Josef Wieland
2. Auflage ·
432
Seiten ·
48,00 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN
978-3-89518-884-8
(February 2012)
)
Mit einem Vorwort zur 2. Auflage. Die Erstauflage erschien 1989 im Haupt-Verlag, Bern.
Warum denken Menschen ökonomisch? Wann entdecken sie diese Denkform? Auf welche individuellen und gesellschaftlichen Probleme ist das Ökonomische eine Antwort? Was ist das überhaupt, das Ökonomische? Die vorliegende Arbeit versucht, die hier aufgeworfenen Fragen an ihrem Ursprungsort zu klären, im Moment ihres Entstehens. Der aber liegt nicht im England des 18. Jahrhunderts, sondern ist identisch mit dem Ursprungsort europäischer Kultur überhaupt: dem antiken Griechenland. Gegenstand der Analyse ist der Prozess der konstituierenden Entdeckung des ökonomischen Raumes als spezifischer Handlungssphäre durch das griechische Denken von Homer bis Aristoteles. Anhand eines Durchgangs durch einen großen Teil der erhaltenen Primärquellen und in Auseinandersetzung mit anderen Theorieansätzen (Weber, Polanyi, Finley, Schumpeter u.a.) versucht Wieland den Nachweis zu führen, dass das Griechische nicht nur über eine Vorstellung von der Wirtschaft als menschlicher Handlungssphäre verfügte, sondern diesen Rahmen bewusst konstituierte in dem Versuch, den Zerfall der griechischen Polisgemeinschaft zu verhindern. Dabei werden die Primärquellen besonders unter den Gesichtspunkten des Zusammenhangs von gesellschaftlicher Institutionenentwicklung und Entwicklung ökonomischer Analytik, der Ausdifferenzierung verschiedener Rationalitätstypen und Gegenstandsbereiche der Ökonomie, der koevolutiven Entwicklung von Ethik (Philosophie) und Ökonomie sowie der Ausdifferenzierung distinkter ökonomischer Kategorien (Denkformengeschichte) analysiert.
"Josef Wielands 'Entdeckung der Ökonomie' ist auch heute noch, nach 20 Jahren, eine Entdeckung; es gibt kein vergleichliches Buch, das die Entstehung des ökonomischen Denkens aus dem Geist der Antike so fundiert wie überzeugend rekonstruiert. Das ökonomische Denken erweist sich als ein originär europäisches Konzept und weitaus breiter angelegt, als uns die modern economics heute vorkommt."
Birger P. Priddat
"Die Arbeit Wielands beeindruckt durch seine umfassende Kenntnis der klassischen griechischen Philosophie. Ihr ist sicherlich auch der Umfang des Werkes geschuldet. Freilich verleitet dieser oftmals den Autor, in der Argumentation weite Umwege einzuschlagen, die dann erst spät zum Thema zurückführen - oder auch nicht. Natürlich wirft ein derart umfangreiches Werk viele Fragen auf, welche sich diskutieren ließen. So etwa Wielands Hypothese, dass sich der Handel aus dem Gabentausch entwickelt habe. Denn Letzteres stellt eine eher rituelle Aktivität der Oberschichten dar, welche wenig Berührungspunkte mit den kommerziellen Handlungen der unteren Gruppen aufwies. Eine eher grundsätzliche Überlegung könnte dahin gehen, inwieweit die Auffassungen der Philosophen die Verhaltensweisen der Wirtschaftssubjekte tatsächlich bestimmten. Das gilt vor allem für die Bewertung der physischen oder organisatorischen Arbeit. Eine Frage, welche der Autor sehr vorsichtig umkreist. Denn obwohl diese Tätigkeiten offiziell verachtet wurden, scheinen sie sich immer stärker durchgesetzt zu haben. Das beweist nicht nur der expansive griechische Fernhandel, sondern der gesamte kommerzielle Sektor der Gesellschaft mit hoch entwickelter Organisation auch der agrarischen Produktion, der Bergwerke und des Finanzsektors, der letztlich sogar zur Gründung von Banken führte. Und das gilt wohl auch für das von Wieland besonders akzentuierte, von allen Philosophen ultimativ geforderte "Maßhalten" in der Akkumulation des Reichtums. Es sind keine empirischen Hinweise darauf erkennbar, dass sich irgendjemand daran gehalten hätte.
Natürlich ist das Thema des Buches in erster Linie das intellektuelle Erfassen des griechischen Wirtschaftssystems. Aber irgendwo wäre ein Hinweis angebracht gewesen, dass der öffentliche Diskurs seinen Niederschlag nicht in allen Wirtschaftsbereichen gefunden hatte. Institutionenökonomisch ergeben sich Änderungen vor allem der informellen Verhaltensdeterminanten dann, wenn die Subjekte wiederholt Erfahrungen über die Unzulänglichkeit der bisherigen realisieren. Und das war auch im klassischen Griechenland offensichtlich der Fall.
Zweifellos ein interessantes, anregendes und oft auch vergnüglich zu lesendes Buch. Für die dritte Auflage könnte der Autor auf die angestoßenen Gedanken eingehen.