Der Sammelband zum 50jährigen Jubiläum des "Gerhard Weisser-Instituts" informiert
über dessen Geschichte und nimmt die gegenwärtige sozial- und gesellschaftspolitische
Diskussion zum Anlass, Gerhard Weissers sozialpolitisches Konzept der Lebenslagen
in Hinblick auf seine Aktualität zu prüfen. Beiträge zu den Themen Armut, Gesundheit, Bildung, Arbeit und Mitbestimmung, Gemeinwirtschaft, Verbraucher
und Konsumenten beziehen sich auf die die Lebenslage im Ganzen bestimmenden Teilbereiche und deren politische Gestaltung.
Wolfgang Glöckner, Wolfgang Mudra, Hajo Romahn
Einführung - Rückblick auf ein halbes Jahrhundert Geschichte des "Gerhard Weisser"-Instituts
Lebenslage und gesellschaftliche Teilhabe
Hajo Romahn
Einführung
Werner Wilhelm Engelhardt
Zu den Grundlagen wissenschaftlicher Sozialpolitiklehre
Friedrich Fürstenberg
Strukturwandel der Arbeitsqualifikation und ihrer Vermittlung - Auswirkungen auf arbeitsbedingte Lebenslagen
Gerhard Naegele
Lebenslagen im Alter im demografischen Wandel
Ortrud Leßmann
Lebenslage, Capability Set, Teilhabe - Spielraum bei neuen Konzeptionen von Ungleichheit
Norbert Reuter
Die Eurokrise - Folge zunehmender Ungleichheit?
Mehrdimensionalität von Armut
Werner Schönig
Einführung
Werner Schönig
Warum sind arme Leute arm? Armutstheorien und ihre sozialpolitischen Konsequenzen
Dietrich Engels
Lebenslage und gesellschaftliche Inklusion: Theoretischer Ansatz und empirische Umsetzung am Beispiel von Personen mit Migrationshintergrund
Ralf Zimmer-Hegmann
Räumliche Aspekte der Sozialen Frage: Ortsbezogenheit von multipler Armut
Gesundheit und Lebenslagen
Josef Hilbert
Einführung
Rolf G. Heinze, Josef Hilbert
Individualisierung, Ökonomisierung, Digitalisierung: Der sozio-ökonomisch-technische Wandel als Herausforderung und Chance für eine zukunftsfähige Soziale Gesundheitswirtschaft
Armin Lang, Severin Schmidt
Zukunft der medizinischen Rehabilitation
Günter Danner
Subsidiaritätsbewahrung im Sozialschutz - eine zentrale Gegenwartsaufgabe in der Europapolitik
Bildung und Bildungspolitik
Peter Petrak
Einführung
Carina Gödecke
Integration durch Bildung
Klaus Klemm, Hans-Günter Rolff
Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit - Wortspiele oder Gesellschaftspolitik?
Michael Hanschmidt, Peter Petrak
Demografischer Wandel oder Aufbruch in eine Neuverteilung von Lebenslagen?
Michael Krüger-Charlé, Katharina Rolff
Kein Ende in Sicht: Probleme im Übergang zwischen Schule, Ausbildung und Beruf. Strukturen, Einschätzungen und Gestaltungsperspektiven
Arbeit und Mitbestimmung
Antje Blöcker
Einführung
Ursula Engelen-Kefer
Neuordnung der Arbeitsmarktpolitik - Inklusion statt Hartz IV
Markus Helfen, Jörg Sydow
Mehr-Arbeitgeber-Beziehungen in der deutschen Automobilindustrie: Arbeitspolitische Herausforderungen für Management und Arbeitnehmervertretung
Andreas Boes, Tobias Kämpf, Thomas Lühr, Alexander Ziegler
Zeitenwende für hochqualifizierte Angestellte: Über die Bedingungen kollektiver Interessenvertretung in der digitalen Arbeitswelt
Gemeinwirtschaft
Stefan Gärtner
Einführung
Dirk Löhr
Gemeinwirtschaft im Wandel der Zeiten
Rolf G. Heinze
Sozialwirtschaft und Wohlfahrtssysteme
Karin Weishaupt
Wissensteilung in der share economy: die Funktion von Bibliotheken und aktuelle Trends
Verbraucher und Konsumenten
Margret Engelhard
Einführung
Heiko Steffens
Verbraucherpolitik als Stärkung der Selbsthilfe
Christa Liedtke, Johannes Buhl
Wer sind die Verbraucher? Von der (Un-)Mündigkeit bis zum Management komplexer Systeme
Fazit und Perspektiven
Dieter Rehfeld
Die Rolle angewandter Wirtschafts- und Sozialforschung auf dem Weg zu einer neuen Gesellschaftspolitik
"Die Herausgeber wollen einen Beitrag zu einer "neuen Gesellschaftspolitik" (548) leisten, die "nach selbstbestimmten, politisch, sozial und wirtschaftlich handelnden Menschen fragt, die ihre Gesellschaft gestalten" (549). So schreibt es Dieter Rehfeld in seinem abschließenden Fazit. In diesem Sinne ist der analytische Fokus der Beiträge vor allem auf die Situation sozial schwacher oder gefährdeter Personen gerichtet, während die Autor_innen gleichzeitig den Anspruch erheben, konkrete Vorschläge zur Veränderung dieser Situation anzubieten. Ein zentrales Konzept ist dabei der Lebenslagen‑Ansatz Gerhard Weissers. Lebenslage wird definiert als "Spielraum, den die äußeren Umstände dem Menschen für die Erfüllung der Grundanliegen bieten" (91), wie Ortrud Leßmann in ihrer theoretischen Auseinandersetzung mit dem Konzept ausführt. In insgesamt sieben Abschnitten, die jeweils durch ein die einzelnen Beiträge und das Thema vorstellendes Kapitel eingeleitet werden, kommen die unterschiedlichen Dimensionen der Lebenslage und damit unterschiedliche politische Felder in den Blick. Während etwa die Bedingungen der Arbeitswelt im Kontext neoliberaler Deregulierungs‑ und Prekarisierungstendenzen untersucht werden, wird der Wandel im Bildungs‑ und Gesundheitsbereich dahingehend befragt, wie er die Teilhabe‑ und Gestaltungsmöglichkeiten der Menschen beeinflusst. Gemein ist den Beiträgen, dass sie sich gegen ein positivistisches Wissenschaftsverständnis wenden, das die eigenen Annahmen verschleiert und seine potenziellen Implikationen negiert. Gefordert wird stattdessen eine normative Sozialwissenschaft, die "ihre Ausgangs‑ und Bezugspunkte explizit macht" (551). Dahingehend stellt etwa Werner Schönig in seinem Beitrag makro‑ und mikroökonomische Armutstheorien gegenüber, um zu zeigen, dass die darin formulierten Kausalitätsvermutungen zugleich spezifische politische Handlungsoptionen enthalten. Der anlässlich des 50‑jährigen Bestehens des Gerhard Weisser‑Instituts herausgegebene Band kann als eine umfassende und engagierte Analyse sozialer Ungleichheit (in Deutschland) gelesen werden."