Frage, ob es eine einheitliche Geldtheorie geben kann.
Die Struktur der Arbeit baut jedoch auf der These einer einheitlichen Theorie (und nicht nur Wirtschaftspolitik) auf: Die betrachteten Autoren werden nicht jeweils für sich vorgestellt und diskutiert, sondern Föste stellt eine Argumentation vor, zu der sie einzelne Vertreter jeweils als Beleg hinzuzieht. Sodann wird in der Einleitung noch die schwierige Aufgabe bearbeitet, den Merkantilismus abzugrenzen, wobei sie den Kameralismus und zum Beispiel Richard Cantillion ausschließt, aber William Petty einbezieht.
Aufgrund des negativen Bilds des Merkantilismus in der Theoriegeschichte beginnt die Autorin das zweite Kapitel mit einer kurzen Rezeptionsgeschichte. Es folgt die historische Einbettung in die Zeit der Herausbildung des Absolutismus und der Nationalstaaten. Danach wird der Merkantilismus auf einen einheitlichen, theoretischen Kern gebracht, der eben die nationalstaatliche Ausrichtung ist: "Das Streben nach staatlicher Macht als Selbstzweck lässt die merkantilistische Theoriebildung als einheitliche Doktrin erscheinen, alle weiteren Ausführungen finden in dem einheitlichen Prinzip der staatlichen Machtentfaltung ihren Ursprung." Dabei ist der Reichtum eine statische Größe und wird zwischen den Nationen verteilt. Doch auch diese, recht allgemeine und politische Zusammenfassung, relativiert Föste anhand einiger Autoren (insbesondere der italienischen Vertreter).
Das dritte Kapitel stellt nun das Geld in den Mittelpunkt: Föste sieht die Durchsetzung einer Geldwirtschaft als parallele Entwicklung zur Entstehung der Nationalstaaten, bei dem Geld Repräsentant und Maßstab des Reichtums und der Macht ist. Anders als von Smith behauptet verwechseln die Merkantilisten aber Geld nicht mit Reichtum, sondern sehen darin ein Mittel zur Steigerung des Reichtums.
Aufgrund einer beschränkten Menge an Edelmetallen diagnostizieren die meisten Merkantilisten einen erheblichen Geldmangel in ihrer Zeit. Aber auch hier stellt Föste die zahlreichen Gegenpositionen vor, wie sie zum Beispiel von John Law oder William Petty vorgetragen wurden. Die Abschnitte 3.2 bis 3.4 stellen den inhaltlichen Kern der Arbeit von Föste dar. Hier geht es um die eigentliche Geldtheorie der Merkantilisten. Es ist das Ziel der Autorin, die Merkantilisten als grundlegend für die moderne Geldtheorie darzustellen. Sie begründet diese Haltung mit einer "nahezu nominalistische(n) Geldlehre des Merkantilismus", bei der die Klassik als "analytischer Rückschritt" zum Merkantilismus gesehen werden müsse. Zudem wird die heutige Darstellung von Geldfunktionen von Föste auf die Merkantilisten zurückgeführt. Die verbreitete Einschätzung der Merkantilisten als Metallisten lehnt Föste als zu pauschal ab.
Zwar gibt es metallistische Positionen bei Autoren wie John Hales oder Jean Bodin, aber auch andere Ansichten wie bei John Locke oder John Law. Nur praktische Gründe wie der internationale Handel und Machtpolitik lassen die Merkantilisten für ein metallistisches Geldsystem plädieren. In dieser Haltung sieht Föste die Voraussetzung, um die Quantitätstheorie, die "größte theoretische Leistung" der Merkantilisten, entwickeln zu können, die von nahezu allen merkantilischen Autoren akzeptiert wird. Föste zeichnet die Entwicklung von Jean Bodin über Bernado Davanzati bis John Locke nach und landet bei dem von Mark Blaug als "merkantilistisches Dilemma" bezeichneten Problem, dass das Geld im Inland zu höheren Preisen führt und damit den angestrebten Handelsüberschuss konterkariert. Die Auflösung dieses Dilemmas, also der Grund warum die Merkantilisten dennoch nach einer höheren Geldmenge streben, sieht Föste in der Wachstumswirkung des Geldes. Das in der Euro-Zone aktuelle Thema des Umgangs mit unterschiedlichen Preisniveaus in einem, in diesem Fall durch Edelmetalle, fixiertem Währungssystem, streift der Text nur knapp.
Leider stellt Föste an dieser Stelle keinen Bezug zu David Hume her, der nur wenige Jahre nach den von ihr behandelten Autoren genau dieses Dilemma aufgreift und eine Brücke zur Klassik schlägt. ...
Föste hat eine gut leserliche, breit angelegte und engagierte Schrift zur Geldtheorie der Merkantilisten verfasst. Auffallend ist dabei die fast durchgängige Verwendung von älterer Sekundärliteratur, insb. Eli Heckschers grundlegende Schrift von 1932, obwohl es durchaus neuere gibt. So wurden z.B. die Begleitbände zu den Neuausgaben von Ferdinando Galiani, John Locke, Thomas Mun oder William Petty in der Reihe der Klassiker der Nationalökonomie nicht verwendet. Auf der anderen Seite führt dies dazu, dass die Autorin auch eine Vielzahl von heute weniger bekannten Autoren wie Bernado Davanzanti oder Geminiano Montanari und deren Leistungen vorstellt.
Da die unterschiedlichen Autoren jeweils, aber nicht durchgängig, bei unterschiedlichen Aspekten über das Buch verteilt auftauchen (z.B. Petty tritt nur in der ersten Hälfte auf), ist es schwer möglich, ihre Positionen jeweils für sich nachvollziehen zu können. Daher bleiben auch Zweifel an der zentralen These der Autorin, es gebe eine geschlossene Geldtheorie des Merkantilismus. Die auch von der Autorin immer wieder dargestellte Vielstimmigkeit und unterschiedliche Gewichtung von Positionen lässt eher vermuten, dass beim Merkantilismus,wie auch bei den anderen üblichen Schuleinteilungen der ökonomischen Theoriegeschichte, diese Einteilungen in der Geldtheorie wenig geeignet sind."
"Theoretisch entspricht der Merkantilismus dem sogenannten Handelskapitalismus oder der Epoche der ursprünglichen Akkumulation. Alle seine Bestrebungen zielten darauf ab, die Macht der frühkapitalistischen Nationalstaaten zu festigen und zu vergrößern, um diese dann dazu zu benutzen, "den Verwandlungsprozess der feudalen in die kapitalistische Produktionsweise treibhausmäßig zu fördern und die Übergänge abzukürzen" (Marx 1890: 779). Darin haben die merkantilistischen Ökonomen zweifellos Außerordentliches geleistet. Ihre Arbeiten auf dem Gebiet des Außenhandels, der Staatsfinanzen und des Geldes sind auch heute noch lesbar und keineswegs nur aus dogmenhistorischer oder wirtschaftsgeschichtlicher Sicht von Interesse. Ihnen kommt in der Geschichte des wirtschafts- und staatswissenschaftlichen Denkens eine eigenständige Bedeutung zu.
Das vorliegende Buch der Kölner Wirtschaftswissenschaftlerin Wilga Föste konzentriert sich auf die Rolle des Geldes im Denken merkantilistischer Ökonomen. Es greift damit eine der drei Hauptfragen der merkantilistischen Wirtschaftstheorie auf. Die beiden anderen sind die Rolle des Staates in der Ökonomie und der Außenhandel. Das Thema Geld erweist sich als besonders lohnend, denn erstens existierten auf diesem Gebiet bereits umfangreiche Vorarbeiten monetaristischer Theoretiker, woran die Merkantilisten unmittelbar anknüpfen konnten. Und zweitens hinterließen diese auf dem bearbeiteten Gebiet kein vorläufiges und fragmentarisches Lehrgebäude, sondern "eine nahezu vollständige Geldtheorie" (235). Für ihre detaillierte Analyse und die Darlegung der Grundzüge der merkantilistischen Theorie geht die Autorin davon aus, dass die merkantilistische Geldlehre vor allem "das Ergebnis realgeschichtlicher Phänomene" (ebd.) sei. Auslöser und zentrale Fragestellung ist mithin die Realgeschichte.
"Das ökonomische Denken einer Zeit" ist ihrer Meinung nach nur dann wirklich zu begreifen, "wenn der realgeschichtliche Hintergrund als Auslöser der Theoriebildung erkannt und bei der denkgeschichtlichen Analyse berücksichtigt wird" (236). Dieser Ansatz ist nicht neu. Er unterscheidet sich aber doch von den meisten dogmenhistorischen Arbeiten, welche eher geistesgeschichtlich angelegt sind und die realgeschichtlichen Hintergründe ausblenden. Zentral ist die These, wonach alle merkantilistischen Ökonomen ihre Arbeiten in den Dienst des Staates stellten und dass sie dabei das Ziel geeint habe, die staatliche Machtentfaltung zu fördern und einen Machtzuwachs des Staates zu bewirken. Insofern sei die merkantilistische Geldtheorie "normativ angelegt" (236), alle ihre Theoreme waren den machtpolitischen Bedürfnissen des Staates untergeordnet. Diese Feststellung ist sicher zutreffend, lässt aber außer Acht, dass die staatliche Machtentfaltung im historischen Prozess dieser Zeit eine Funktion hatte, nämlich die gewaltsame Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise. Insofern formulierten die merkantilistischen Denker ihre Reflexionen und Maximen nicht schlechthin im Interesse aufstrebender Nationalstaaten, sondern immer zugleich auch im Interesse des erstarkenden Kapitals. Dieser Aspekt hätte deutlicher herausgearbeitet werden können.
Die Autorin fasst ihren Gegenstand verhältnismäßig breit auf, engt den Untersuchungsbereich dann aber deutlich ein. So bezieht sich ihre Analyse auf den Gesamtzeitraum von rund 200 Jahren, wobei einige der betrachteten Ökonomen neben merkantilistischen Positionen auch andere Theorien vertraten. Im Einzelnen konzentriert sich die Untersuchung auf französische, englische und italienische Ökonomen, während die deutschen Denker dieser Zeit, ihrer Zuordnung nach mehrheitlich Kameralisten, vollständig übergangen werden. ...
Überhaupt scheinen diejenigen Passagen, die sich mit den nachhaltig produktiven Aspekten des Merkantilismus für die Theorieentwicklung beschäftigen, mit der Formulierung der Quantitätstheorie des Geldes etwa oder mit dem "merkantilistischen Dilemma" zwischen aktiver Handelsbilanz und stabilem Preisniveau und dessen Auflösung durch die Herausarbeitung der Rolle des Geldes bei der Belebung des Handels, der Autorin am besten gelungen. Unterschätzt wird von ihr dagegen der Beitrag des Merkantilismus zur Herausbildung der klassischen politischen Ökonomie von Adam Smith und David Ricardo bis zu Karl Marx und John Stuart Mill. Demgegenüber übertreibt sie vermutlich, wenn sie die merkantilistischen Ökonomen zu direkten Vorläufern der neoklassischen bzw. neomonetaristischen Schule, der subjektiven Werttheorie und der nominalistischen Geldauffassung erklärt. Ein wenig kollidiert die hierin zum Ausdruck kommende Würdigung, wonach "die nominalistische Geldwesenslehre des Merkantilismus zum gegenwärtigen Zeitpunkt die anerkannte Auffassung vom Wesen des Geldes" (233) sei, auch mit dem eingangs so vehement vertretenen historischen Zusammenhang und realgeschichtlichen Bezug. Insofern scheint es mir eher zutreffender zu sein, heute von der beachtlichen historischen Bedeutung der merkantilistischen Geldlehre zu sprechen als von ihrer "anhaltenden Aktualität" und davon, dass sie "ihre Relevanz während der gesamten nachfolgenden ökonomischen Theoriebildung nie verloren" habe und "auch heute noch zum gesicherten geldtheoretischen Wissen" zählt (234)."