204 Seiten
22,80 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-89518-596-0
(Februar 2007)
Großformat 24,0 x 17,0 cm
Thomas von der Vring ist pensionierter Hochschullehrer der Politischen Ökonomie in Bremen. Als langjähriger Abgeordneter des Europäischen Parlaments war er ständig der frustrierenden Erfahrung ausgesetzt, Entscheidungen mit wichtigen ökonomischen Folgen für die Bürger fällen zu müssen, ohne in ausreichendem Maße von den Fachleuten mit glaubwürdigen Informationen über die zu erwartenden Folgen versehen zu werden.
Denn was schafft nicht alles Arbeitsplätze! - Die öffentliche Debatte darüber wird geprägt von Behauptungen über Wirkungszusammenhänge, die ihre Wurzeln in ökonomischen Theorien haben. Nicht selten machen sich ausgewiesene Wirtschaftswissenschaftler zu ihren Anwälten. Auffallend ist, dass oft gegensätzliche Empfehlungen auf dem politischen Markt vertreten werden, so dass man sich fragt: Was stimmt nun eigentlich?
Dieser Frage ist der Autor mit statistischen Methoden nachgegangen. Er hat den Einfluss von Löhnen, Zinsen, Steuern und Staatsausgaben auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung untersucht, auch im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Dabei geht es ihm vor allem um die Größe von zu erwartenden Wirkungen wirtschaftspolitischer Maßnahmen.
Oft werden in der Öffentlichkeit internationale Vergleiche herangezogen, um zu zeigen, was falsch läuft in Deutschland. Dem stellt der Autor einen ausführlichen und reich bebilderten Vergleich internationaler Wirtschaftsdaten gegenüber. Im Zusammenhang mit der Qualität wirtschaftlicher Prognosen geht der Autor der Frage nach, in welchem Maße die wirtschaftliche Entwicklung überhaupt politisch bestimmbar ist.
Die empirischen Befunde werden ausführlich dokumentiert. Für politisch interessierte Leser, die sich nicht mit fachlichen Details befassen wollen, stellt der Autor eine komprimierte Zusammenfassung an den Anfang seines Buches.
"Es gibt eine breite Diskussion darüber welche Wirtschaftspolitik Arbeitsplätze schafft. Thomas von der Vring setzt sich in seinem Buch mit der empirischen Beweisbarkeit der verschiedenen Annahmen auseinander. Von der Vring versucht die im Raum stehenden Thesen zu Arbeitslosigkeit und Wirtschaftswachstum anhand der Daten für die Bunderepublik im Zeitraum 1992 bis 2002 zu überprüfen.
Von der Vring stellt fest, dass in dem Untersuchungszeitraum Steuererhöhungen, zusätzliche Staatsausgaben und mehr Beschäftigung miteinander korrelierten. Außerdem ergibt sich aus seinen Zahlen eine größere Bedeutung der Binnennachfrage als der Exportwirtschaft. Von der Vring begründet damit die beschäftigungsfördende Wirkung höherer Löhne und von mehr staatlicher Beschäftigung. Von der Vring, der der SEP-Fraktion im Europaparlament angehörte, findet also weitgehende die tradidionelle sozialdemokratische Wirtschaftspolitik bestätigt.
Ein Punkt, an dem von der Vring stark von der traditionellen sozialdemokratischen Wirtschaftspolitik abweicht, ist die Frage der Staatsverschuldung. Vring möchte zwar zusätzliche Staatsausgaben, hält es aber für falsch, diese mit zusätzlichen Schulden zu finanzieren. Von der Vring bestreitet, dass es die Möglichkeit gibt, die Wirtschaft mit Schulden "anzukurbeln". Von der Vring möchte statt dessen die Steuern dauerhaft erhöhen und mit den Mehreinnahmen öffentliche Beschäftigung finanzieren.
Der Autor sieht durch seine statistischen Ergebnisse das sogenannte Haavelmo-Theorem bestätigt. Dies besagt, dass die Ausweitung des Staatsanteils zu einer Ausweitung des Wachstums führt. Wenn man die Logik des Theorems einmal zu Ende denkt, so kommt man zu dem Ergebnis, dass bei einer 100 prozentigen Besteuerung das Wachstum am Größten wäre. Dies ist ein theoretischer Einwand, es gibt aber auch einen Einwand gegenüber dem statistischen Ergebnis, der noch stärker ins Gewicht fällt: An zwei Stellen erwähnt von der Vring, dass die spezielle Lage in Ostdeutschland eine Rolle spielen könnte. Er geht aber auf diese historische Rahmenbedingung nicht weiter ein. Das ist aber der springende Punkt und die Archillesverse der gesamten Argumentation. Denn diese Ausnahmesituation der Wiedervereinigung verzerrt das gesamte Ergebnis.
Die Steuer- und Abgabenerhöhungen der neunziger Jahre flossen zum größten Teil in die Transferzahlungen für die neuen Bundesländer. Dort erzeugten die staatlichen Investitionen vor allem im beschäftigungsintensiven Bausektor ein fast zweistelliges Wachstum. Ein solches Wachstum ist nur in einem Wirtschaftsraum zu erreichen, der von einer sehr niedrigen Basis ausgeht. Unter historischen "Normalbedingungen" können staatliche Ausgaben schwerlich einen vergleichbaren Effekt auslösen.
Von der Vring kann überzeugend belegen, dass für den Beschäftigungsstand die Industrie nicht mehr die Bedeutung besitzt, die ihr die Statistik und die Wirtschaftswissenschaften noch immer beimessen und das sich die Aufmerksamkeit verstärkt auf den Dienstleistungssektor richten muss.
Die Ergebnisse bestätigen die These von Hans-Werner Sinn, dass sich die deutsche Exportwirtschaft immer stärker aus Importen speißt, was Sinn als "Basar-Ökonomie" bezeichnete. Dies ist ein Grund, warum sich die großen Exporterfolge nur noch begrenzt positivauf den Zuwachs der Beschäftigung auswirken können. Es lässt sich daher auch gut begründen, dass für diesen bereits sehr stark ausgelagerten und rationalisierten Sektor die Lohnkosten nur noch von begrenzter Bedeutung sind.
Daraus zieht Von der Vring die Schlussfolgerung, dass höhere Löhne durch die positive Auswirkung auf die Nachfrage nach Dienstleistungen stärker ins Gewicht fallen als mögliche Wettbewerbsnachteile durch die Hochlohnpolitik. Richtig ist, dass der tertiäre Sektor derjenige ist, der die größten Beschäftigungspotentiale bietet. Von der Vring vernachlässigt jedoch, dass auch und gerade auf dem Binnenmarkt Lohnkosten die Entwicklung des Beschäftigungsangebotes wesentlich mit beeinflussen.
Von der Vring kann zwar zeigen, dass pauschale Lohnsenkungen in keinem Verhältnis zu den möglichen positiven Beschäftigungszuwächsen liegen würden. Eine solche pauschale Lohnsenkung wird aber auch von niemanden gefordert und widerspricht auch marktwirtschaftlichen Grundsätzen. Für die Bechäftigung ist im Kern nicht entscheidend, ob die Löhne hoch oder niedrig sind, sondern ob sie sich an dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage orientieren oder nicht.
Während die allgemeine Darstellung an Klarheit der Gliederung und Verständlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt, ist der letzte, der empirische Teil, auf dem der darstellende Teil beruht, nur eine Aneinanderreihung von Tabellen, die für denjenigen, der nicht in der Materie steckt, nur schwer nachvollziehbar sind. Eine ausführlichere Erklärung der Berechnungen und das Zustandekommen der Ergebnisse wäre wünschenswert gewesen.
Thomas von der Vring kritisiert, dass die Politik an den Konjunkturprognosen ausrichtet, die sich als extrem unzuverlässsig erwiesen haben. Er liegt wohl richtig, dass man auf längere Sicht die Entwicklung genauso wenig sicher vorhersagen kann wie das Wetter. Zustimmen kann man dem Autor auch, dass die Wirtschaftswissenschaften oft mit apodiktischen Behauptungen arbeiten. Allerdings ist dieser Vorwurf ausgerechnet gegen Milton Friedman, der in seiner "Monetary History" seine Thesen anhand von über hundert Jahren amerikanischer Geldgeschichte zu verifizieren suchte, nicht gerechtfertigt.
Von der Vrings Untersuchung dieses begrenzten und durch die Folgen der Wiedervereinigung gekennzeichneten Zeitraums reicht als empirische Grundlage für allgemeine Schlussfolgerungen nicht aus. Würde man etwa als empirischen Bezugspunkt die gesamte Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland wählen, würde man zu ganz anderen Ergebnissen kommen. Etwa in Hinblick darauf, dass das Wachstum in den fünziger und sechziger Jahren im Schnitt höher lag als die Wachstumsraten der siebziger, achtziger und neunziger Jahre, obwohl seit Beginn der siebziger Jahren der Staatsanteil schnell ausgeweitet worden ist. Das Ende der Vollbeschäftigung wurde in den siebziger Jahren mit einer expansiven Ausweitung der Staatsausgaben und der öffentlichen Beschäftigung eingeläutet.
Dies zeigt, wie begrenzt der Aussagewert einer Untersuchung ist, die sich auf die reine Beschreibung statistischen Korrellationen in einem relativ kurzen Zeitraum beschränkt und dabei die wirtschafts- und sozialhistorischen Rahmenbedingungen völlig außen vor lässt.
"Wie man seinen Ärger konstruktiv und nützlich umsetzen kann, zeigt Thomas von der Vring in seinem jüngst erschienenen Buch "Welche Politik schafft Arbeitsplätze?". Von der Vring, Gründungsrektor der Universität Bremen und dort zunächst als Hochschullehrer tätig, war ab 1979 15 Jahre lang Abgeordneter im Europäischen Parlament und zuletzt Vorsitzender des Haushaltsausschusses. In seiner Abgeordnetenzeit, so von der Vring, sei er ständig der frustrierenden Erfahrung ausgesetzt gewesen, "Entscheidungen mit wichtigen ökonomischen Folgen für die Bürger treffen zu müssen, ohne in ausreichendem Maße von den Fachleuten mit glaubwürdigen Informationen über die zu erwartenden Folgen versehen zu werden" (S. 5). Aus seiner Sicht besteht ein grundlegendes Problem darin, dass Ökonomen zwar Theorien für ihr Sachgebiet formulieren, diese Theorien dann aber nicht anhand der Realität überprüfen. Als Politiker habe er sich als Opfer dieses "empiriephoben" Theorieverständnisses (S. 168) erfahren und sich nach seiner Rückkehr an die Hochschule im Jahr 1994 deshalb "auf die empirische Überprüfung wirtschaftspolitisch relevanter ökonomischer Theorien" (ebd.) konzentriert. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind Gegenstand von "Welche Politik schafft Arbeitsplätze?".
Zunächst einmal ist von der Vring für sein Vorgehen ein grundsätzliches Lob auszusprechen, da sich Wirtschaftswissenschaftler in der Tat häufig nicht mit empirischen Daten befassen. Allerdings überprüft der Autor - insbesondere mittels linearer Regressionsrechnungen - keine kompletten Theorien, wie etwa die Neoklassische Makroökonomie und die ihnen zugrunde liegenden Annahmen. Vielmehr fragt von der Vring z.B. nach dem Einfluss der Löhne auf Wachstum und Beschäftigung und überprüft dann einzelne Aussagen bzw. einzelne Hypothesen anhand von Zeitreihen (etwa "Die Lohnhöhe bestimmt die Beschäftigung unmittelbar", wobei ein inverser Zusammenhang unterstellt wird). Datengrundlage hierfür sind deutsche Zahlen für den Zeitraum 1992/93 bis 2002.
Die Befunde von von der Vring sind interessant, und sie decken zum Teil sogar elementare wirtschaftspolitische Fehler der jüngsten Vergangenheit auf. So kann der Autor zeigen, dass die steuerfinanzierte Erhöhung der Staatsausgaben um 1 % (bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt) im Beobachtungszeitraum einen Wachstumseffekt in Höhe von 1,3 % und damit eine Erhöhung des Beschäftigungsvolumens von 1 % nach sich gezogen hätte. Wären zusätzliche öffentliche Ausgaben ausschließlich zur Finanzierung von öffentlicher Beschäftigung verwendet worden, dann hätte die Zahl der Arbeitnehmer sogar um etwa 2 % zugenommen. Im Umkehrschluss kann man sich leicht ausrechnen, in welchem Maße die erheblichen Steuersenkungen der "Regierung Schröder" - in Verbindung mit den dann folgenden Sparprogrammen und dem Beschäftigungsabbau im Öffentlichen Dienst auf allen Gebietskörperschaftsebenen - zu Wachstumsschwäche und Arbeitslosigkeit ab dem Jahr 2001 geführt haben (S. 122ff.). Darüber hinaus stützt von der Vrings Argumentation die gewerkschaftliche Forderung, durch höhere Steuern auf hohe Einkommen und Gewinne die staatliche Ausgabentätigkeit zu steigern, um so Wohlstand und Beschäftigung zu erhöhen. Desillusionierend sind die Ergebnisse zu den Wachstumsprognosen des Sachverständigenrates und der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute. Die Prognosen fielen bei einer sehr geringen "Trefferquote" im Durchschnitt um 0,4-bzw. 0,8-Prozentpunkte zu hoch aus. Von der Vring kommt deshalb auch vollkommen zu Recht zu einem vernichtenden Urteil: "Wenn die erfahrensten Experten nicht in der Lage sind, die Wirtschaftsentwicklung des kommenden Jahres mit hinlänglicher Zuverlässigkeit vorherzusagen, dann verdient lediglich ihre Kühnheit Kritik, die Öffentlichkeit mit solchen Prognosen beeindrucken zu wollen, nicht aber ihr Unvermögen" (S. 162). Einige Ergebnisse in "Welche Politik schafft Arbeitsplätze?" können aber zumindest im Hinblick auf ihre Allgemeingültigkeit auch hinterfragt werden. So kommt der Autor zu der Schlussfolgerung, dass ein bestimmender Einfluss der privaten Investitionen auf das Wirtschaftswachstum nicht festzustellen sei (S. 92). In diesem Zusammenhang müsste dann allerdings der Sachverhalt berücksichtigt werden, dass - wenn man von der Beschäftigung im öffentlichen Dienst absieht - neue Arbeitsplätze private (Netto-) Investitionen zur Voraussetzung haben. Außerdem weist das Aggregat der privaten Investitionen die höchsten Schwankungen unter allen Komponenten des Sozialproduktes auf. Des Weiteren können auch die skeptischen Ausführungen zum Defizit-Spending mit Blick auf die angelsächsischen Länder USA und Großbritannien zumindest in Zweifel gezogen werden. Zwar bezieht sich von der Vring im Rahmen seiner Tests nur auf eine einmalige Ausweitung der Staatsausgaben (S. 124ff.) und unterstellt als anerkannte Regel, dass "der Staat im Konjunkturverlauf die Schwankungen seiner Einnahmen und Sozialausgaben durch wechselnde Defizite und Überschüsse ausgleichen" soll (S. 116). Gerade dieses Verständnis von konjunkturgerechter Haushaltspolitik ist in Deutschland selten anzutreffen, und den USA und Großbritannien ist es in den letzten 20 Jahren immer gelungen, insbesondere durch ein aktives Defizit-Spending, Konjunktureinbrüche abzufangen. Das Beispiel Defizit-Spending macht deutlich, dass eine Einbeziehung von Zeitreihen aus anderen Ländern durchaus sinnvoll gewesen wäre. Trotz der genannten Kritikpunkte sei "Welche Politik schafft Arbeitsplätze?" uneingeschränkt zur Lektüre empfohlen. Wer mit den Befunden nicht einverstanden ist, muss sich selbst daran machen, empirische Belege für Gegenbehauptungen vorzulegen. Dem Buch ist deshalb ein großer Leserkreis zu wünschen, da es im wahrsten Sinne des Wortes zur Versachlichung der deutschen wirtschaftspolitischen Debatte beitragen könnte.