Tilman Santarius
Dieses Buch wurde am 10. Oktober 2015 mit dem Christiane Busch-Lüty Förderpreis der Vereinigung für Ökologische Ökonomie e.V. ausgezeichnet
"Wirtschaftswissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung" · Band 18
341
Seiten ·
19,80 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN
978-3-7316-1176-9
(November 2015)
)
Wie ist es möglich, dass es in den modernen Gesellschaften trotz der enormen Energieeffizienzsteigerungen bislang nicht gelungen ist, den Energieverbrauch entscheidend zu senken? Häufig werden dafür unerwünschte Nebenwirkungen, die sogenannten Rebound-Effekte, verantwortlich gemacht. Da die diesbezüglichen Erklärungsansätze bislang jedoch vor allem aus den Wirtschaftswissenschaften stammen und dort zumeist einseitig mit Preisveränderungen begründet werden, wurde es Zeit für einen Rundumblick. Mit diesem Buch legt Tilman Santarius nun eine der ersten umfassenden Analysen des Rebound-Effekts und seiner Ursachen und Zusammenhänge vor. Eine Besonderheit liegt in der interdisziplinären Betrachtungsweise des Autors. Wie der Titel schon andeutet,erklärt Santarius den Rebound-Effekt nicht nur aus Sicht der Ökonomie, sondern bedient sich auch an Theorien aus der Psychologie und Soziologie.
Als Forschungsrahmen seiner theoretischen Arbeit wählt Santarius die sozial-ökologische Transformation, die für ihn eine absolute Reduktion des Natur- bzw. Energieverbrauchs bedingt. Dieser Bezugsrahmen wird in der Einführung des Buches näher erläutert, gefolgt von einem kurzen Abriss des aktuellen Stands der Rebound-Forschung. In den darauffolgenden Kapiteln analysiert der Autor anhand von sechs Rebound-Typen das Kausalverhältnis zwischen Effizienz und Expansion. Im Falle von finanziellen, industriellen und volkswirtschaftlichen Rebound-Effekten nimmt Santarius Bezug auf die bestehende ökonomische Forschung und übt teils auch Kritik an ihr. Die Abschnitte zu drei weiteren Rebound-Typen - die motivationalen, habituellen und strukturellen Rebound-Effekte - stellen hingegen gänzlich neue Analysen unter Rückgriff auf verhaltenswissenschaftliche, psychologische und soziologische Theorien vor. Im Fazit kommt Santarius zu dem Schluss, dass eine sozial-ökologische Gesellschaftstransformation ohne tiefgreifende Veränderungen mit Blick auf Techniknutzung, wirtschaftliches Handeln und menschliche Motivation nicht gelingen kann. Für diese Entwicklungen findet er die treffenden Bezeichnungen "Post-Technizismus", "Post-Kapitalismus" und "Post-Liberalismus".
Das Buch von Tilman Santarius stellt eine große Bereicherung für den Wissenschaftsdiskurs zu Rebound-Effekten dar. Es enthält nicht nur eine systematische Darstellung bestehenden ökonomischen Wissens, sondern identifiziert und beschreibt darüber hinaus völlig neue Rebound-Typen und das unter Berücksichtigung komplexer individueller und struktureller Einflussfaktoren. Ferner werden die einzelnen Rebound-Typen nicht losgelöst voneinander betrachtet, sondern untereinander in Bezug gesetzt, um Wechselwirkungen offenzulegen. Damit ebnet die Arbeit den Weg für ein interdisziplinäres Forschungs- und Wissenschaftsprogramm zu Rebound-Effekten. Einige Ideen zu offenen Forschungsfragen und weiteren Forschungsoptionen versammelt Santarius im letzten Kapitel.
Erwähnenswert ist auch, dass es Santarius sehr gut gelingt, die jeweils disziplinär gefärbten Wissenschaftssprachen und -diskurse zusammenzubringen und verständlich und gut strukturiert darzustellen. Dadurch stellt das Buch eine empfehlenswerte Lektüre für interessierte Leser/innen aller Forschungsrichtungen dar. Insbesondere Befürworter/innen von suffizienten Lebensstilen und Postwachstumsstrategien erhalten schlagkräftige Argumente, warum die Gesellschaftstransformation eines Zusammenspiels von Effizienz und Suffizienz bedarf."