"Jahrbuch Normative und institutionelle Grundfragen der Ökonomik" · Band 1
363 Seiten
24,80 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-89518-373-7
(Februar 2002)
Gerechtigkeit und Effizienz werden in der Ökonomik vielfach als ein Verhältnis der Abwägung verstanden: Um gerechtere soziale Zustände herbeizuführen, so lautet eine kaum je in Frage gestellte Basisvermutung, müssen wir Einbußen an Effizienz hinnehmen. Eine Umverteilung im Sinne von Gerechtigkeit ist folglich a priori mit dem Makel behaftet, "effizienzstörend" oder "effizienzschädlich" zu sein. Auch die aktuelle politische Diskussion um Sozialstaatsabbau in den westlichen Demokratien wird von dieser Grundthese der Effizienzschädlichkeit von Umverteilung beherrscht.
Diese Sicht auf das Verhältnis von Effizienz und Gerechtigkeit ist weniger selbstverständlich, als vielfach unterstellt wird. In der modernen Ökonomik stellen sich die entscheidenden Fragen bezüglich des Ineinanderwirkens und der wechselseitigen Bedingung von individueller Tugend, Gerechtigkeit und Effizienz wie auch der Spannungszonen zwischen ihnen. Ausgehend von der Diskussion dieser Fragen will das Buch Antwort auf die Existenzfragen der Moderne überhaupt geben: Wie viel und welche Gerechtigkeit - das heißt auch: wie viel und welche Rückbindung an außermarktliche menschliche Ziele - braucht die Marktwirtschaft? Wie viel und welche Gerechtigkeit verträgt sie?
Insgesamt zeigt sich nach der Lektüre des Bandes, daß Gerechtigkeit als Voraussetzung für wirtschaftliche Effizienz keineswegs ein Ausnahmefall ist. Für entwickelte (und reiche) Volkswirtschaften läßt sich ein solcher Zusammenhang vielmehr systematisch nachweisen. Dies ist bemerkenswert, denn damit deuten sich sowohl 'für die Theoriebildung als auch für das normative Koordinatensystem der praktischen Politik ... Akzentverschiebungen mit bedeutender Tragweite an'."
"... Dieser speziellen Unvereinbarkeitshypothese widmet sich das vorliegende Jahrbuch, mit dem Anspruch, sie zu widerlegen und nachzuweisen, die Verfolgung von Gerechtigkeit als eigenständiges soziales Ziel sei gar die Voraussetzung für effizientes Wirtschaften und nicht dessen Hemmschuh. Das weit verbreitete Urteil über diesen Trade-off, so stellen die Herausgeber im einleitenden Beitrag fest, werde von der Ökonomie noch verstärkt, die sich seit dem 19. Jahrhundert stark formalisiert und die als eher moralphilosophisch empfundenen Distributionsfragen weitgehend ausgeklammert habe: Sie suggeriere einen klaren und positiven Effizienzbegriff, aber eher einen diffusen und problematischen der Gerechtigkeit. Die mikroökonomische Theorie wird von der Vorstellung geleitet, Effizienz sei im Gegensatz zur Gerechtigkeit eine eher technische und 'ethisch sparsame', also aus wenigen Wertannahmen gespeiste Norm, die sich auf einem funktionsfähigen Markt von allein einstelle, während die Gerechtigkeit wertbeladen und nicht eindeutig zu bestimmen sei. Attraktive Effizienz, problematische Gerechtigkeit also? Gerade diese Dualität vordergründig unterschiedlicher ethischer Kategorien wirft die methodische Schwierigkeit auf, denen die Verfasser nachgehen: Sie versuchen nachzuweisen, dass sowohl bei der Gerechtigkeit als auch bei der Effizienz von normativen Konzepten gesprochen werden muss, dass auch bei letzterer die unterstellte Sparsamkeit in den Wertannahmen nicht den Tatsachen entspricht.
... Trotz einiger thematischer Überlappungen sind die Beiträge in ihrer Reihenfolge weitgehend konsistent und in ihrer ausgewogenen Fülle von schematischer Darstellung von Bekanntem und gut verständlicher Aufbereitung von Neuerem insgesamt so gut lesbar und ansprechend, dass dieses Buch als anregender Wortgeber in den - aktuellen wie grundsätzlichen - Diskussionen dienen kann, die sich um die fundamentalen Begriffe der Effizienz und der Gerechtigkeit ranken."
Verteilungsgerechtigkeit als Leistungsgerechtigkeit durch Wettbewerb
Einmalige Festlegung versus fortlaufende Gewährleistung einer gerechten Ressourcenausstattung
Zur Dialektik von Freiheit und Gleichheit
Effizienz, Gerechtigkeit und die Theorie des guten Lebens
Gerecht und ungerecht: Eine Skizze der sozialpsychologischen Gerechtigkeitsforschung
Freiheit - Gerechtigkeit - Effizienz:
Wahlfreiheit versus Einwilligung - Legitimation in Markt und Staat
Die Evolution von Verteilungsgerechtigkeit
Reziprozität: Zur Bedeutung einer traditionellen Austauschform im modernen Wirtschaften
Treffsicherheit in der Sozialpolitik
Unproblematische Effizienz und problematische Gerechtigkeit ?
Das Verhältnis von Effizienz und Gerechtigkeit aus vertragstheoretischer Sicht
Effizienz versus Gerechtigkeit - Tragweite und Folgen der Annahme eines Trade-offs