"Jahrbuch Normative und institutionelle Grundfragen der Ökonomik" · Band 15
359 Seiten
34,80 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-7316-1169-1
(Dezember 2015)
"Der beschleunigte gesellschaftliche Wandel, globale Problemlagen und akut werdende Herausforderungen für die Steuerungsfähigkeit moderner Gesellschaften bilden den thematischen Horizont der 13 Beiträge dieses Sammelbandes. Sie befassen sich mit verschiedenen Veränderungsprozessen sowie daraus entstehenden Handlungsbedarfen und Gestaltungsmöglichkeiten. Die Zugänge der 17 Autoren/innen sind sehr divers und nutzen vor allem institutionenökonomische Konzepte und solche der Neuen Politischen Ökonomik. Gemeinsam ist ihnen die Einbeziehung gesellschaftlicher Kontextbedingungen, wie etwa Gegenbewegungen zur Ausweitung von Märkten oder Steuerungsmacht "makroökonomischer Strukturen" über andere gesellschaftliche Teilbereiche, und sozialwissenschaftliche Erkenntnisse. ...
Der Sammelband bietet einen guten Einblick in ausgewählte Zugänge zum Thema Große Transformation. Leider werden die vielgestaltigen Ansätze nicht aufeinander bezogen oder gemeinsame Definitionen angeboten. Gleichwohl beweisen die Zugänge mit ihrem Einbeziehen geschichts-, politik- und sozialwissenschaftlicher Konzepte, wie fruchtbar interdisziplinäre Bemühungen sein können. Angesichts der großen Herausforderungen sind realitätsnahe, also transformative Beiträge aus den Wissenschaften nicht "einfacher" zu haben."
"Mit derart hochkomplexen Prozessen befasst sich das erwähnte Jahrbuch. Martin Held von der Evangelischen Akademie Tutzing ist Mitherausgeber und verantwortlich für eine mit der Publikation verknüpfte Tagung, welche im März dieses Jahres fortgeführt wird. Dann soll es um die "Institutionen in der Transformation" gehen. In seiner Zwischenbilanz geht er von der im September durch die UNO verabschiedeten Nachhaltigkeits-Agenda mit Zielen für 2030 aus. Schon bei dieser sieht er reichlich Widersprüche und "keine in sich kohärenten Zielsetzungen". Doch "die normative Grundaussage" bleibe erkennbar: "Die Trends in Richtung Nichtnachhaltigkeit sollen umgekehrt und eine Transformation in Richtung Nachhaltigkeit gefördert werden." Das gelte sowohl für die "nach alter Diktion" unterentwickelten wie für industrialisierte Staaten. Alle werden "Transformationsländer", aber das haben wir "erst noch zu begreifen". Unabhängig von den globalen Gipfeltreffen sprächen starke Indizien dafür, dass "in diesen Jahren" eine Geschichtsphase und mit dieser "das bisher dominante, weltweit ausstrahlende, nichtnachhaltige Wirtschafts- und Gesellschaftssystem" an ihr Ende kommen. Held hält den Klimawandel für die zentrale Herausforderung, aber eng mit weiteren schweren Krisen verknüpft. Bei der Konferenz von Paris erwartete er wie viele ein Scheitern, doch die äusseren Umstände würden ein Handeln erzwingen. Wetterextreme, die Konkurrenzkämpfe und Kriege um Ressourcen, Flucht und Migration werden als Alarmzeichen in verschiedenen Beiträgen angeführt.
In einem der ersten ordnet Wolfgang König als Historiker den Zeitraum, in dem wir leben, als jüngste von "drei grossen Revolutionen der Menschheitsgeschichte" ein - nach der Neolithischen und der Industriellen. Die laufende Umbruchphase ist noch nicht benannt. Auch für Held hat die mit enormer Beschleunigung "gleichzeitig in vielen Regionen der Erde" angelaufene Grosse Transformation historische Dimension. Darum sollten auch Ökonominnen und Ökonomen nicht weiter zuwarten, sondern die sozial-ökologischen Alternativen zum Forschungsgegenstand machen, um mit anderen Wissenschaften, der Politik und zivilgesellschaftlichen Kräften zum Übergang in eine zukunftsfähige globale Ordnung beizutragen. Das passt als Appell gut zum Gründungsziel des Verlages, der 1986 dank einer Studenteninitiative am Fachbereich Wirtschaft der Universität Marburg entstand: Gegenentwürfen zur "neoklassischen Ökonomik" sollten wieder mehr Raum bekommen. Mit der Ökologiefrage sowie mit Studien zu institutionellen Voraussetzungen gesellschaftlicher Veränderungen gewann die interdisziplinäre Zusammenarbeit an Gewicht. Sie prägt auch dieses Buch.
Weg vom Wachstum - wohin?
In den Texten spiegeln sich intensive wissenschaftliche Debatten, die zwar weit weg vom parlamentarischen Parteienstreit scheinen, aber zur inhaltlichen Fundierung wichtig wären. Vorab lockte mich die Skizze der "Transformation in eine Postwachstumsgesellschaft", die Irmi Seidl mit Angelika Zahrndt beisteuert. Wer kennt die einschlägigen Arbeiten dieser Dozentin der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft in Birmensdorf? Davon will die offizielle Politik bis ins rotgrüne Lager hinein lieber nichts hören. Selbst wenn das Thema "auf der Agenda der Regierung" stünde, wäre damit noch wenig getan, denn es müssen "Ideen, Konzepte und Handlungsmöglichkeiten vorhanden sein, getragen von Personen, die politisch zu handeln bereit sind." Und zum Politologischen kommt das weite Feld des Psychologischen. Es wird "sehr viel Innovation, Pioniergeist, Wissen und Intellekt gebraucht", es entstehen "Widersprüche, Konflikte und unvorhersehbare Dynamiken". Rahmenbedingungen für offene, partizipative Lösungsprozesse sind zu schaffen. In einer Auslegeordnung uns bald besonders bedrängender Probleme werden Ansatzpunkte für acht Bereiche benannt, vom Gesundheitswesen über den Arbeitsmarkt bis hin zu den Staatsfinanzen.
Manchmal wird modellhaft mit Grafiken nachgeholfen. Banal, doch des Erinnerns immer wert ist der Teufelskreis, der bei Gawel und Bedtke zum "Technoinstitutionellen Komplex des automobilbasierten Verkehrssektors" im Mittelpunkt der Abbildung 1 steht: "Ausbau des Strassennetzes", "Zunahme des Strassenverkehrs", "Steigende Steuereinnahmen", "Ausbau ..." Weitaus komplizierter eine Formel, die "Nachfrage- und Grenzkostenfunktion für erneuerbare Energien" darstellt. Da verstand ich nur Bahnhof."
Die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Marktutopie – Grenzen des Liberalismus
Große Transformationen aus Sicht der Institutionenökonomik und der Neuen Politischen Ökonomik
Große Transformation – von der fossil geprägten Nichtnachhaltigkeit zu einer postfossilen nachhaltigen Entwicklung
Denken in Makroregimes und Große Transformationen: Eine Anwenderperspektive
Die drei großen Revolutionen der Menschheitsgeschichte
Wege zum Wandel: Was sind die zentralen Erfolgsfaktoren für gesellschaftliche Veränderungen?
Die Modellierung der Großen Transformation – Abbildung der Interdependenzen zwischen Wirtschaft, Umwelt und sozialem System
Great Transformation und die gewaltsame Geburt des Kapitalismus – Karl Polanyi und Karl Marx
Zeit, Wohlstand und Gutes Leben: Was kann Zeitpolitik zur Großen Transformation beitragen?
Indikatoren für eine Große Transformation: Implikationen unterschiedlicher Diskurse
Transformation in eine Postwachstumsgesellschaft
Falsche Preise? Neue Spiele?
Kapitalistische Transformation aus polit-ökonomischer Sicht – Die Entwicklung Preußens