Der 2005 verstorbene Ökonom und Wissenschaftshistoriker Robert L. Heilbroner hat 1987 eine Zusammenstellung von Auszügen aus Adam Smiths Werken unter dem Titel "The Essential Adam Smith" herausgebracht. Als Begründung für die Notwendigkeit dieser Publikation stellte er lapidar fest: "No economist's name is more frequently invoked than that the one of Adam Smith, and no economist's works are less frequently read".
Das gilt für den deutschsprachigen Bereich noch mehr als für den angelsächsischen. Das vorliegende Buch will dazu beitragen, diese Situation zu verbessern. Es gibt kaum rezente deutschsprachige Publikationen zu Adam Smith, und obwohl er je nach Orientierung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Begründer der freien Marktwirtschaft gefeiert oder verteufelt wird, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass deren Rezeption im Oberflächlichen verblieben ist. Für Smith ist der freie Markt nur Mittel zum Zweck, nämlich der Erhöhung des allgemeinen Wohlstands. Und er kann nach Smiths Verständnis nur dann funktionieren, wenn der Staat Bildung und Ausbildung für alle, Armutsversorgung, Demokratie und Rechtssicherheit garantiert. Und die vielleicht wichtigste Grundlage für das Funktionieren von Staat und Ökonomie: moralische Grundeinstellungen der Bürgerinnen und Bürger, die Gerechtigkeit (justice) erst sicherstellen.
Ronald J. Pohoryles
Zu diesem Buch
Ronald J. Pohoryles
Zur Aktualität von Adam Smith.
Der Beitrag des Liberalismus zu
Staat, Wirtschaft und Gesellschaft
Dominic Reichspfarrer, Matthias Sulz
Die unsichtbare Hand - eine missinterpretierte Metapher?
Dorothea Tommasi
The Importance of Power in the Political Economy.
What happened to Adam Smith's legacy?
Understanding Problems of the Contemporary Economy
Esther Wawerda
Markt, Staat und moralische Gefühle im Gesamtwerk
von Adam Smith. Demokratie, Wohlstand und Globalisierung
Matthias Tonitz
Adam Smiths Ökonomie im globalisierten Markt
Filip Tiedge
Mit Adam Smith die Beziehung des Menschen
zur Natur neu bestimmen
Matthias Sulz
Adam Smiths Auseinandersetzung mit dem Kontraktualismus
und die Aktualität seines Konzepts der staatlichen Souveränität.
Mit einem Ausblick auf zeitgenössische Gesellschaftsmodelle
im Nahen Osten
Lora Ivanova
The Question of Market Emergence and the Doubt
in Economic Fundamentals
Philipp Novak
Adam Smith und der "homo oeconomicus".
Ein Vergleich mit der Nutzentheorie
Florian König-Hollerwöger
Adam Smith - "Nationalökonomie" auf
moralphilosophischer Grundlage
Niklas Bessenbach
Analyse und Vergleich der Moraltheorien von Smith und Kant
"Das Marktverständnis von Adam Smith ist wesentlich dasjenige der berüchtigten 'unsichtbaren Hand', jener "missinterpretierten Metapher" (43), der Dominic Reichspfarrer und Matthias Sulz in diesem Band eine "kritische Exegese" (44) widmen. Also sollte da doch mehr gewesen sein? Die Frage ist berechtigt, denn, wie Robert L. Heilbroner bereits 1987 festgestellt hat: Auf keinen Ökonomen werde so häufig Bezug genommen wie auf Adam Smith und keiner werde gleichzeitig so wenig gelesen. Der Smith, der sich bei genauerer Lektüre entdecken ließe, ist einer, der wenig gemein hat mit dem Marktradikalen, als der er so häufig ausgegeben wird. Wie der Herausgeber in seinem Beitrag ausführt, gründet Smiths ökonomische Position im Liberalismus, der seinerseits die gesellschaftliche, politische und ökonomische Kapazität des Individuums betone. Ausgehend von den hieraus resultierenden Konsequenzen für das Verhältnis von Staat, Markt und Gesellschaft habe Smith mit seiner Wirtschaftstheorie primär eine Kritik am zeitgenössischen Modell des staatsdirigistischen Merkantilismus formuliert: "Markteffizienz sieht Smith nicht nur als Mittel zum Zweck der Wohlstandsvermehrung der obersten Klassen an, sondern als Vermehrung des Wohlstands für Alle." (14) Damit sei Smith - entgegen immer noch vorherrschender Verzerrungen - keineswegs marktradikal. Vielmehr mache seine pragmatische, disziplinübergreifende Herangehensweise die Beachtung von jenseits der Ökonomie liegenden Bedingungen menschlichen Zusammenlebens geradezu unabdingbar. Eine Ökonomie ohne Moral, wie sie in der Wirtschafts‑ und Finanzkrise nach 2007 zu besichtigen gewesen sei, so Pohoryles, wäre für Smith angesichts der von ihm betonten "Notwendigkeit eines moralischen Rahmens" (38) undenkbar. Wie ein solcher Rahmen aussehen könnte, zeigen Dominic Reichspfarrer und Matthias Sulz. Im Zuge ihrer detaillierten Analyse der Metapher von der unsichtbaren Hand kommen sie sehr überzeugend zu dem Schluss, dass Smith dezidiert auf eine gesamtstaatliche Verantwortung in den Bereichen Sicherheit, Infrastruktur und soziale Unterstützung hingewiesen habe, wobei er neuzeitliche Sozialstaatsmodelle nicht habe kennen können. Dennoch bleibe das Bild eines auf Ausgleich bedachten Ökonomen: "Als Vertreter einer vollständig freien Marktwirtschaft lässt sich Smith demnach nicht darstellen." (65) Der Band wurde von der ICCR‑Foundation gefördert, deren derzeitiger (2016) Vorsitzender der Herausgeber ist."