Marco Lehmann-Waffenschmidt
23 Seiten · 5,27 EUR
(08. August 2016)
Aus der Einleitung:
Im zweiten Teil seines Faust-Dramas, das Goethe kurz vor seinem Tod 1832 abgeschlossen hat, kommt es im ersten Akt am kaiserlichen Hof zu einem erstaunlichen Vorgang. Mephisto gibt sich an Stelle des echten Hofnarren, der seinen Rausch ausschläft, vorübergehend als dieser aus und erfindet in einer festlichen Maskerade das Notenbank-Papiergeld. Damit ist Mephisto ein echter Innovator, denn das Faustdrama spielt zu Anfang des 16. Jahrhunderts, das Notenbank-Papiergeld wird aber – zumindest in Europa – erst gut hundert Jahre später eingeführt. An der anschließenden Unterhaltung nach Mephistos Geldschöpfung nehmen außer Faust, Mephisto und dem Kaiser auch die Würdenträger des Reichs, einige Bedienstete und – ganz wichtig – der wieder nüchterne echte Hofnarr teil. Dabei erfährt der Leser viel über die Eigenschaften und Auswirkungen des gerade neu geschaffenen Papiergelds. An vielen Stellen ruft dies beim heutigen Leser Déjà-Vu-Gefühle hervor, gerade in unseren bewegten Zeiten der misslingenden Praxis auf Finanzmärkten, der ausufernden ubiquitären Verschuldung, der politisch ehrgeizigen, aber unprofessionellen geldpolitischen Experimente und der aus all dem entstandenen ökonomischen und politischen Destabilisierung in der Welt – die sich sogar im zuvor stabilen Nachkriegseuropa auswirkt. Genießen wir Goethes wunderbare Verse (II. Teil, 1. Akt) zu einem der bestimmenden Themen unserer Tage, und lassen wir uns anschließend überraschen, wie ein solches Gespräch heute aussehen könnte.
geb. 1956, ist Professor für Volkswirtschaftslehre, insb. Managerial Economics an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Dresden. Schwerpunkte: Evolutorische Ökonomik, Verhaltensökonomik.
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