"Was ist eine Grenze?" "Was ist jenseits der Grenze?" "Brauchen wir eine neue Dialektik von Grenzen, die einerseits Grenzen überwindet und andererseits die Einhaltung von Grenzen erfordert?" Diese Fragen lassen sich nicht leicht beantworten. Grenzen schaffen einerseits Zugehörigkeit und Souveränität, schließen aber gleichzeitig die Individuen, soziale und funktionale Gruppen, Unternehmen, Volkswirtschaften, Nationalstaaten oder Gemeinschaften jenseits der Grenze aus. Sie strukturieren Räume, Sprach- und Kulturgemeinschaften, komplexe Lebenswirklichkeiten sowie wirtschaftliche und politische Machtarenen.
Während durch die Grenzenlosigkeit des Geistes den Innovationspotenzialen offenbar keine Grenzen gesetzt sind, scheinen wir durch den grenzenlosen Durst nach Rohstoffen gleichwohl in der Verfügbarkeit und Nutzbarkeit natürlicher Ressourcen sowie dem Ignorieren der Reproduktionszeiten der Natur an Grenzen zu gelangen. Stößt also die Grenzenlosigkeit, insbesondere des wirtschaftlichen Wachstums, doch an Grenzen, wie es in der neuesten Version des Planetary Boundary Frameworks aufgezeigt wird, oder können wir die physischen Grenzen des Planeten durch technische, sozioökonomische oder kulturelle Innovationen dauerhaft überwinden?
Das vorliegende Buch diskutiert die aufgeworfenen Fragen aus ganz verschiedenen disziplinären Blickwinkeln. Der erste Teil des Buches widmet sich dabei vornehmlich dem Verständnis von und dem Umgang mit Grenzen. Im zweiten Teil liegt der Schwerpunkt dann auf der Bedeutung von Grenzen im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft.
Im Ergebnis herrscht bei den Autorinnen und Autoren weitgehend Einigkeit darüber, dass Grenzen erstens eher als Zonen denn als Linien beschrieben werden können. Zweitens sind Grenzen einerseits normativ verwurzelt, relational zu denken und sozial konstruiert. Andererseits wird eine nachhaltige Entwicklung aber nicht zuletzt durch natürliche, absolute physische Grenzen determiniert. Drittens sind Grenzen nicht unüberwindbar oder unverrückbar, sondern sie lassen sich verschieben und überschreiten. Die Folgen der Grenzüberschreitung sind jedoch nicht eindeutig. In einigen Fällen kommt es zu irreversiblen Schäden, die eine nachhaltige Entwicklung erschweren. An anderer Stelle erweisen sich Grenzen als Entfaltungsräume für eine nachhaltige Entwicklung und es bedarf gerade der Verschiebung oder gar Überwindung von Grenzen, um Nachhaltigkeitstransformationen voranzubringen.
Eva Lang und Axel Schaffer
Soziale und natürliche Grenzen für eine nachhaltige Entwicklung
- Verständnis von und Umgang mit Grenzen -
Peter Finke
Was ist eine Grenze? Wider die digitale Weltsicht oder: Was wir von den Fröschen lernen können
Martin Schneider
Grenzen aus ethischer Sicht
Friedrich Lohmann
Die Natur als Maßstab ethischer Grenzziehungen. Anmerkungen zur Idee des Naturrechts
Alfons Matheis
Vernunft, Moral, Handeln - Grenzverläufe. Anmerkungen zu einem abendländischen kulturellen Selbstverständnis
Klaus Kraemer
Grenzen des Wachstums? Eine soziologische Kritik der Wachstumskritik
Helge Rossen-Stadtfeld
Recht ist auf beiden Seiten der Grenze
- Bedeutung von Grenzen für eine nachhaltige Entwicklung -
Gerhard Oesten
Grenzen der Natur oder Natur als Grenze? - erörtert am Beispiel der nachhaltigen Forstwirtschaft
Eva Lang
Grenzen der Zeit in einer entgrenzten Zeit
Orhan Uslu
Grenzen der Nahrungsmittelproduktion im Hinblick auf die wachsende Weltbevölkerung
Anton Lerf
Grenzen des Wissens. Anmerkungen eines Naturwissenschaftlers
Beate Sauer
Bitcoin, PayPal & Co. - Aufhebung der Begrenzung der Geldschöpfung?
Susanne Hartard
Grenzwerte - Stütze oder Hemmnis der Nachhaltigen Entwicklung
Olaf Kühne
Räume, Grenzen und Ränder - Aspekte gesellschaftlicher Raumorganisation
Dirk Löhr
Grenzland in Bewegung - ein nachhaltiger Reurbanisierungstrend?
Axel Schaffer
Grenzen der Energiewende aus der Perspektive der Landwirtschaft