258 Seiten
24,80 EUR
(inklusive MwSt. und Versand)
ISBN 978-3-7316-1047-2
(April 2015)
Die Strukturreformen der vergangenen Jahrzehnte sollten einer bewährten Institution helfen, auf Tuchfühlung mit dem Zeitgeist zu bleiben: der Universität. Vieles ist dabei missraten, manches gelungen - darüber streiten sich die Gelehrten. Was die Universität als Ort des Wissens im 21. Jahrhundert bewegen, ja wie das Studium im dritten Jahrtausend überhaupt aussehen kann, kommt in diesem Streit allerdings kaum zur Sprache. Welche Universität? Wie studieren? Wo lernen? Das sind wesentliche Fragen, die weit besser in essayistischer Form als durch Statuten und Paragraphen zu erörtern sind. Genau das wird hier versucht.
Wie geht es weiter mit der Universität? Ihr Versprechen ist seit jeher gewesen, ein exklusiver Ort zu sein, an dem es sich lernen, lehren und forschen lässt. Doch wer bedenkt, dass dieses Versprechen in Zeiten digitaler Bildungsangebote an Selbstverständlichkeit einbüßt, der kommt nicht umhin zu fragen, was das Studium der Zukunft noch bringen soll. Diese Frage wird hier von Akademikern gestellt, die sie alltäglich auf die eine oder andere Weise selbst beantworten.
A. Die Bildung der Bildung
Konstantin J. SakkasB. Das Versprechen der Universität
Konrad Paul LiessmannC. Die Ordnung des Denkens
George Steiner"Es ist mutig, in einer Zeit, die vor lauter Bildungsdebatte nicht mehr fragt, was Wissenschaft und Bildung eigentlich bedeuten, einen Sammelband mit der "schlichten und ernsten" Frage "Quo vadis universitas?" herauszugeben. Der von Philip Kovce und Birger P. Priddat herausgegebene Band mit dem vielversprechenden Titel Die Aufgabe der Bildung. Aussichten der Universität ist so vielfältig und reichhaltig wie Name und Zahl der Autoren, unter denen sich Persönlichkeiten wie der Literaturwissenschaftler George Steiner, der Philosoph Peter Sloterdijk, der Neurowissenschaftler Gerald Hüther sowie der Unternehmer Götz W. Werner befinden. Gerade in der Vielfalt der Beiträge wird deutlich, dass die Frage nach der Zukunft der Universitäten mehr denn je brennt und nach wie vor ungeklärt ist.
Die alarmierende Erkenntnis, dass eine Gesellschaft, die ihre Kultur verliert, sich dabei selbst preisgibt, wird deutlich und schürt die Sehnsucht nach einer Universität als einem wahren Ort der Menschen-Bildung. Als Ort, an dem ein verantwortliches Denken erübt wird; als Ort des Dialoges zwischen den Disziplinen; als Ort der reflektierten Praxis und der praktischen Theorie, der in einem offenen Horizont des Fragens den kreativen Austausch mit der Gesellschaft fördert und so im besten und wörtlichsten Sinne zum "Kultur-Ort" (Kultur von lat. colere = pflegen, verehren, bebauen) wird.
Konsequent ist, dass auch die Frage nach den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eines solchen Ortes nicht übergangen wird. Denn damit deren Verwirklichung nicht nur ersehnter Wunsch bleibt, ist die konkrete Auseinandersetzung mit den ebenso alarmierenden politisch-wirtschaftlichen Umständen der deutschen Hochschullandschaft unausweichlich. Ein freies Geistesleben im Hochschulbereich braucht politisches und zivilgesellschaftliches Engagement, das wird deutlich.
So löst der Band sein Versprechen ein und bietet eine Aussicht auf die große Bandbreite der Frage "Quo vadis universitas?". Für eine weiterführende Diskussion wäre nun wohl die geschärfte Frage nach einem expliziten Wissenschafts- und Bildungsverständnis zu stellen, das Boden für die Entwicklung der Universität als "Kultur-Ort" zu bilden in der Lage ist.
"Entstanden ist also eine Sammlung von individuellen Äußerungen, gänzlich unterschiedlich, was Stil, Fragerichtung und den Kontext der Erörterung betrifft. Das Buch ist ein Mosaik aus Berichten, Beanstandungen, sachlichen Vorschlägen und mitunter pointierten Statements. Es informiert aus erster Hand über aktuelle Zustände (etwa wenn Jochen Hörisch feststellt, dass 'jeder, aber auch jeder universitäre Forscher aus den letzten Jahren von der Versuchung berichten [kann], sich diesem oder jenem Thema zuzuwenden, nicht, weil es sein leidenschaftliches Forschungsinteresse weckt, sondern weil dafür erhebliche Fördermittel zur Verfügung gestellt werden', S. 85), lässt wesentliche Zukunftsfragen anklingen (etwa wenn Birger Priddat die Problemlagen und Risiken anspricht, die quer zu den universitären Disziplinen liegen, und daran erinnert, dass die 'Thematisierung des Themas sui generis nicht fachlich' ist und dass 'bisher keine Arenen eröffnet [sind], in denen undisziplinierte Probleme erörtert, analysiert und geklärt werden können', S. 154f.) und bringt so manchen erfreulichen Vorschlag ins Spiel ('Warum sollte nicht jede Studentin, jeder Student den Studiengang zusammenstellen, der ihm/ihr anspruchsvoll und angemessen erscheint? Weil die Personalchefs sich dann nicht mehr auskennen? Sie werden es lernen, wenn sie nicht Personalverwalter bleiben wollen!", so Ekkehard Kappler, S. 170).
Die zunehmende Verschulung des Studiums zieht sich als 'Leidmotiv' durch das Buch - insofern kann es all den des ewigen Punktesammelns müden Bachelor-Studierenden empfohlen werden - als kleine Aufmunterung, dass es auch Professoren gibt, die diesen 'rasenden Stillstand' nicht ganz normal finden. Folgender Zukunftstraum kehrt regelmäßig wieder: Die Suche nach dem geeigneten Studienfach soll endlich auch innerhalb der Universität möglich werden!"
"Ein überaus breites Themenspektrum tangieren die in drei Abschnitten versammelten Beiträge. Unter dem Titel "Die Bildung der Bildung" bricht etwa Konstantin J. Sakkas eine Lanze für die Aufwertung der Geisteswissenschaften, die es - ganz gegen den Trend der Universität als Ausbildungsstätte - den Studierenden ermöglichen sollten, "ihr Elitebewusstsein im Geistigen frei von Scheinzwang und Prüfungsterminen zu entwickeln." Für die "Begegnung mit dem Ich" als vorrangige Aufgabe der Geisteswissenschaften plädiert Salvatore Lavecchia, der sich anstelle der Evaluation die Förderung der Kreativität als zentrales Bildungsziel wünscht. Für Universitäten als "Lichthöfe des Möglichen" wirbt Stefan Brotbeck. Er versteht darunter eine "kairologische Bildungskultur, "die uns befähigt, das Richtige zur rechten Zeit zu tun."
Das sind einige der hier entwickelten substantiellen Ideen, die uns nahe bringen, worum es eigentlich gehen sollte. ... Elf Thesen, die einmal mehr dazu einladen, die Aktualität W. Humboldts wieder zu entdecken (Christoph Markschies) und knappe, aber gewichtige Gedanken von Peter Sloterdijk zur "Transformation des Subjekts und seiner Hochschule" - dem 2009 erschienenen Titel "Du mußt dein Leben ändern" entnommen - runden diesen überaus lesenswerten Band ab."
"Der Band versammelt vor allem Texte von Autoren, die sich entweder im Kontext des KIT (Karlsruher Institut für Technologie), der Anthroposophie und/oder der Hochschule Witten/Herdecke bewegen. Daneben sind es vor allem Philosophen, die sich äußern, auch einige "Prominenz": Christoph Markschies, Peter Sloterdijk.
Von Bürokratie, Ökonomisierung, äußeren Zwängen und Standardisierungswut ist viel die Rede, von Europäisierung des Hochschulraums, Interdisziplinarität, Verschulungszwang und Bachelorreform als notwendiger Antwort auf die Bummelstudenten. Aber nirgendwo taucht die Frage auf: cui bono? Wer hat - an den Universitäten auf der Ebene der Professoren - von dieser ganzen "Kehre" profitiert? Gab es Nutznießer der Reform insbesondere unter jenen, die sich heute in gesetzten Worten als Kritiker präsentieren? Welchen "akademischen" Typus hat die Reform begünstigt? Warum sagt nur Konrad Liessmann in aller Deutlichkeit, dass "Bologna" zu einem Etikett wurde, "das in erster Linie die Aufgabe hatte, Reformen und Initiativen aller Art, man könnte auch sagen: die Zerstörung der Universität gegen Kritik zu immunisieren" (S. 104)? Gewinner der Reform, so sagt Liessmann richtig, sind die Hochschulleitungen und das durch sie gestiftete Netzwerk der "wohlunterrichteten Kreise", die Bürokratien sowie die Agenturen, die diese Prozesse organisieren, durchsetzen und überwachen.
Wenn die Logik der Bildung, wie es im Vorwort zu lesen ist, individuelle, "existentielle Praxis" ist, dann ist es um die "Bildungsgüter" schlecht bestellt. Wenn es am Ende (des Vorwortes) heißt: "Die Aufgabe der Universität für die Bildung der Zukunft bleibt offen", zuckt der Leser schon gar nicht mehr zusammen. Warum sollte man um die "Idee" der Universität kämpfen, wenn man die Bildung schon aufgegeben hat?
Lichthöfe des Möglichen
Wer hat Angst vor Hegel?
Zur Geisterstunde
Das Geld der Wissenschaft
Der überholte Einzelkämpfer
Wieso? Weshalb? Warum?
Ich begegne Ich oder: Die Bildung des Unmöglichen
Erforschung der Welt und Befreiung des Geistes
Das Kloster
Was von Humboldt noch zu lernen ist
Über die Erfindung der Universität als Universität
Studium humanum
Verwaltete Bildung?
Die Universität als Ort der Erneuerung
Eine republikanische Idee der Universität
Prüfungszeiten
Bildungsideale
Wirtschaft als Wissenschaft?