'Markt' ist einer der wichtigsten Begriffe der Ökonomik. Die meisten bezeichnen
das Wirtschaftssystem als 'Marktwirtschaft' oder als 'soziale Marktwirtschaft'.
Markt ist aber ein vieldeutiger und kaum erforschter Begriff, weder was seine Theoriegeschichte noch was seine institutionelle Ausgestaltung oder die Wirkungen des Gebrauchs von "dem" Markt (im Sinne eines agierenden Subjekts) angeht.
Der vorliegende Band widmet sich diesen Themen: Es geht um die Geschichte des
Begriffes Markt in der Theorie, um die Geschichte des Ordoliberalismus, des Konzepts
der sozialen Marktwirtschaft und ihrer Zusammenhänge mit dem Neoliberalismus,
um Marktsoziologie und Marktdiskurse (auch im Zusammenhang mit aktuellen Themen),
um Theorien spezieller Märkte im Konflikt zu empirischen Ergebnissen und um die
Wirkungen, die die weit verbreitete "Vergötterung" des Marktes mit sich bringt.
Walter Otto Ötsch
Markt und Markttheorie. Vorwort und Überblick
Markt und Marktwirtschaft in der Theoriegeschichte
Karl-Heinz Brodbeck
Güterbegriff und Marktbegriff. Zu den Grundlagen der Theorie des Marktes
Claus Thomasberger
Markt und industrielle Zivilisation
Günther Chaloupek
"Konkurrenz" und "Markt" im ökonomischen Denken in Deutschland von der Historischen Schule
bis zum Ordoliberalismus
Hanno Pahl
"A little apparatus called IS-LM". Steuerungsvisionen des hydraulischen Keynesianismus
Ralf Ptak
Die wirtschaftspolitische Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft. Genese und Bedeutung
Friedrun Quaas
Die schleichende Dekonstruktion der Sozialen Marktwirtschaft zum neoliberalen Projekt
Soziologie von Markt und Wissen
Jan Sparsam
Ist die Marktsoziologie eine realistische Wissenschaft? Konzeptionelle Problem der New Economic Sociology
Daniel Dorniok
Nichtwissen in der heutigen Gesellschaft: Recht, Nachteil, Problem? Zur funktionalen Grundlegung von Nichtwissen in der Gesellschaft
Markt-Diskurse
Stephan Pühringer
Marktmetaphoriken in Krisennarrativen von Angela Merkel
Florian Rommel
Ökonomische Theorie und Rechnungswesen. Wie Marktfakten geformt werden
Kritik von Sichtweisen von Märkten, insbesondere "des" Marktes
Katrin Hirte
Märkte und die Anerkennung von Arbeit. Schlecht bezahlte Arbeiten, Märktestrukturen und die Struktur der Arbeitsergebnisse
Lars Bräutigam
Markets, Financial Entities and the State. A Critique on the Economic View on Marktes
Sebastian Thieme
Selbsterhaltung im "Markt". Subsistenzethische Betrachtungen des Wettbewerbs und der Arbeits- und Marktgesellschaft
Ulrich Thielemann
Markt als Prinzip, als Instrument oder als besonderes Interaktionsfeld? Die Idee der Einbettung und Begrenzung des Wettbewerbs
Karl Georg Zinn
Markt-Pragmatik versus Markt-Apotheose
" "Markt" ist ein ebenso gängiger wie diffuser Begriff, nicht nur in der Ökonomik, sondern auch in der politikwissenschaftlichen Debatte, etwa wenn Angela Merkel die Etablierung einer "marktkonformen Demokratie" (7) anstrebt. Die Beiträge des Sammelbandes zielen darauf ab, für mehr Klarheit zu sorgen: "Markt ist [...] in der neoklassischen Standardtheorie kein überzeugend definierter Begriff. Er ist auch wenig erforscht" (10). Hierzu werden in diesem Band vier Themenbereiche miteinander verzahnt: eine Theoriegeschichte des Marktes, seine Wissenssoziologie, aktuelle Marktdiskurse und schließlich die Kritik des Marktes. Was die Theoriegeschichte anbelangt, so konkurrieren die Ausdeutungen von Ralf Ptak und Friedrun Quaas. Während Ptak in seiner geschichtlichen Analyse des deutschen "Wirtschaftswunders" (128) als ordoliberalem Sonderweg des Neoliberalismus zu einem weitgehend diffusen Befund hinsichtlich der Begriffsbestimmung kommt, differenziert Quaas eine marktwirtschaftliche und eine gesellschaftliche Säule, die im Zuge der Verdrängung des Modells der sozialen Marktwirtschaft durch den Neoliberalismus zunehmend ausgeblendet worden sei. Beide sind sich indes einig, dass angesichts des "Siegeszuges des Neoliberalismus" (171) das Modell der von Alfred Müller‑Armack inspirierten sozialen Marktwirtschaft eine "erwägenswerte Alternative" (173) verkörpere. Damit sich diese jedoch auch realisieren lasse, müsse die Verabsolutierung des Marktes, so Ptak, aufgegeben und der Markt wieder als das begriffen werden, was er ist - bloß ein "Instrument" (149) im institutionellen Rahmen einer "sozialen Demokratie" (150). Sebastian Thieme bleibt es vorbehalten, dieser Hoffnung die gegenwärtige Realität entgegenzusetzen. Im Zuge einer subsistenzethischen Analyse des Begriffes Markt "im Sinne des Wettbewerbs und des Leitbildes einer Arbeits‑ und Marktgesellschaft" (357) verweist er auf die massiv sozialdestruktive Wirkung einer Ideologie, die am Ende nur die Sieger bestehen lasse. Ob der solcherart verstandene und öffentlich kommunizierte Markt ethisch zumutbar sei, dürfe bezweifelt werden. Wichtig bleibe es angesichts all dieser Befunde, so Walter Otto Ötsch zum Abschluss seiner Einleitung, die "Polysemie des Marktes" (19) und seine konkrete gesellschaftliche Ausgestaltung dem öffentlichen Diskurs wieder zugänglich zu machen: "In einer absoluten Immunisierung steht 'der Markt' außerhalb eines sinnvollen gesellschaftlichen Diskurses. Er wird letztlich zu einer Art Gott" (23)."