Hubert Wiggering
unter Mitwirkung von Dietmar Schallwich und Roderich Thien
"Agrarkultur im 21. Jahrhundert"
182 Seiten ·
18,00 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-7316-1268-1
(April 2017
)
"»Land, Landschaft, Landwirtschaft 2071« ist eine Geschichte mit zwei Blickrichtungen auf die Produktion von Nahrungsmitteln: nach vorn und zurück. Es macht deutlich, dass die Probleme und Herausforderungen in einer zukünftigen Landwirtschaft vielschichtig sind. Mit Rückblicken auf vergangene Entwicklungen der Agrarsysteme wird klar, dass wir aus heutigem Tun lernen müssen und nicht immer wieder dieselben Fehler machen dürfen. Um die zukünftigen Herausforderungen in einer sich verändernden Welt in all ihren Dimensionen darzustellen, wählt der Autor als Stilmittel die Gedanken und Diskussionen in und um ein Expertengremium im Jahr 2071. Das Gremium fungiert in einer beratenden Rolle für die Politik und unterstützt die Entscheidungsfindung bei der Weiterentwicklung der Agrarwirtschaft. Zuerst werden dem Leser die Mitglieder des Gremiums und ihre jeweiligen Werdegänge vorgestellt. Anschließend wird die Arbeit in einem Expertengremium kritisch reflektiert, bevor die Charaktere im Gremium schließlich über die anstehenden Probleme bei der Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft diskutieren. Dabei geht es um Vermaisung und Sojafikation, bäuerliche Landwirtschaft, die europäische Agrarpolitik und vieles mehr. Am Ende geht die Politik mit ihrer Idee zur besseren Landwirtschaft in die Umsetzung und merkt dabei recht schnell, dass die Lösung des Problems nicht so einfach ist wie erhofft.
Die Einblicke in die Arbeit eines Expertengremiums sind sehr anschaulich beschrieben. Schön ist auch, dass der Autor diese kritisch hinterfragt und Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit und Kommunikation der diversen Akteure nicht auslässt. Leider ist der Schreibstil recht fachlich gehalten, Fach- und Fremdworte reihen sich in langen Sätzen aneinander. Das Buch liest sich daher nicht nebenher, sondern bedarf einiger Konzentration. Die Einleitung und der Einstieg in die Geschichte mit der Vorstellung der Mitglieder des Expertengremiums ist recht lang. Es bleibt daher leider nicht wirklich viel Zeit für den Erzählstrang der Geschichte. Dem Autor geht es hauptsächlich darum, die wichtigsten Probleme, die die Landwirtschaft umtreiben, näher zu beleuchten. Von verschiedenen Anbauarten über politische Leitplanken zu Planungsinstrumenten, Entsorgung und Recycling, bis hin zur gesellschaftlichen Revolution und neuartigen Geschäftsmodellen werden einige der wichtigsten Punkte in den Diskussionen des Expertengremiums aufgegriffen. Die vielseitigen Themen werden also auch aus der Sicht der unterschiedlichen Akteure beleuchtet. Diese Vielschichtigkeit macht den Reiz des Buches aus.
Der zukünftige Umgang mit Land, Landschaft und Landwirtschaft ist gerade zur Zeit der Reform der europäischen Agrarpolitik von besonderer Aktualität und Herr Wiggering hat durch seine Arbeit in verschiedenen beratenden Gremien einen sehr guten Überblick über die Tendenzen und Entwicklungen der Agrarpolitik. Daher ist das Buch, zumindest als kleine Anregung, selbst aktiv zu werden, zu empfehlen. Beim Lesen kommt man nicht umhin, sich zu fragen, wie man sich das Jahr 2071 selbst vorstellt. Am Ende muss jeder selbst für sich entscheiden, ob er die Geschichte von Landwirten mit Tablets und Drohnen für eine Fiktion hält oder ob diese doch von der Realität eingeholt wird.
Das alles, hier extrem verkürzt, kommt nicht mit schlichtem gut/schlecht-Raster daher, sondern voller Hinweise auf die Widersprüchlichkeiten effizienter Techniken, auf Zwänge und Zielkonflikte, differenzierend, zuweilen ironisierend. Nicht nur die Zwillinge Nscho und Tschi Nativus, die als Vertreterinnen einer dann jungen Generation zu diesen Beratungen beigezogen wurden, fragen sich nach all den Einblicken in Trends und Gegentrends, wo da die Verantwortung blieb: "Wer macht denn die Agrarpolitik?" Auch das kann der Autor nicht einfach und schlüssig beantworten, obwohl oder gerade weil er selbst seit langem als Experte in entsprechenden Gremien mitgewirkt hat. Schon im Untertitel klingt an, wie schwankend seine Position ist: "Eine Geschichte zwischen Traum und Trugschluss, die gerne eine Fiktion wäre und doch von der Realität eingeholt wird. Erzählt von Hubert Wiggering."