Manuela Prieler, Friedrich Schneider, Horst Steinmüller (eds.)
254
Seiten ·
24,80 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN
978-3-7316-1435-7
(August 07, 2020)
)
Manchmal helfen ja Bücher beim Ordnen der Gedanken. Ein eher verblüffender Titel in dieser verwirrenden Zeit: "Die Welt in 20 Jahren. Lebensqualität, Wohlstand und Umwelt." Wer wagt heute noch solche Prognosen? Nicht alle Texte scheinen taufrisch. Der eine oder die andere der Versammelten würde jetzt vielleicht absagen, wenn die Einladung des Energie-Instituts in Linz für einen Beitrag zu diesem Allerweltsthema käme. Einige räumen ein, nur Schlüsse aus Trends und Spekulationen liefern zu können. "Che sarà" ... Diesen alten italienischen Schlager bringt Gerlinde Sinn ins Spiel. Was wird sein? Wir werden sehen. Sie orientiere sich bei ihren Einschätzungen stark an eigenen Werten.
Das gilt sicher auch für Claudia Kemfert, die als erste zitiert wird: "In den nächsten zwei Jahrzehnten wird Umwelt- und Klimaschutz zur Priorität Nummer Eins, auf deren Basis alles andere aufgebaut wird." Deutschland jedenfalls werde 2040 "dekarbonisiert, digital und demokratisch" sein. Allgemein gibt es bezüglich Energiewende viel Zuversicht. Der in solchen Readern fast unvermeidliche E.U. von Weizsäcker liefert eine weitere Variante seiner technokratischen Vision, aus weniger Ressourcen mehr Wohlstand herauszuholen. Die für möglich gehaltenen Zukünfte bieten eigentlich allen etwas. Aus der Schweiz weist Bruno S. Frey, als Glücksforscher bekannt, immerhin auf ein vernachlässigtes Problem hin: das fehlende, teils auch doppelte Stimmrecht nicht im Herkunftsland lebender Menschen. Ob "gewichtete Stimmen" oder "Zufallsverfahren" die Demokratie stärken? Peinlich und schlimm Reiner Eichenberger, an der Uni Fribourg für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik zuständig, der unser Land als vorbildlich erfolgreich lobt und für 2040 "bessere Institutionen, bessere Politik, mehr Wohlfahrt" verheisst. Aufgrund des technischen Fortschritts werde "in den entwickelten Volkswirtschaften" das Pro-Kopf-Einkommen allgemein wachsen, "die Umwelt wird gesünder, aber es wird wärmer". Wer möchte zurück zu tieferen Temperaturen? "Kühltechnologie für geschlossene Räume, Autos und auch offene Plätze" entwickle sich rasend, "mit ganztags Gratisstrom aus Solarstrom" sei Kühlen kein Problem - "ausser für sehr arme Länder". Denen wäre auch beim Deichbau zu helfen. Das "wahre Problem" sei dort jedoch "nicht der Klimawandel, sondern die Armut und die dafür verantwortlichen schlechten Institutionen." Wem der Zynismus auf globaler Ebene nicht reicht: Bei uns will Eichenberger die SBB - eine der "dümmsten heiligen Kühe" - zur SSB machen, der Schweizerischen Strassenbetreiberin. Das zu teure Schienennetz sei "relativ gerade und kreuzungsfrei", ideal für autonome Autos.
Ja, wir vergessen oft, dass selbst an Hochschulen höchst unterschiedliche Vorstellungen von Fortschritt vertreten werden. Eichenberger, notabene Stammgast bei 'Weltwoche' und NZZ, ist nur ein relativ extremer Fall. Auch in der Schlussbilanz des Sammelbandes findet sich keine explizite Distanzierung von seiner Sicht, obwohl deren Grundton klar näher bei "Initiativen wie Fridays for Future" liegt: "Nahezu unbestritten und wissenschaftlich erhärtet ist, dass der fortschreitende Klimawandel eine Gefahr für Fauna und Flora darstellt." Und dass wir diesen befördern.