sprache Deutsch
sprache English
» Zum Merkzettel
0 Artikel
» Zum Warenkorb
0 Artikel - 0,00 EUR


 Startseite » Geschichte  » Wissenschaftsgeschichte  » Sekundärliteratur 

Nationalökonomie und Nationalsozialismus

Die deutsche Volkswirtschaftslehre in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts

Umfangreicher Biobibliographischer Anhang, Personenregister

"Geschichte der deutschsprachigen Ökonomie"  · Band 10

4., überarbeitete Auflage ·  728 Seiten ·  38,00 EUR (inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-89518-875-6 (December 29, 2011) )

 

In der Literatur zum Nationalsozialismus ist immer wieder behauptet worden, daß die Entwicklung, die zu Hitler geführt habe, den logischen Endpunkt der deutschen Geschichte darstelle. Diese These wird sowohl für die politische als auch für die Geistesgeschichte vertreten. Mit dem vorliegenden Beitrag geht der Autor der These vom deutschen Sonderweg für die Volkswirtschaftslehre nach. Gab es überhaupt so etwas wie eine nationalsozialistische Wirtschaftslehre, in welchen theoriegeschichtlichen Kontext haben wir diese einzuordnen und welchen Einfluss übte sie auf die Entwicklung in den dreißiger Jahren aus? War darüber hinaus die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus dominierende ökonomische Lehre der »logische Höhepunkt« einer länger angelegten Sonderentwicklung in der deutschen Ökonomie?

Aus dieser Perspektive sind Themen, Strömungen und Werke ausgewählt worden - es geht dem Autor weniger um die Fortschritte der Disziplin aus heutiger Sicht, sondern um damals wichtige Lehren und ihr Verhältnis zur nationalsozialistischen Herrschaft und Ideologie.

Ordo, Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, 2015, Bd. 66, S. 359-362 ()

"Der theoretische Konflikt zwischen den deutschen Nationalökonomen zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch: Die historische Schule und die von der Klassik und der Neoklassik inspirierten Theoretiker stehen sich unversöhnlich gegenüber, es herrscht eine Art "Lagermentalität" (S. 34). Die Theoretiker sehen die Ökonomie als eine rein positive Theorie, die versucht, allgemeingültige Sätze abzuleiten, die historische Schule versteht sich eher als normative Theorie, die sich mit den konkreten sozialen Gebilden in ihrem historischen Kontext beschäftigt. Die Gefahren, denen eine normative Theorie ausgesetzt ist, welche sich in den Dienst der Interessen der jeweiligen Politik stellen soll, liegen angesichts des Themas auf der Hand.

Es ist bedrückend zu lesen, wie unversöhnlich sich zwei Lager gegenüberstehen, die für sich benommen beide interessante und berechtigte Ansätze zeigen - hier der analytische Ansatz der Theoretiker, die versuchen, mit Hilfe der Logik allgemeingültige Sätze und Aussagen herzuleiten, dort die Historische Schule, die ökonomische Prozesse und Ideen in das jeweilige soziale, kulturelle, psychologische und historische Umfeld eingebunden wissen will. Und wie ähnlich doch die Grenzziehung zwischen den Ökonomen heute, die sich mehr der ordnungstheoretischen Schule zuwenden wollen und den Ökonomen amerikanischen Zuschnitts, die Volkswirtschaftslehre eher als Naturwissenschaft verstehen. Wenn das Ziel der Geschichtsschreibung ist, aus der Geschichte zu lernen, dann hat sie hier noch Potential - vielleicht kann das Buch von Janssen hier ein wenig Abhilfe schaffen; wünschenswert wäre es allemal. ...

Janssens Buch gilt längst als Standardwerk zu diesem Thema - und das zu Recht. Es zeichnet ein breites Panorama deutscher Nationalökonomen zwischen den beiden Weltkriegen, portraitiert viele - zu Recht oder zu Unrecht - längst dem Vergessen anheimgefallene deutsche Ökonomen und deren Ideen und würdigt vor allem im vierten Kapitel den Beitrag deutscher Ökonomen zum Keynesianismus. Zugleich zeigt er die Wurzeln der nationalsozialistischen Wirtschaftstheorie, respektive -ideologie. Nicht zuletzt ist das mehr als 100 Seiten dicke bibliographische Verzeichnis am Ende des Buches mit den Lebensläufen und wichtigsten Publikationen vieler deutscher Ökonomen eine Fundgrube und fast ein eigenes Nachschlagewerk für sich.



Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.1.2012 ()

"Das zwar dickleibige, aber dennoch sehr gut lesbare Buch hat sich zu Recht als Standardwerk zur Entwicklung der deutschen Volkswirtschaftslehre in der Zwischenkriegszeit entwickelt. ... Janssen zeigt, wie sozialpolitisches Denken nach 1933 an Bedeutung gewann und wie Versuche unternommen wurden, geld- und finanzpolitische Vorstellungen an die politisch vorgegebene Wirtschaftslenkung anzupassen. Am Ende lag nicht nur Deutschland in Trümmern, sondern auch weite Teile der deutschen Nationalökonomie."

Berliner Debatte Initial, 4/2009, S. 141-143 ()

"Hauke Janssen ist mit diesem Buch in mehrfacher Hinsicht eine beeindruckende Leistung gelungen: Erstens durch die geschlossene Darstellung des wirtschaftstheoretischen Denkens in der Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Zweitens durch die Analyse nationalsozialistischer Ideologie und Wirtschaftspolitik und die Aufdeckung ihrer wirtschaftstheoretischen Wurzeln. Drittens durch die Erstellung eines mehr als 100 Seiten umfassenden "Bibliografischen Verzeichnisses", das es bisher nicht gegeben hat. Und viertens durch die umfangreichen und außerordentlich sorgfältig aufbereiteten Literaturverweise und -angaben im Text und im Anhang des Werkes. ...

Dabei wird deutlich, wie sich die deutsche Volkswirtschaftslehre in den zwanziger Jahren zwischen Historismus und Romantik einerseits und klassischer Tradition und Neoklassik andererseits entwickelt hat. Das nationalsozialistische Wirtschaftssystem, das sich 1933 sehr rasch etablierte, stellte dabei weniger eine Fortsetzung konservativer Strömungen in der deutschen Volkswirtschaftslehre dar als einen "Bruch" mit der liberalen Tradition in ihr. Das Regime diskriminierte und unterdrückte bestimmte Forschungsansätze, insbesondere die klassisch-neoklassischen, und förderte andere, vor allem solche historistischer und romantischer Provenienz und deutschnationaler Prägung. Dadurch wurden letztere, welche sich während der Zwanziger bereits im Niedergang sahen, wieder aufgewertet, während erstere, an der internationalen Forschung orientierte Ansätze, an Boden und an Einfluss verloren. Es kann jedoch keine Rede davon sein, dass das Rad der Dogmengeschichte nach 1933 gänzlich zurückgedreht worden ist. Vielmehr entwickelten sich unter dem Nationalsozialismus in Deutschland unterschiedliche Ansätze wirtschaftlichen Denkens neben- und miteinander. So die keynesianisch inspirierte, teilweise aber auch den eigentlichen Keynesianismus vorwegnehmende "neue Wirtschaftslehre", wofür Namen wie Lautenbach, Donner, Gestrich, Grünig, Nöll von der Nahmer, Preiser und Föhl stehen, und andererseits die nationalsozialistische "politische Ökonomie". Die NS-Ideologie bediente sich beider Richtungen, auch wenn erstere ideologisch nur bedingt passfähig war, während letztere uneingeschränkt der Rechtfertigung der Wirtschaftspolitik des Regimes und später der "theoretischen" Untermauerung der Kriegswirtschaft diente.

Es ist ein Verdienst des Autors, beide Richtungen zusammen und in ihrem Zusammenhang behandelt zu haben. Damit wird zugleich der Beitrag deutscher Ökonomen zum Keynesianismus mehr als sonst üblich gewürdigt. Viele Namen werden der Vergessenheit entrissen und wieder stärker ins Bewusstsein gerückt. Die deutschsprachige Wirtschaftswissenschaft kann auf eine lange und ehrwürdige Tradition verweisen. Dass diese seit den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts weitgehend in Vergessenheit geraten ist, ist aber nicht nur auf die weltweite Dominanz anglo-amerikanischer Denkschulen nach 1945 zurückzuführen, sondern auch auf die nicht zu leugnende "ideologische Verstrickung" der deutschen Nationalökonomie mit dem Nationalsozialismus. Die vom Regime verlangte und von nicht wenigen Wissenschaftlern willfährig vollzogene "Preisgabe der Neutralität" der Wissenschaft führte mehrheitlich zu einem "Bekenntnis zum Nationalsozialismus" (259). Dies aber war für alle Gegner des nationalsozialistischen Regimes Grund genug, die deutsche Nationalökonomie der 1930er Jahre in summa zu ächten. Um diesen Zustand zu beenden, ist die detaillierte Aufarbeitung der Wissenschafts- und Ideologiegeschichte jener Zeit ein unbedingt hervorzuhebendes Anliegen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es nur so gelingt, den Unterschied zwischen wissenschaftlichem Denken und bloßer wirtschaftspolitischer Apologetik herauszuarbeiten. Interessant sind aber auch die vielfachen Verschlingungen und personellen Vernetzungen der einzelnen Schulen und Richtungen, ihre geschichtlichen Wurzeln und politischen Konsequenzen, auf welche im Buch ausführlich anhand einzelner Theoriefelder und namhafter Autoren eingegangen wird.

Wer sich der Mühe unterzieht und das gesamte Werk durcharbeitet, hat am Ende viel gelernt. Wer jedoch in dem Buch lediglich ein großartiges Nachschlagewerk erblickt, wird ebenfalls nicht enttäuscht. Es erfüllt auch diesen Anspruch. Das Wichtigste ist jedoch, dass mit dem Buch von Janssen eine große Lücke in der Theoriegeschichte der Wirtschaftswissenschaften geschlossen wurde."



Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.11.2009, S. 14 ()

"Es ist gut, dass der Metropolis-Verlag dieses seit langem vergriffene Buch in einer 3. Auflage wieder an den Markt gebracht hat. Denn Hauke Janssens dickleibige Schrift hat sich als Standardwerk zu diesem Thema etabliert, und dies völlig zu recht. Denn der offenkundig belesene Verfasser kennt sich in jener dunklen Zeit aus. Mit den wichtigen - und manchen weniger wichtigen - Ökonomen und ihren Werken ist er sehr gut vertraut. Überdies schreibt er lesbar.

Das Buch beginnt mit einer Schilderung der deutschen Volkswirtschaftslehre in den zwanziger Jahren, als die theorieferne Historische Schule an Einfluss verlor und junge Wissenschaftler im Einklang mit der internationalen Entwicklung sich stärker theoretischen Arbeiten zuwandten. Hiervon profitierten vor allem die Geldtheorie und, mit ihr verbunden, die Konjunkturforschung. ... Anschließend behandelt Janssen die "Gleichschaltung" der Ökonomik im Jahre 1933 und den nachfolgenden Versuch, eine dem Nationalsozialismus genehme Wirtschaftslehre zu schaffen. Es ist eine Geschichte voll mit braunen Überzeugungstätern und Karrieristen, ein paar Altmeistern, die sich anbiederten, aber zurückgewiesen wurden, vielen Opportunisten, ebenso vielen Schweigsamen und ein paar Aufrechten. Heraus kam eine Lehre, die historisches, romantisches und nationalsozialistisches Denken mit etwas Keyanesianismus und planwirtschaftlichem Denken verband."



Junge Freiheit, 15.01.1999 ()

Jens Jessen und Otto Ohlendorf: Vergleicht man die Lebenswege und vor allem die Todesumstände dieser beiden Ökonomen, die sich eine Zeitlang nahestanden, sind Irritationen unausweichlich. Gemeinsam versuchen sie 1933/34, das noch heute renommierte Institut für Weltwirtschaft in Kiel zu einer Hochburg nationalsozialistischer Wirtschaftstheorie umzugestalten. Nach dem Scheitern dieser Pläne laufen ihre Karrieren im Endergebnis auseinander: Jessen, seit 1930 NSDAP-Mitglied und auch nach dem Kieler Intermezzo in reputierlichen Positionen, ist in den 20. Juli 1944 involviert, wird verhaftet und hingerichtet. Ohlendorf hingegen übernimmt auf Empfehlung von Jessen und dessen Freund Höhn das Amt III in Heydrichs Reichssicherheitshauptamt (RSHA), von Juni 1941 bis Juni 1942 als Chef die Einsatzgruppe D., der über 90.000 Opfer auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetuinion zugeschrieben werden. Dafür wird nach dem Krieg über ihn das Todesurteil ausgesprochen und vollstreckt. Offenbar waren es nicht theoretische Positionen und die Beteiligung an akademischen Cliquen allein, anhand derer sich Schicksale entschieden: eigentlich eine schlechte Ausgangssituation, um die Verknüpfung einer Disziplin mit den Zeitläufen nachzuzeichnen.
Allerdings ist in der nationalökonomischen Dogmengeschichte selten so viel Schicksalshaftigkeit wie in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts anzutreffen, was allein schon die Arbeit von Hauke Janssen - seine Dissertation - zu einer phasenweise fesselnden Lektüre macht - und dies, obwohl seine Vorstöße zum Ende des Nationalsozialismus, zum Krieg und seinen besonderen ökonomischen Erfordernissen, aber auch zu den Nachkriegsplanungen, die entwickelt wurden, eher Ausflugscharakter besitzen. Das eindeutige Schwergewicht liegt auf der Umbruchssituation der frühen 30er Jahre über die nationalsozialistische Machtergreifung hinweg bis zur Etablierung von neuen Strukturen und neuen Personenkonstellationen, die im Einklang mit den Intentionen des Regimes gesehen werden können. Durch den bibliographischen Anhang verleiht Hauke Janssen seiner Publikation sogar den Charakter eines Handbuches, der nur durch das Fehlen jeglichen Registers geschmälert wird.
1933 kann ebenso wenig wie 1945 von einer Stunde Null in der Nationalökonomie gesprochen werden, die Paradigmenwechsel in der Theoriebildung verlaufen nicht synchron zu den politischen Umbrüchen. Hauke Janssen trägt dem Rechnung, indem er sehr weit ausholt: Minutiös wird ein Panorama der akademischen Nationalökonomie in der Weimarer Republik einschließlich ihrer Zeitschriften und Vereinigungen, hier vor allem des Vereins für Sozialpolitik, entworfen. In kaum beschönigender Form wird dabei auch das nahezu konspirative Vorgehen der primär "theoretisch" orientierten "Ricardianer" skizziert, jener Gruppe um Eucken, Rüstow und einige andere, die sich anschickte, der in Agonie gefallenen historischen Schule das Terrain, das heißt Lehrstühle, Etats und Publikationsräume, streitig zu machen. Janssen gelingt es sogar, die unfreiwillige Komik dieser Bemühungen offenzulegen etwa in seiner Darstellung jener Tagung der Friedrich-List-Gesellschaft im Frühsommer 1928, die sich eigentlich mit den Reparationszahlungen befassen wollte, dann jedoch dazu benutzt wurde, um "den wichtigsten Praktikern die geschlossene Front vernünftiger Theoretiker gegenüberzustellen und sie durch Vorträge und Diskussionen zu belehren" (Alexander Rüstow). Dafür hatten die Politiker aber immer weniger Zeit und Interesse, und darin sah auch der akademische Nachwuchs immer weniger seine Aufgabe. Über die "Ricardianer" als akademische Interessengemeinschaft ging die Zeit hinweg, bevor die ihre überhaupt angebrochen war, das war nicht allein eine Frage der wissenschaftlichen Sprache, sondern vor allem eine solche der Verortung von Theorie. Wenn der Nationalsozialismus jenseits des "rassischen" Rasters überhaupt eine Anforderung an die makroökonomischen Lehrer stellte, war es die Akzeptanz eines Primats des Politischen vor dem Nur-Wirtschaftlichen. Die reale Wirtschaft und die Nationalökonomie hatten sich in den Dienst zu stellen und sich auch unüberhörbar als Dienende zu begreifen. Dabei ist es - Janssen berichtet ausgiebig darüber - zu devoten Ergebenheitsadressen in großer Zahl gekommen, ein durchaus zeitloses Ritual allerdings.
Der Abbruch "ricardianischer" Bemühungen in den frühen 30er Jahren ist aber keineswegs mit einem Ende "theoretischer" Bemühungen gleichzusetzen. Eine Renaissance der historischen Schule setzt nicht ein, und es waren auch nicht irgendwelche Esoteriker oder Paradiesvögel der Disziplin, die aus ihrer bisherigen Randposition heraus ins Zentrum der Lehrmeinungen gerückt wären. Was sich vielmehr bemerkbar machte, waren Ansätze in jene Richtung, die später unter dem Namen Keynesianismus zu einer der einflußreichsten Schulen der modernen Nationalökonomie werden sollte. Die Versuche von einigen Wissenschaftlern, ihre eigene Forschungsleistung in den 30er Jahren nach dem Krieg in diesen Zusammenhang zu stellen, kann daher nicht nur als Versuch einer Biographiebegradigung betrachtet werden. Das Erscheinungsbild der Disziplin war heterogener, als es aus dem politischen Kontext heraus erwartet werden dürfte. Autoren wie Stackelberg, Preiser und auch Eucken legten Werke vor, die über das Ende des Nationalsozialismus hinaus Bestand haben sollten, selbst der Einsatz mathematischer Methoden über die Ökonometrie hinaus scheint nicht behindert worden zu sein, wenngleich diese erst lange nach dem Krieg die Hegemonie in den Wirtschaftswissenschaften erobern sollten.
Viele einfache Fragen, die im Kontext des Themas zu stellen sind, erfahren eine Antwort, deren Profil in der Komplexität verschwimmt - das trifft sogar auf die nächstliegende zu, was denn unter einer nationalsozialistischen Wirtschaftstheorie überhaupt verstanden werden könnte. Das Verschulden liegt aber nicht beim Autor, sondern bei seinem Stoff.


Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.09.1998 ()

"Hauke Janssen schließt diese Lücke. In seinem Buch geht er Fragen nach, die schon längst hätten geklärt werden sollen. Hat der historisierende Sonderweg in der deutschen Nationalökonomie logisch zwingend zu den wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Nationalsozialisten geführt? Und - was nicht dasselbe ist - hätte die nationalsozialistische Zentralverwaltungswirtschaft ohne die geistige Basis der Historischen Schule bestehen können? Haben die Nationalsozialisten ihrerseits die Fortentwicklung der Ökonomie entscheidend geprägt? Haben sich die deutschen Ökonomen mehrheitlich vom Hitler-Regime in Dienst nehmen lassen?

Der Autor widerlegt die These von einer zwangsläufigen Kontinuität der deutschen Nationalökonomie. Er weist darauf hin, dass es bis 1933 noch so ausgesehen habe, als ob die moderne Klassik, angetrieben von den 'deutschen Ricardianern' um Alexander Rüstow, Wilhelm Röpke und Walter Eucken, den Historismus im Verein für Sozialpolitik hätten überwinden können. Doch die Gruppe der Ricardianer sei letztlich zu heterogen gewesen, um den Zweikampf zu gewinnen. Durch das Hitler-Regime sei ihr dann der Boden entzogen worden. ...

Der Autor geht vorsichtig mit dem Vorwurf um, die Historische Schule sei in verhängnisvolle Nähe zu den Nationalsozialisten gerückt. Inhaltlich habe es zwar einen gemeinsamen Nenner im 'Primat der Politik' gegeben, im Gestaltungswillen, der auf ökonomische Gesetze nicht immer Rücksicht zu nehmen bereit gewesen sei, sowie in dem Grundsatz 'Gemeinnutz vor Eigennutz'. Den entscheidenden Unterscheid erkennt Janssen indes darin, dass die Nationalsozialisten diese Parole rassisch fundiert hätten. ...

Der Bericht über die Gleichschaltung der Wirtschaftswissenschaft 1933 ist beklemmend. 'Die Beflissenheit, mit der sich die deutschen Gelehrten und Wissenschaftler fast ausnahmslos den neuen Machthabern zur Verfügung stellten, ist eins der erschütterndsten und beschämendsten Schauspiele in der ganzen Geschichte des Aufstiegs des Nationalsozialismus' - mit diesem 1944 im Londoner Exil geschriebenen Satz zitiert der Autor Friedrich August von Hayek. Er berichtet von den unseligen Strömungen, die der neue Geist gebar, von Ökonomen, die sich notgedrungen arrangierten, sowie von anderen, die sich nicht verführen ließen. ...

In Janssens Werk wird das geistige Klima im Dritten Reich auf fast gespenstische Weise greifbar. Der Autor formuliert packend, seine Theorieabrisse sind präzise, die Antworten differenziert. Das einzige, woran das Werk leidet, ist eine gewissen Neigung zu Wiederholungen, Zeichen der schwierigen Gliederung einer von vielen Zusammenhängen durchwobenen Materie - indes: ein kleines Manko in einem guten, längst überfälligen Buch. Am Ende findet sich auf knapp hundert Seiten noch ein kleiner Schatz: eine Sammlung von Kurzbiographien der bekannten wie der teils zu Recht, teils zu Unrecht vergessenen Ökonomen jener Zeit. ..."




the author
Dr. Hauke Janssen
promovierte bei Prof. Heinz Rieter, Institut für Wirtschaftssysteme, Wirtschafts- und Theoriegeschichte, Universität Hamburg. Zur Zeit beim Nachrichtenmagazin Der Spiegel. [weitere Titel]
dem Verlag bekannte Rezensionen
  • "Standardwerk" ...
    Ordo, Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, 2015, Bd. 66, S. 359-362 mehr...
  • "Standardwerk zur Entwicklung der deutschen Volkswirtschaftslehre" ...
    Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.1.2012 mehr...
  • "Ihm ist mit diesem Buch in mehrfacher Hinsicht eine beeindruckende Leistung gelungen" ...
    Berliner Debatte Initial, 4/2009, S. 141-143 mehr...
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.11.2009, S. 14 mehr...
  • Junge Freiheit, 15.01.1999 mehr...
  • "Der Autor formuliert packend, seine Theorieabrisse sind präzise, die Antworten differenziert." ...
    Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.09.1998 mehr...
  • Kyklos, 1/1999, S. 116-118
  • Wirtschaft und Gesellschaft, 4/1998, S. 597-602
  • Historische Zeitschrift, 268/1999, S. 520-521
  • The European Journal of the History of Economic Thought , 1999, S. 494-497
  • Weg in die Wirtschaft, 535-536/1999, S. 47
  • Zeitschrift für Klein- und Mittelunternehmen, 3/2001, S. 211-212
  • Revista International de Sociologia (RIS), 35/2003, S. 203-221
  • History of Economic Thought (Japan), Juli 2003, S. 138-140
das könnte Sie auch interessieren