Übersetzt aus dem Amerikanischen von Dirk Löhr et al.
377 Seiten
34,80 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-7316-1226-1
(April 2017)
Die englische Ausgabe 'Rent Unmasked' wurde im Mai 2017 in Großbritannien im Rahmen des "People's Book Prize" ausgezeichnet als: Best Achievement Award for outstanding content/topic by an author that would/could or did lead to excellent benefit to the community.
Dieses Buch handelt von einem neuen ökonomischen Paradigma. Jeder politische Entscheidungsträger sollte es kennen. Spätestens seit der Wirtschaftskrise 2008 sind die herkömmlichen Wirtschaftswissenschaften unglaubwürdig geworden. Die ökonomische Erde in diesem durch die neoklassische Theoriewelt geprägten Fach ist eine Scheibe.
In "Das Ende der Rentenökonomie" stellen 13 Beiträge dar, wie die Arbeiten der alten klassischen Ökonomen durch die Neoklassik pervertiert und im Interesse mächtiger Interessengruppen instrumentalisiert wurden. Die Beiträge leisten eine Rückbesinnung. Dabei beziehen sie sich auf die wichtigsten Arbeiten von Mason Gaffney, einem mittlerweile emeritierten Professor der University of California (Riverside), USA, und herausragendem heterodoxen Ökonomen. In seinem Sinne zeigt dieser Band, wie die Volkswirtschaft dem Gemeinwohl dienen kann. Die Befreiung aus der Zwangsjacke einer dauerhaften Stagnation, öffentlicher Armut, niedriger Löhne und Beschäftigungsunsicherheit ist möglich.
"Gleichfalls bei Metropolis, der in der alten Universitätsstadt Marburg als "Verlag für Ökonomie, Gesellschaft und Politik" schon lange "plurale Ökonomik" befördert, erschien der Sammelband über "Das Ende der Rentenökonomie".
Eigentlich hätte mich schon das Cover-Versprechen misstrauisch machen sollen. Doch erst im Prolog fiel und stiess mir die Anmassung auf: Vor der Finanzimplosion von 2008 hätte "nur ein einziger Politikentwurf das Potential gehabt", das Debakel zu verhindern und nachhaltigen Wohlstand zu sichern - der von Gaffney. Dem deutschen Publikum werde mit der Übersetzung des Readers "das Tor zu einer neuen Gedankenwelt" geöffnet.
Als prominenter Zeuge wird wiederholt Joseph Stiglitz zitiert. Mit kleinen Korrekturen am System sei es nicht getan: "Eine Steuer auf Land, auf die ökonomischen Renten, würde hingegen einige der wesentlichen Probleme lösen." Das sei eine Idee, die "vor mehr als hundert Jahren" schon Henry George hatte. Gaffney habe sie aktualisiert. Fred Harrison, der einen Land Research Trust in London leitet, rühmt den US-Professor, "welchem wir die grösste Autorität auf dem Gebiet der Immobilienökonomie zugestehen."
Sicher ist es gut, diesen Akzent zu setzen, über Besitz und Nutzung des Bodens neu zu diskutieren, dessen Wert auch steuerlich anders zu gewichten. Aber dies gleich als alle Probleme lösenden Ansatz? Das erinnert an die Debatten um ein Grundeinkommen und neuerdings um Vollgeld. Im besten Fall alles Teile einer umfassenden gesellschaftlichen Transformation. Irritierend auch, dass etwa auf den speziell pathetischen "Schrei der Wildnis" eines Naturschutzbiologen - wie die Faust aufs Auge - eine völlig euphorische Würdigung der Wachstumspolitik in Singapur folgt. Beides positiv auf die Gaffney-Rezeptur bezogen! Doch die meisten Texte sind packend, teils topaktuell.
""Der 2016 erschienene Sammelband "Rent Unmasked" ist nun in deutscher Übersetzung bei Metropolis erschienen. Er handelt laut Klappentext unbescheiden von einem "neuen ökonomischen Paradigma". Die volkswirtschaftliche Theorie sei "bodenlos" (S. 9) und betrachte die "ökonomische Erde" als "Scheibe", in der nur Arbeit und Kapital eine Rolle spielen. Die dreizehn Beiträge drehen sich hingegen um "Boden", was neben der eigentlichen Fläche auch natürliche Ressourcen und die öffentlich getätigten Investitionen in Infrastruktur oder Bildung beinhaltet. Diese sind entweder als "gift of nature" vorhanden oder entstehen aus kollektiver Anstrengung der Bevölkerung und ihrer staatlichen Agenten. Das daraus entstehende leistungslose und "unverdiente" Einkommen, eine ökonomische Rente, werde aber privatisiert. Laut Mary Clevelands Beitrag war dies klassischen Theoretikern wie Adam Smith selbstverständlich und Fred E. Foldvary zeichnet nach, wie Renten in heutigen Verteilungstheorien "absichtsvoll" mit Kapitalerträgen vermengt wurden: Bodeneigentum und die Bodenrenten, die "weder Arbeit noch Mühe kosten", werden verschleiert. Auch Piketty müsse korrigiert werden, weil der Anstieg der Immobilienvermögen vor allem im Bodenwert stattfand (S. 137).
Die Privatisierung der Bodenrenten sei ungerecht, aber auch ökonomisch problematisch. Im Prolog wird Nobelpreisträger Joseph Stiglitz zitiert, wonach die "Gesamtstruktur unserer Wirtschaft" stark darauf ausgerichtet sei, sich Renten anzueignen, statt in produktive Aktivitäten zu investieren (S. 13). Dies gelte insbesondere, wenn die politischen Machthaber öffentliche Werte mittels "legaler Rechte an Wasser, Holz, Öl oder Fischbeständen" der privaten Aneignung zugänglich machen (S. 17). Harrison präzisiert in seinem Beitrag: Innovationen führten hauptsächlich dazu, durch Automatisierung menschliche Arbeitskraft zu ersetzen und Renten zu maximieren. Der Anteil der Löhne im Volkseinkommen sinkt und Unternehmen horten Geld, was zu einer Sparschwemme führe (S. 172). Zudem komme es zu Spekulationsblasen in Immobilien (bzw. deren Bodenanteil).
Der deutsche Titel "Das Ende der Rentenökonomie" verdeutlicht, dass Renten entlarvt und als ökonomisches Konzept reetabliert werden sollen, aber ihre Privatisierung zu bekämpfen sei. Die Vorschläge gehen auf Henry George (1839-1897) zurück, dessen 1879 erschienenes Buch "Fortschritt und Armut" eine Reformbewegung auslöste, die forderte: Verpflichte und befähige die Leute, für die Leistungen von Natur und Gesellschaft zu bezahlen, und schaffe Steuern auf verdiente Einkommen ab (S. 19-20). Ziel ist, den Gegensatz von Effizienz und Moral auszubalancieren, Einkommensungleichheit bei stetigem Wachstum zu verringern und die Ökosphäre zu schützen (S. 9-11). Die "single tax", eine Einheitssteuer auf Eigentum an Land im weiteren Sinne als älteste Form der Besteuerung (S. 96), würde das unverdiente Einkommen einsammeln. Der Nachweis, dass die Bodenwertsteuer in ihrer Höhe ausreichend ist ("All taxes come out of rent"), gelang Mason Gaffney (geboren 1923), dem dieser Sammelband als maßgeblichem Weiterentwickler der "Geoklassik" gewidmet ist. Absurderweise würden die Leistungen öffentlicher Institutionen heutzutage mittels Steigerung der Bodenwerte privatisiert, während sie aus der Besteuerung leistungsgebundenen Einkommen finanziert würden.
Die Geoklassik widerspricht damit dem weitgehenden wirtschaftswissenschaftlichen Konsens, wonach undifferenziert privates Eigentum an Land und menschengemachtem Kapital am besten sei und Löhne und Unternehmensgewinne und der Verbrauch besteuert werden. Stattdessen differenziert sie, Kapital gehöre in Privateigentum, der Bodenwert aber in öffentliches Eigentum. Die Bodenrente wird von der Öffentlichkeit vereinnahmt, Steuern auf Löhne und Gewinne (also Kapitalerträge) werden zurückgeführt (S. 31). Während Steuern auf Kapital abgewälzt werden können oder Investitionen reduzieren, verschwindet Land nicht, wenn es besteuert wird (S. 42). Daher wirkt eine Steuer auf ökonomische Renten nicht verzerrend, verursacht keine Wohlfahrtsverluste (S. 47) und würde laut Stiglitz "einige der wesentlichen Probleme lösen" (S. 13), weil in produktives Kapital statt in rent-seeking investiert wird und eine fairere Verteilung erzielt wird.
Laut Kris Feder vereint die Geoklassik dabei "die Elemente der Wahrheit gegensätzlicher Ideologien": der konservativen Marktgläubigkeit und den Forderungen nach staatlichen Eingriffen, um Ungleichheit zu reduzieren (S. 48-50). Harrison beschreibt in seinem Beitrag, wie Gaffney, Stiglitz oder Robert Solow der Sowjetunion in den 1990ern vorschlugen, Land in öffentlichem Eigentum (worauf auch Gorbatschow bestand) mit privaten Märkten zu kombinieren - den "besten Bestandteilen des Kapitalismus sowie des Sozialismus": mit unbesteuerter Arbeit und Kapital bei sicheren Landnutzungsrechten die Wirtschaft aufbauen, und Infrastruktur und Staat aus natürlichen Ressourcen und Land finanzieren. Damit sollte die gesellschaftliche Solidarität bewahrt und kultureller Raum für die Entwicklung des Individualismus geschaffen werden. Nach dem Augustputsch und dem Aufstieg Jelzins sei es jedoch den Oligarchen als Klasse politischer Insider gelungen, sich die Eigentumsrechte an Russlands legendären natürlichen Ressourcen zu eigen zu machen. Nun sei Russland wie China in einer Dystopie des rent-seeking gefangen (S. 34-38).
Der Sammelband liefert einen lesenswerten Einblick in Theorie und Geschichte der Geoklassik. Dabei liefert er Futter für Initiativen wie das Netzwerk Plurale Ökonomik und ihre Kritik an einer Verengung der Volkswirtschaftslehre - nicht ohne zu betonen, dass viele (auch alternative) volkswirtschaftliche Strömungen Boden und Renten kaum zur Kenntnis nehmen (S. 130). Der letzte Teil des Buches weist darauf hin, welche Herausforderungen und Fragen in den Bereichen Eurokrise, Naturschutz oder der Rolle von Kapitalgesellschaften noch bearbeitet werden können, um dem Ziel einer friedlichen und gerechten Weltordnung näher zu kommen.
Zurück in die „Space Age Economics“ – eine Zeitreise
Steuerhinterziehung und zwischenstaatliche Steuerkonflikte
Fundamente der Volkswirtschaft - Staatseinnahmen und Produktion
Ein neues Konzept - Mason Gaffney, der ultimative Heterodoxe
Epilog: Auf der Suche nach Volkes Stimme
Falsche Hoffnungen in Euroland
Das Potenzial des "Public Value" - Zur Dynamik der Grundstückswerte
Jenseits des Sozialismus - Kultur und Wissenschaft
Schubumkehr - Mit 14 Billionen Dollar heraus aus der großen Stagnation
Zu Ehren von Mason Gaffney
Kapitalgesellschaften auf der Jagd nach ökonomischen Renten
Das Wesen des Gemeinwohls - Mason Gaffneys Philosophie der Versöhnung
Denkanstöße aus der Aufklärung
Die Kultur des Wohlstands
Der Schrei der Wildnis
Eine moralische Erneuerung ist nötig