"Theorie der Unternehmung" · Band 72
492 Seiten
28,00 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-7316-1347-3
(März 2019)
Zahlreiche farbige Abbildungen
"Neue Chancen für eine nachhaltige Ernährungswirtschaft durch transformative Wirtschaftsformen": Über drei Jahre haben die Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, die Universität Stuttgart und die anstiftung in München im Forschungsprojekt nascent die Vielfalt transformativer Ernährungsunternehmen und Initiativen mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) untersucht.
Dabei ging es zunächst um die Motive, Organisationsformen, Arbeitsbedingungen und Vernetzungsprozesse der Unternehmen und Initiativen. Diese Wirtschaftsformen (wie Mietäcker, Solidarische Landwirtschaften, Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften, Regionalmarken) zielen darauf, nachhaltige, regionale und souveräne Versorgungssysteme zu etablieren. In der transdisziplinären Zusammenarbeit mit den 27 Praxis- und 11 Transferpartnern standen dafür die besonderen Ansprüche, Kompetenzen und Merkmale der Transformationspioniere im Mittelpunkt der Analyse durch das nascent-Projektteam. Die zentrale Forschungsfrage richtete sich auf die Potenziale der alternativen Wirtschaftsweisen für die Verdrängung nicht-nachhaltiger Formen der Ernährungswirtschaft und die Neuerfindung eines zukunftsfähigen Ernährungssystems, einschließlich der dabei hemmenden Faktoren. Über den Bereich der Ernährungswirtschaft hinaus liefert das Buch Erkenntnisse, welch wichtige Rolle transformative Unternehmen bei der Kehre zu nachhaltiger Entwicklung einnehmen können.
Die zentrale Forschungsfrage richtete sich auf die Potenziale der alternativen Wirtschaftsweisen für die Verdrängung nicht-nachhaltiger Formen der Ernährungswirtschaft und die Neuerfindung eines zukunftsfähigen Ernährungssystems, einschließlich der dabei hemmenden Faktoren. Dies wird in dem einen oder anderen Beitrag als roter Faden nicht immer deutlich. Gründe dafür liegen nicht zuletzt darin, dass sehr unterschiedliche Konzepte von rein zivilwirtschaftlichem Engagement bis hin zu sozialunternehmerischen und genossenschaftlichen Ansätzen bunt miteinander vermischt analysiert werden.
Bei drei Beiträgen ist der selbst gestellte Anspruch allerdings besonders hervorragend gelungen. Reinhard Pfriem in seinem Aufsatz "Persönliches Unternehmertum und materielle Teilhabe" nimmt Bezug auf den Schumpeterschen Unternehmerbegriff: "Nicht reden, sondern (anders) machen - Unternehmertum als Ausdruck gesellschaftlicher Opposition". Er verortet Schumpeter in dem damaligen konservativen patriarchalischen Zeitgeist. Gleichzeitig macht er aber deutlich, dass auch die unternehmerische Funktion kooperativ ausgeführt werden kann und dies faktisch auch immer wieder geschieht. Pfriem betont "das neue Unternehmertum beginnt damit, dass sich Menschen ermächtigen und auf den Weg machen." Heutiges GruppenunternehmerInnentum in den transformativen Unternehmen zielt "von Anfang an auf gemeinschaftsbezogenes Handeln und damit auf gegenseitige, partnerschaftliche Befähigung", ist somit nach innen und außen sozial und nicht nur wirtschaftlich ambitioniert. ...
Die Veröffentlichung informiert nicht allein über die Forschungsergebnisse sowie eine Typologie transformativer Unternehmen der Ernährungswirtschaft. Darüber hinaus werden zahlreiche Aspekte einer generellen Ernährungswende, etwa eine geänderte Agrarpolitik der EU, globale Perspektiven von Ernährungssouveränität oder Ernährungsdemokratie durch sogenannte Ernährungsräte in verschiedenen Aufsätzen behandelt. Als Einstieg und Überblick zum Thema alternativer Ansätze zur Transformation in der Lebensmittelbranche gibt es zurzeit wohl keine bessere Veröffentlichung.
Dass Wissenschaft und Praxis einander besonders befruchten und zu neuen Ergebnissen führen können, beweist das Forschungsprojekt "nascend" an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Geleitet wurde es von Irene Antoni-Komar, Cordula Krupp, Reinhard Pfriem und Niko Paech, den Herausgebern der gleichnamigen Publikation. In Zusammenarbeit mit Praxispartnerinnen, Genossenschaften, Initiativen der Solidarischen Landwirtschaft oder neuen Finanzierungsmodellen, wurden Möglichkeiten untersucht, wie Nischenunternehmen in der Ernährungswirtschaft stabilisiert werden und an Breite gewinnen können. Ausgehend von einem Diffusionsmodell, das von "pioneers" über "early adopters" hin zum "take off" für neue Mehrheiten ("late majority") verläuft, sollte herausgefunden werden, wie der Verdrängung von Kleinunternehmen durch Großbetriebe entgegengewirkt - also eine "alterative Diffusionslogik" (S. 366) erreicht - werden könne. Möglich sei dies durch den Zusammenschluss zu Verbänden beispielsweise von Erzeuger-Verbraucher-Initiativen, Gemeinschaftsgärten oder Foodcoops; durch Franchise-Modelle wie beim Projekt "Mietacker" oder durch Erfahrungsweitergabe und Erprobungsmöglichkeiten für Neu-Interessierte.
Deutlich wurde auch, dass alternative Versorgungssysteme mehr sind als Wege der Nahrungsbeschaffung. So weisen Selbsternte- und Gemeinschaftsgärten beispielsweise auf die räumliche Nähe, Selbstwirksamkeitserfahrungen sowie die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft hin (S. 371). Veranstaltungen wie Hoffeste oder Märkte dienen der Sichtbarmachung der Projekte, Flexibilität etwa in der Ausgestaltung von Foodcoops sollen den Bedürfnissen der Gruppe angepasst sein. Deutlich machen die untersuchten Projekte aber auch, dass neue Wege der Ernährungssouveränität ein verändertes Bewusstsein sowie andere Lebensstile erfordern, etwa im Umgang mit Zeit, die in solche Projekte investiert werden will.
Der Band informiert über die Forschungsergebnisse sowie die Typologie transformativer Unternehmen der Ernährungswissenschaft hinaus auch über Aspekte einer generellen Ernährungswende, etwa eine geänderte Agrarpolitik der EU, globale Perspektiven von Ernährungssouveränität oder Ernährungsdemokratie durch sogenannte Ernährungsräte.
Transformative Ernährungsunternehm/ung/en als Teil sozialer Bewegungen
Eine Typologie transformativer Unternehmen der Ernährungswirtschaft
Die Herstellung des Politischen in transformativen Ernährungsunternehmen
Persönliches Unternehmertum und materielle Teilhabe
Sozialität
Transformatives Größenmanagement
Transformative Lern- und Bildungsprozesse in alternativen Ernährungsunternehmungen
Facetten von grün: Dimensionen von Nachhaltigkeit in alternativen Ernährungsunternehm/ung/en
Zivilgesellschaftliches Unternehmertum zur Entwicklung von regionaler Ernährungssouveränität
Lernort Zukunft – solidarisch Land-Wirtschaften
Druck auf hilfreiche politische Flankierungen
Globale Perspektiven des Ernährungssystems
Ernährungsdemokratie jetzt! Ernährungsräte im Aufschwung
Postkapitalistische Praktiken und Transformationsprozesse
Eine Ökonomie der Nähe
Die Neuerfindung des Unternehmertums