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Das Wirtschaftsdenken in Japan

Eine Studie zur japanischen Rezeption europäischer Wirtschaftstheorien im ausgehenden 19. Jahrhundert

263 Seiten ·  34,80 EUR (inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-7316-1033-5 (November 2013) )

 

Dieses Buch zeigt auf, wie westliches Denken über ökonomische Fragen im ausgehenden 19. Jahrhundert in Japan aufgenommen, diskutiert und mit den eigenen geistigen Traditionen zu verschmelzen versucht wurde. Es belegt, dass die Rezeption in dieser Zeit durch zwei wirtschaftliche Theorieschulen geprägt ist: die englischsprachige klassische Nationalökonomie und die deutsche Historische Schule.

Die Aufnahme der westlichen Nationalökonomie wird hier jeweils auf drei Ebenen dargestellt. Es werden auf der ersten Ebene Institutionen diskutiert, die europäisches Wissen zu verarbeiten hatten, wie insbesondere akademische Gesellschaften. Auf der zweiten Ebene wird an einer Person biographisch gezeigt, wie sie durch die alte japanische Welt geprägt war, wie sie mit westlichem Denken in Berührung kam und wie sie den Kontrast vor dem Hintergrund der zeitgenössischen japanischen Entwicklung, insbesondere der Wirtschaftsentwicklung, verarbeitete. Auf der dritten Ebene erfolgt das für eine Geschichte des ökonomischen Denkens Zentrale: die hermeneutische Untersuchung eines Textes.

Um die Rezeption der Wirtschaftstheorien in seiner Genese zu erfassen, dient der erste Abschnitt des Buches. Dort werden ökonomische Strukturen betrachtet, die bereits vorhanden sind, bevor sich Japan nach einer über 250 Jahre anhaltenden Abschottung im Jahr 1868 in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht vollständig öffnet. Im zweiten Teil wird auf Fukuzawa Yukichi (1835-1901) eingegangen. Auch wenn er selbst nicht theorienbildend wirkt, vertritt er - neben der Verkündung des liberalen Prinzips - stets die merkantilistische Einsicht, dass sich militärische Stärke und Reichtum gegenseitig bedingen und dass nur durch die verstärkte Aufnahme des Außenhandels der Anschluss an die internationale Entwicklung gefunden werden kann.

Im dritten und letzten Abschnitt wird eine der klassischen Lehre gegenläufige Tendenz erkannt und analysiert. Etwa ab dem Jahr 1880 werden Überlegungen deutscher Wirtschaftswissenschaftler in Japan aufgegriffen. Dieser Kurswechsel wird durch Kanai Noburu (1865-1933) eingeleitet. Als führender Repräsentant der Deutschen Historischen Schule gründet er das japanische Pendant zum deutschen "Verein für Socialpolitik".

Für diese Studie wurden neben westlich-sprachiger Sekundärliteratur japanische Primärquellen herangezogen, erschlossen und vielfach zum ersten Mal auszugsweise übersetzt.
Fachbuchjournal 3/2015 S. 73 ()

"Die Autorin zeigt auf der Basis einer breiten Auswertung der japanischen Quellen eindrucksvoll, wie die Rezeption der klassischen Wirtschaftstheorie zwar in Fukuzawas Zeit fällt, er selbst aber nicht unbedingt nur einer wirtschaftstheoretischen Sichtweise allein zuzuordnen ist. Er ist kein Vertreter des freien, staatsfernen Marktes, sondern sieht die Ökonomie als "Handlungsfeld des Staates". Bildung und technologischer Fortschritt seien die Voraussetzungen dafür, dass sich Japan mit Gewinn am Handel mit den westlichen Mächten beteiligen könne.

Während das Leben und Werk Yukichi Fukuzawas in Japan und bei uns recht gut erforscht ist, stellte die Rezeption der deutschen Historischen Schule mit ihrer Verbindung von Sozialanalyse und Sozialpolitik bislang ein Desiderat der Forschung dar. Im Hauptteil ihres Buches zeichnet die Verf. nach, auf welche Weise das deutsche Denken über Staat und Wirtschaft nach Japan gelangte und die britische Freihandelsschule mehr und mehr an den Rand drängte. ... Zu den Pionieren der japanischen Volkswirtschaftslehre und Sozialpolitik gehörte Noburu Kanai, der in Deutschland bei den Großen der Zunft studiert hatte und seine Erfahrungen und Erkenntnisse nach seiner Rückkehr in die Heimat zur Geltung brachte. Seine Rolle im Wissens- und Kulturtransfer wird von der Autorin anschaulich beschrieben.

... hat die Autorin eine profunde Arbeit vorgelegt, die uns nunmehr ein besseres Verständnis des sozialen und wirtschaftlichen Denkens in Japan um 1900 erlaubt. Eine instruktive Aufstellung von 77 japanischen Übersetzungen westlicher Literatur zur Wirtschaftstheorie und -politik schließt das lehrreiche Buch ab."



Wirtschaft und Gesellschaft, 2014, Heft 2, S. 350-353 ()

"In Japan werden europäische wirtschaftswissenschaftliche Schriften punktuell rezipiert. Man übersetzt und liest, was dem zeitgenössischen Interesse am ehesten zu entsprechen scheint. Zunächst liest man die Schriften der jüngeren Vertreter der Deutschen Historischen Schule. Bei der Rezeption der Klassik widmet man sich zunächst dem, was in übersetzter Form vorhanden ist, und beginnt dann, von diesen Werken ausgehend, die Literatur der geistigen Väter zu lesen. Die Rezeption des wirtschaftlichen Wissens in Japan entspricht somit nicht der Chronologie seiner Genese in Europa: In den 1870er-Jahren wird John Stuart Mill, in den 1880er-Jahren Adam Smith und in den 1890er-Jahren der Physiokrat Francois Quesnay in Japan bekannt.

Um den Zusammenhang zwischen allgemeinen Denkmustern, ökonomischem Denken und der Organisation des Wirtschaftens in Japan im 19. Jahrhundert genauer zu bestimmen, erforscht die Autorin, inwieweit Kultur und Wirtschaft interagieren und ob das Wirtschaftsdenken kulturellen Einflüssen unterliegt. Gefragt wird danach, ob der Konfuzianismus als ethische Grundlage gelten kann, die die ökonomische Gesinnung japanischer Wissenschaftler in den Anfängen der Industrialisierung prägt. Nun lassen sich im untersuchten Zeitraum deutlich zwei eigene Denktraditionen in der Rezeption wirtschaftstheoretischer Grundlagen in Japan unterscheiden. Das Charakteristische an der Ersten ist, so die Autorin, dass sie sich durch Extrovertiertheit auszeichnet. Damit ist gemeint, dass die Rezeption in der ersten Hälfte der Meiji-Zeit durch einen "Blick nach außen" bestimmt wird. Der Vergleich mit dem westlichen Ausland schärft den Blick für die Situation im Inland. Dieser Rezeptionsstrang wird hier durch Fukuzawa Yukichi (1835-1901) personifiziert, der die in der Ferne gewonnenen neuen Eindrücke reflektiert. Für die zweite Hälfte der Meiji-Zeit lässt sich eine introvertierte Herangehensweise feststellen, die sich durch einen "Blick nach innen" auszeichnet. Rezipiert wird nun nicht mehr in erster Linie, um eine Entwicklung nachzuholen und sich dabei eines fremden Entwicklungskonzeptes zu bedienen, sondern um die durch die nachholende Entwicklung entstandene Situation im Landesinneren zu verbessern. Kein externer Reiz, sondern ein interner Stimulus gibt den Anstoß, sich für die Ideen einer neuen Wirtschaftstheorie zu interessieren. Der zweite Rezeptionsstrang wird hier durch die Person Kanai Noburu (1865-1933) dargestellt.

Das Gemeinsame an beiden Rezeptionssträngen ist, so die Autorin, dass beide neues Wissen integrieren. Jedoch dient dieses Wissen nicht dazu, vorhandenes Wissen zu verdrängen. Dem bereits vorhandenen Wissensstock wird sogar eine höhere Bedeutung beigemessen. Keiner der beiden Rezipienten löst sich völlig aus dem Korsett patriotischer Verpflichtungen. Die Angst vor der Nivellierung japanischer Eigentümlichkeiten, gar vor einem japanischen Identitätsverlust ist in dieser Zeit zu groß, um sich vollständig auf neue Denkstrukturen einzulassen und sich den damit einhergehenden wirtschaftspolitischen Forderungen zu stellen.

Es ist interessant zu beobachten, wie sich ethische Gesichtspunkte durch den betrachteten Zeitraum hindurch in den Aussagen und dem Wirken der Rezipienten spiegeln: Hier ist eine Asymmetrie zwischen beiden Rezeptionslinien festzustellen. So kann Fukuzawa Yukichi nur zu neuem Wissen gelangen, indem er sich zunächst von seiner ethischen Prägung, dem Konfuzianismus, bewusst und vehement emanzipiert. Geistig befreit wendet er sich neuem Wissen zu, auch wenn er sich in seinen späteren Jahren wieder auf den Konfuzianismus einlassen und ihn schätzen wird. Der andere, Kanai Noburu, kommt zuallererst aufgrund der konfuzianischen Bildungsgrundlagen, die ihm in seinem Elternhaus vermittelt werden, auf den Gedanken, wie geistig gewinnbringend es für ihn sein könnte, neues Wissen abseits der im Elternhaus beschrittenen Pfade zu erlangen. So haben wir es in Japan im ausgehenden 19. Jahrhundert mit einer Rezeption europäischer Wirtschaftstheorien vor der kulturellen Folie des Konfuzianismus zu tun. Gleichwohl ist jeweils genau zu bestimmen, in welcher Weise dieser die Rezeption prägt. Die These vom interdependenten Zusammenhang von Kultur und Wirtschaft wird dementsprechend im Rahmen dieser Arbeit bestätigt und differenziert. ...

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die japanische Rezeption in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts mit der Aufnahme der Anschauungen der Deutschen Historischen Schule einen neuen Akzent erfährt, gleichzeitig aber auch auf traditionelle Ansichten rekurriert. Es gilt hier auch zu betonen, dass im 19. Jahrhundert in Japan nicht nur um der wirtschaftlichen Prosperität willen westliche ökonomische Ideen aufgegriffen werden, sondern auch, um sich den gesellschaftlichen Idealen von politischer wie nationaler Freiheit und individualethischer Selbstbestimmung zu nähern. So werden durch das Studium der deutschen Literatur und Philosophie durch japanische Studenten die Werke Goethes und Schillers und die philosophischen Schriften Nietzsches und Kants in die japanische Sprache übertragen. Mit dieser Untersuchung wurde der Grundstein gelegt, die Anfänge der japanischen Nationalökonomie aufzuarbeiten. Ein äußerst lesenswertes und empfehlenswertes Buch."




the author
Dr. Hannah Kreis
Hannah Kreis studierte Politologie und Volkswirtschaftslehre in Frankfurt am Main, Osaka und Kioto. Promotionsstudium am Lehrstuhl für Volkswirtschaftlehre, insbes. Wirtschaftstheorie von Prof. Dr. Dres. h.c. Bertram Schefold an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.
dem Verlag bekannte Rezensionen
  • "lehrreiche Buch" ...
    Fachbuchjournal 3/2015 S. 73 mehr...
  • "Ein äußerst lesenswertes und empfehlenswertes Buch." ...
    Wirtschaft und Gesellschaft, 2014, Heft 2, S. 350-353 mehr...
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